Jubiläum 100 Jahre Radio aus Frankfurt
Klassische Musik, ein Märchenonkel für die Kinder und "Drei Minuten für die Hausfrau": Vor 100 Jahren wurde die erste tägliche Radiosendung in Frankfurt ausgestrahlt. Zaungäste gab es auch, sie waren aber nicht gern gesehen.
"Frankfurt am Main auf Welle 400 und 60" - das waren die ersten Worte, mit denen am 1. April 1924 die täglichen Rundfunksendungen aus einem Studio im Postscheckamt in der Frankfurter Innenstadt begannen - die Vorläufer des Hessischen Rundfunks.
Mit einem Stammkapital von 100 Billionen Mark hatten fünf private Gesellschafter am 7. Dezember 1923 Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG (SÜWRAG) in Frankfurt gegründet.
Industrielle Schleussner und Opel investierten
Zu den Gründungsvätern gehörten der Frankfurter Industrielle Carl Adolf Schleussner und Fritz von Opel. Nach Berlin, Leipzig und München begann die SÜWRAG als vierte regionale Funkgesellschaft mit dem Sendebetrieb.
Die künstlerische Leitung übernahm der erst 27 Jahre alte Mediziner Hans Flesch, die kaufmännische Leitung der ebenfalls 27-jährige Rechtsanwalt und Notar Wilhelm Schüller.
Rückmeldungen aus ganz Europa
Die Studioräume des Senders befanden sich im fünften Stock des damaligen Postscheckamts in der Stephanstraße. Die Antennenanlage war auf dem Dach des 30 Meter hohen Gebäudes errichtet worden.
Die ersten Sendeversuche begannen am 12. März 1924, offenbar mit sehr guten Ergebnissen: Aus ganz Europa gingen Zuschriften über den klaren und deutlichen Empfang des Frankfurter Senders ein. Statt der vorgeschrieben 150 Kilometer wurde eine Reichweite von über 1.500 Kilometern erzielt.
Klassische Musik zum Auftakt
Die offizielle Eröffnung des Senders erfolgte dann am 1. April 1924 um 20.30 Uhr. Nach Hans Fleschs Stationsansage übertrug man die Egmont-Ouvertüre von Beethoven. Es folgten Werke von Weber, Mozart, Schubert und Mendelssohn, Solistin war die Frankfurter Opernsängerin Magda Spiegel.
In der ersten Sendewoche sah die Allgemeine Tageseinteilung von 11.55 Uhr bis 12.10 Uhr einen Nachrichtendienst vor, von 16.30 Uhr bis 18 Uhr Unterhaltungsmusik und ab 20.30 Uhr ein Konzert, anschließend letzte Nachrichten.
Tanzmusik nur nach Rundspruch
Vorgesehen waren auch Vorträge und Tanzmusik, allerdings nicht täglich; die entsprechenden Sendezeiten wurden vorher durch Rundspruch bekanntgegeben.
Das Programm war also noch nicht sehr umfangreich, aber ambitioniert. So sendete Frankfurt am 7. April die erste Uraufführung einer Komposition im deutschen Rundfunk, Paul Hindemiths "Minimax für Streichorchester".
Drei Minuten für die Hausfrau
In den folgenden Monaten wurde das Programmangebot nach und nach erweitert mit literarischen Lesungen, religiösen Morgenfeiern, Opernübertragungen, einer musikalischen Quizsendung und einem Esperanto-Sprachkurs.
Es gab Sendungen speziell für Frauen ("Drei Minuten der Hausfrau") und für Kinder ("Der gute Märchenonkel erzählt den Kindern was").
Darüber hinaus gab es eine Reihe erfolgreicher Programm-Kooperationen mit externen Einrichtungen, darunter der Frankfurter Universität, der Volkshochschule und der Frankfurter Zeitung.
Problem "Schwarzhörer"
Zum Sendebeginn am 1. April gab es 546 angemeldete Rundfunkteilnehmer und eine unbekannte Zahl an Schwarzhörern, so genannte Zaungäste, die mittels einfacher, selbst zusammengebauter Empfangsgeräte die Rundfunkgebühr von zwei Mark umgingen und unentgeltlich Radio hörten.
Das Schwarzhören war sehr häufig Thema in den Fachzeitungen; um die Zaungäste zu bekehren, gingen moralische Appelle über den Äther und es wurden Geldbußen sowie Gefängnisstrafen angedroht.
Beschwerden der zahlenden Teilnehmer
Aufgrund der anhaltenden Beschwerden zahlender Rundfunkteilnehmer, gegen die Schwarzhörer werde nicht tatkräftig genug eingeschritten, entschloss sich die SÜWRAG im September 1924, eine Belohnung für Anzeigen auszusetzen.
Die ersten fünf Anzeigen, auf die eine Bestrafung der Schwarzhörer erfolgte, wurden mit einem Röhrenempfänger belohnt, alle weiteren mit je einem Detektorgerät.
Darüber, wie es letztlich gelang, den einen oder anderen Schwarzhörer zu bekehren, kann nur spekuliert werden. Tatsache ist, dass im Sendegebiet Frankfurt/Kassel aus den anfänglichen 546 innerhalb eines Jahres 64.188 reguläre Rundfunkteilnehmer wurden.
Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg
Ende der weiteren Informationen