25 Jahre Künstlerkollektiv "3Steps" Wie Street Art aus Gießen die Welt erobert hat
Seit 25 Jahren macht das Künstlerkollektiv "3Steps" erfolgreich Street Art, und das in Metropolen wie London, New York oder Mailand. Dabei hält es seiner Heimatstadt Gießen immer die Treue. Ein Porträt.
Sie sind nachts unterwegs, tragen Kapuzenpullis, haben Spraydosen im Rucksack und treiben sich an Bahnhöfen herum - so in etwa sieht das Klischee vom (illegalen) Graffitisprayern aus. Die Zwillingsbrüder Kai und Uwe Krieger und ihr Kompagnon Joachim Pitt könnten kaum entfernter davon sein.
Die beiden Kriegers haben promoviert, der eine in Marketing, der andere in Medizin. Und Joachim Pitt verdient sein Geld als Diplominformatiker. Nebenbei sind die drei das Künstlerkollektiv "3Steps". Seit 25 Jahren prägen ihre Graffiti das Stadtbild in Gießen und Wetzlar, ihre Werke zieren aber auch Wände in Metropolen wie London oder New York - und das völlig legal.
Gießen hatte früh legale Graffiti-Szene
Die Kriegers und Pitt kennen sich seit Kindertagen, als sie gemeinsam die Liebigschule in Gießen besuchten. Der erste, der der bunten Wandkunst verfiel, war Kai Krieger. "Ich war schon immer kunstaffin", erzählt er. Eine Affinität, die er damals im Kunst-Leistungskurs und eher klassischer Malerei auslebte.
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Ende der 1990er Jahre seien Graffiti im öffentlichen Raum sehr präsent geworden. Gießen hatte damals schon eine legale Graffiti-Szene - dank der Erkenntnis der Stadtverwaltung, dass Street Art durchaus ein Tourismusmagnet sein kann und dank der Gruppe "Die All Tschuggs", die auch Projekte an Schulen leitete.
"Farben haben mich komplett geflasht"
Auch Kriegers Schule war dabei: "Da war dieser eine Tag, an dem ich an die Schule gekommen bin und die Gruppe eine Wand im Hinterhof neu gestaltet hatte", erinnert sich Krieger. "Die Farben, die Komposition, das hat mich komplett geflasht." Fortan wollte er selbst zur Dose greifen.
"Bei Graffiti bedarf es nichts außer Erfahrung", erklärt Krieger seine Faszination. "Man kann diese Kunst schnell ausleben und auch schnell anderen zugänglich machen, weil sie nicht im stillen Kämmerlein passiert."
"Es gab niemanden, der Graffiti konnte"
Los ging es dann mit einer Projektwoche zu Graffiti. "Das Problem war: Zu der Zeit gab es noch niemanden auf der Schule, der Graffiti wirklich konnte", erzählt der 43-Jährige. "Wir haben also ein halbes Jahr bis zur Projektwoche auf allem geübt, was wir in die Finger kriegen konnten: auf Holzplatten, aber auch an der Garage."
Letztere habe sich über die Jahre mehrfach verändert, sagt Krieger augenzwinkernd, mit Unterstützung der Eltern - die allerdings ihre Grenzen bei der Ausbildung hatte. Denn: "Als hessischer Bub lernt man was Anständiges", sagt Krieger und lacht. In seinem Fall also Marketing, wobei immer klar gewesen sei, dass er die Kunst nie aufgeben würde.
Werke in Museumssammlung aufgenommen
Und so arbeiten die Brüder in Teilzeit, um möglichst viel Zeit für ihre Kunst zu haben. Mit Erfolg. Besonders bekannt und beliebt ist ihr Werk "Spyglass" in Wetzlar, das nach einem Post von DJ David Guetta zu einem viralen Hit wurde. Oder die "Berliner Mauerreste" auf dem Bahnhofsvorplatz in Gießen, die das Trio immer wieder neu in Szene setzt.
Inzwischen gibt es von den "3Steps" außerdem Siebdrucke, Collagen, Gemälde, Skulpturen oder Lichtinstallationen. Das Kollektiv organisiert Street-Art- und Kultur-Festivals, hatte zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen und unter anderem das Museum für Kommunikation in Frankfurt hat Werke in seine Sammlung aufgenommen.
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Auszeichnung der Bundesregierung
Die Bundesregierung zeichnete die "3Steps" 2014 mit dem Titel "Kultur- und Kreativpilot Deutschland" aus, 2022 kamen Auszeichnungen des Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen für kreative Fassadenkunst und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst für die neue "Dopamine"-Serie dazu.
Demnächst eröffnet das Trio das Atelier "Huette38 art hub" mit Büros, Werkstätten und einem Ausstellungsraum auch für andere Künstlerinnen und Künstler.
"Uns hat es in Gießen an nichts gemangelt"
Dass Graffiti inzwischen zum Stadtbild nicht nur in Gießen und Wetzlar gehören und schon längst nicht mehr in der Schmuddelecke an Bahnhöfen verortet werden - dazu hat die Arbeit des Trios beigetragen.
Dass das Kollektiv in Gießen bleibt und kein Büro in einer - vermeintlich - hippen Metropole eröffnet, erklärt Krieger mit Familienbindungen, aber auch mit der Gießener Infrastruktur. "Uns hat es hier an nichts gemangelt, es waren von Anfang an viele Wände verfügbar", sagt er. "Außerdem ist es einfach eine lebenswerte Region und die Metropole Frankfurt ist ja in der Nähe."
Ausstellung unterstreicht Bedeutung des Trios
Wer an einer komprimierten Zusammenstellung aktueller Werke der "3Steps" interessiert ist: Derzeit präsentiert die Stadtgalerie Wetzlar die Wanderausstellung "True Dopamine. 25years of Milvus County - A street art show", um die Bedeutung des Trios für die Region zu unterstreichen, wie Kuratorin Nikolett Simon vom Kulturamt der Stadt sagt.
Zu sehen sind unter anderem Werke der preisgekrönten "Dopamine"-Serie, die - gemäß dem Titel - Glück, Euphorie, Liebe und Unbeschwertheit feiern soll.