Däubler-Gmelins Zwischenbericht Funktionäre verdienten an Krediten für die AWO
Mit einer Task-Force soll Ex-Bundesjustizministerin Däubler-Gmelin die AWO-Affäre aufklären. Am Freitag stellte sie einen Zwischenbericht vor. Daraus geht nach hr-Informationen hervor: Funktionäre liehen ihrem Sozialverband Geld - und profitierten überdurchschnittlich.
Seit Monaten erschüttert die sogenannte AWO-Affäre den Sozialverband in Hessen: Überhöhte Funktionärsgehälter, teure Dienstwagen, ominöse Beraterverträge.
Nun könnte ein weiteres, unangenehmes Kapitel hinzukommen. Die vom Bezirksverband selbst eingesetzte Task-Force zur Aufklärung der Vorwürfe unter der Leitung der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) will einen ersten Zwischenbericht präsentieren. Und dieser hat es nach hr-Informationen in sich.
Vorstandsmitglieder als Gläubiger
Der Bericht basiert auf Prüfungsergebnissen des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte, welche dem hr vorliegen. Im Fokus stehen dabei private Darlehen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Bezirksverbandes Hessen-Süd. In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Bezirksverband den Unterlagen zufolge auf diese Weise rund fünf Millionen Euro geliehen - zu Zinsätzen zwischen 4 und 6,5 Prozent. Auffällig ist: Die Gruppe der privaten Darlehensgeber setzt sich größtenteils aus dem Vorstand des Bezirksverbandes und Leuten aus seinem Umfeld zusammen.
So zählten zu den Darlehensgebern Mitglieder des derzeitigen geschäftsführenden Vorstandes, ehemalige und aktive Mitarbeiter sowie Geschäftspartner aus dem Umfeld ehemaliger AWO-Manager.
Der Bezirksvorstand gab 2015 seinen Segen für diese Art kurzfristiger Überbrückungskredite. Intern firmierten sie als "Liquiditätsdarlehen". Gegenüber den Wirtschaftsprüfern von Deloitte erklärte der Bezirksverband sein Vorgehen damit, dass es zum Monatsende, wenn die Mitarbeitergehälter fällig gewesen seien, zu finanziellen Engpässen gekommen sei. So seien etwa Säumniszuschläge für Sozialversicherungsbeiträge der Mitarbeiter aufgelaufen. Andere Formen der kurzfristigen Geldbeschaffung - etwa die bei Wirtschaftsunternehmen üblichen kurzfristigen Kontokorrentkredite - wären die AWO deutlich teurer zu stehen gekommen.
Däubler-Gmelin sieht "Interessenskonflikte"
Die Wirtschaftsprüfer haben jedoch Zweifel an dieser Darstellung. So hätte die AWO keine Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die angegebenen Säumniszuschläge auch tatsächlich bezahlt werden mussten. Die Wirtschaftsprüfer monieren außerdem fehlende Berechnungen die belegen, dass Kontokorrentkredite für die AWO tatsächlich teurer gewesen wären.
Auch Task-Force-Vorsitzende Däubler-Gmelin geht in ihrem Zwischenbericht mit den Verantwortlichen für die Kredite hart ins Gericht. Unter anderem ist von möglichen "Interessenkonflikten" der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands die Rede. Die Wirtschaftsprüfer hätten festgestellt, dass diesen Zinsen zu "teilweise unüblichen Konditionen" gewährt worden seien. So wären die von ihnen gewährten Kredite höher verzinst, als Darlehen, welche die AWO von Mitarbeitern oder Kreisverbänden bekommen habe.
Einen Abschlussbericht will die Task-Force bis spätestens zur AWO-Bezirkskonferenz am 25. April vorlegen.
Auf eine Anfrage des hr bezüglich der Privatdarlehen hatte der Bezirksverband Anfang März mit der Veröffentlichung einer Pressemitteilung reagiert. Darin werden die Kredite als "Social Investments" vorgestellt. Diese Form der Geldbeschaffung käme aus Schwellenländern und sei für die AWO eine günstige Form an Geld zu kommen. "Bei dieser Form des Social Invest handelt es sich um unbesicherte Darlehen. Es ist also der Totalverlust der Darlehenssumme möglich," erklärte ein Sprecher die Höhe der Zinsen.
Klärungsbedarf bei Pflegeheim-Deals
Auch die bereits in der Öffentlichkeit diskutierten Verkäufe der Pflegeheime in Bruchköbel und Langgöns werden in dem Zwischenbericht kritisch beleuchtet. Der hr hatte Anfang des Jahres darüber berichtet, dass die beiden Pflegeheime an private Firmen verkauft und seitdem von der AWO zurück gemietet werden. In diesem Zusammenhang laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf mögliche Untreue.
Die Prüfer von Deloitte halten viele Aspekte rund um die Immobilien-Deals für klärungsbedürftig. So behauptet der Vorstand, die Verkäufe seien wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage des Verbandes "bis hin zur Zahlungsunfähigkeit" nötig gewesen. Doch aus Sicht der Wirtschaftsprüfer wurde nicht ausreichend belegt, dass es keine alternativen Finanzierungsmöglichkeiten gab. Außerdem fehlten Belege dafür, dass andere potentielle Käufer gesucht wurden, um so für die AWO bessere Konditionen bei dem Sale-and-lease-back-Geschäft heraus zu holen.
AWO-Bundesverband erstattet Anzeige
Der AWO-Bundesverband liegt wegen der Verkäufe mit dem Bezirksverband seit Jahren im Clinch. Er sieht darin einen Verstoß gegen die AWO-Compliance-Regeln. Auf hr-Anfrage erklärte Geschäftsführer Wolfgang Stadler nun, der Bundesverband selbst habe Strafanzeige wegen des Deals erstattet, da eine "weitere Aufklärung" nicht mehr möglich schien.
Zum Stand der Ermittlungen gibt die Staatsanwaltschaft keine Auskunft. "Daher hat der Bundesverband der AWO im Dezember 2018 entschieden, die in der Zwischenzeit festgestellten Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Frankfurt als zuständiger Fachbehörde mit der Aufforderung zur Überprüfung und Entscheidung über die weiteren Schritte in eigener Zuständigkeit übergeben“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Pressemitteilung.
Möglicherweise kommt nun Bewegung in die Ermittlungen. Im Bericht der Wirtschaftsprüfer steht zwar: Die Ergebnisse dürften nicht an Dritte weitergegeben werden. "Aber weiter heißt es: "Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden gehören nicht zu Dritten im Sinne dieser Vereinbarung."
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau kompakt, 06.03.2020, 16.45 Uhr