Kooperation mit "Heimwegtelefon" Wiesbaden will Angst beim Nachhauseweg bekämpfen
Wer nachts zu Fuß unterwegs ist, fühlt sich oft unwohl. Als erste große Kommune kooperiert die Stadt Wiesbaden mit dem Verein "Heimwegtelefon", der Menschen telefonisch nach Hause begleitet. Reicht das für ein sichereres Gefühl?
Meistens fühlt sich Charly Hüther unwohl, wenn sie mal wieder mitten in der Nacht Feierabend hat und zu ihrem Auto laufen muss. Den Weg empfindet die 21 Jahre alte Barkeeperin in Wiesbaden als großes Risiko, denn gerade am Wochenende seien zu der Zeit viele Betrunkene unterwegs. "Du kannst die Menschen dann schwer einschätzen und wenn jemand laut pöbelt oder du alleine durch die Stadt laufen musst, kriegst du natürlich oft Angst als junge Frau."
Weil Hüther am Wochenende arbeitet, sind die Parkplätze direkt vor der Bar meistens schon besetzt. Dementsprechend lange muss sie nach Feierabend laufen. Um sich dabei etwas sicherer zu fühlen, rufe sie oft ihre Mutter oder ihren Freund an. Ihre Hoffnung sei dabei, dass man ihr aus dem Weg gehe: "Manchmal fake ich Anrufe auch nur und laufe dann möglichst schnell, bis ich zum Auto komme und losfahren kann."
Besseres Sicherheitsgefühl dank Heimwegtelefon
Wie Hüther geht es vielen Menschen, die nachts unterwegs sein müssen - besonders Frauen. Das zeigt auch eine Umfrage der Stadt Wiesbaden. Demnach wünschen sich 76 Prozent der Frauen in Wiesbaden Notfallsäulen. Diese Säulen in ausreichend großer Zahl anzubringen, sei jedoch schwierig, erklärt Saskia Veit-Prang, Frauenbeauftragte in Wiesbaden. Sie setzt auf eine andere Idee: die Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein "Heimwegtelefon".
Veit-Prang sieht im Heimwegtelefon ein "alternativlos gutes Angebot", damit sich Menschen nachts sicherer fühlten und freier bewegen könnten. Bisher sei das Angebot aber eher unbekannt. Dabei gibt es die Telefonhotline schon seit elf Jahren.
Wiesbaden ist die erste große Kommune, die eine Kooperation mit dem Verein eingeht. Die Stadt möchte das Angebot fördern und dafür werben, damit mehr Menschen darauf aufmerksam werden. "Das Heimwegtelefon ist nicht allein die Lösung für alles. Aber es ist eine tolles Angebot für viele, die es noch gar nicht entdeckt haben", so Veit-Prang.
Heimwegtelefon begleitet telefonisch nach Hause
Und so funktioniert das Heimwegtelefon: Menschen, die sich auf ihrem nächtlichen Weg unwohl fühlen, können dort anrufen und werden von einem der 100 ehrenamtlich Mitarbeitenden am Telefon bis nach Hause begleitet. Zu Beginn des Anrufs wird nach dem Namen und dem Zielort gefragt, damit die Informationen im Ernstfall an die Polizei weitergeben werden können.
Warum Menschen anrufen, sei unterschiedlich, erzählt Daniel vom Heimwegtelefon. Manche fühlten sich beobachtet, andere wollten nicht alleine durch die Straßen laufen. Wichtig sei, dass sich niemand für einen Anruf rechtfertigen müsse. Und auch wenn vor allem Frauen anriefen, wolle man für alle Menschen da sein.
Sinn des Heimwegtelefons sei es in erster Linie, da zu sein, wenn jemand ein schlechtes Gefühl habe, es aber keinen Notfall gebe. Die Polizei ersetzen könne man nämlich nicht: "Wir können nicht vor Ort helfen. Bei einem akuten Notfall sollte man immer die 110 anrufen."
Getränkedeckel und Sticker zur Aufklärung
Die Kooperation mit der Stadt sieht Ehrenamtler Daniel positiv. Sie trage dazu bei, mehr Menschen helfen und noch professioneller arbeiten zu können. Um die gemeinnützige Telefonhotline bekannter zu machen, wirbt die Stadt gezielt im Wiesbadener Nachtleben. So zum Beispiel in der Badhausbar, der Arbeitsstelle von Charly Hüther. Dort werden Getränkedeckel und Sticker mit der Telefonnummer des Heimwegtelefons verteilt.
Barbesitzer Christian Liffers findet, als Gastronom habe er eine besondere Verantwortung. Deshalb sagte er nach der Anfrage der Stadt auch sofort seine Unterstützung zu. "Es gibt einfach Menschen, die gefährdet sind. In der Nacht und im Partyleben sind es oft Frauen oder Schwule, die mit Hass konfrontiert sind. Wir schulen unsere Mitarbeiter deshalb schon seit Jahren", so Liffers. Das Heimwegtelefon könne aber helfen, dass Menschen sich auch auf der Straße sicherer fühlen.
"Ein erster großer Schritt"
Auch Hüther begrüßt die Förderung des Vereins. Nicht jeder könne um die Uhrzeit eine bekannte Person anrufen: "Natürlich ist es ein Unterschied, persönlich begleitet oder abgeholt zu werden. Aber es hilft schon sehr, jemanden am Telefon zu haben und Fremden das Gefühl zu geben, dass da jemand ist, der auf einen achtet." Das sei ein erster großer Schritt.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,, 30.12.2022, 16.45 Uhr
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