80 Jahre Befreiung KZ Auschwitz Staatstheater Darmstadt erinnert mit Musik an jüdische Familie Herzberg

Schöne Musik, schaurige Erinnerungen: Das Staatstheater Darmstadt erinnert mit einem eigens in Auftrag gegeben Liederzyklus an den Holocaust. Musik und Text passen oft nicht zusammen und das ist gewollt, erklärt die Komponistin. Das Publikum soll das Gefühl bekommen: Hier stimmt etwas nicht.

Vier Personen auf einer Bühne verbeugen sich vor einem Publikum. Im Hintergrund steht ein Flügel, und rechts ist ein Mikrofonständer zu sehen. Die Personen halten sich an den Händen: links ein Mann im Anzug, daneben eine Frau in einem roten Kleid, eine Frau in einem karierten Mantel und rechts eine Frau in dunkler Kleidung.
Giacomo Marignani (Klavier), Megan Marie Hart (Sopran), Bracha Bdil (Komponistin) und Joanne Herzberg (Fritz Herzbergs Tochter) Bild © Jonas Weber

Als vor 80 Jahren alliierte Soldaten das KZ Auschwitz befreiten, kam für die jüdische Familie von Fred Herzberg jede Hilfe zu spät. Eltern, Schwester und Großmutter waren da schon tot, davon erfuhr er selbst nur in Briefen im weit entfernten England.

Audiobeitrag
Bild © Imago Images| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

Über Opernsängerin Megan Marie Hart kommt Fred Herzbergs Geschichte jetzt ans Staatstheater Darmstadt. Hart ist seit 2020 Ensemble-Mitglied in Darmstadt und mit Joanne Herzberg, Freds Tochter, eng befreundet.

Liederzyklus aus mehr als 400 Briefen

Das Staatstheater Darmstadt erzählt die Geschichte der Familie Herzberg aus Detmold in dem eigens in Auftrag gegebenen Werk "Briefe an Fred" der israelischen Komponistin Bracha Bdil, das am Sonntagabend zum ersten Mal aufgeführt wurde.

Im Publikum saß auch Tochter Joanne Herzberg. Sie sagt: "Ich hatte lange keine Ahnung, wer mein Vater war. Bis er vor gut 20 Jahren seine Geschichte für uns aufgeschrieben hat." Sie las über 400 Briefe aus der Zeit, die Fred von seiner Familie bekam. Aus diesen Briefen entstand der Liederzyklus.

Bewegende Geschichte eines Holocaust-Überlebenden

Fred Herzberg hatte es 1939 noch aus Deutschland herausgeschafft. Ohne Papiere kam er mit 17 Jahren mit einem Kindertransport nach England, obwohl er dafür eigentlich schon zu alt war.

Durch einen Brief eines Freundes der Familie erfuhr er dann, dass seine gesamte Familie deportiert worden war. Sein Vater und seine Großmutter kamen in Theresienstadt ums Leben, seine jüngere Schwester und seine Mutter starben später im KZ Auschwitz.

"Während die halbe Welt in die Oper geht, werden andere abgeschlachtet"

Briefe zu vertonen, das war auch für Komponistin Bracha Bdil keine einfache Aufgabe, wie sie sagt, auch wenn es nicht ihr erstes Werk zum Thema Holocaust ist. "Ich wollte es auch auf eine ironische Weise aufführen, damit die Zuhörer merken: Hier stimmt etwas nicht."

So werden Briefe, in denen beschrieben wird, wie die Niederlande und Belgien überfallen werden, mit Melodien aus "La Traviata" unterlegt. "Das soll die Stimmung der Zeit damals zeigen", erklärt Bdil. "Während die halbe Welt normal weiter lebt und in die Oper geht, werden andere abgeschlachtet."

Von Detmold auf die Bühne in Darmstadt

Freds Tochter Joanne Herzberg erzählt, oft habe ihr Vater aus den Briefen gar nicht herauslesen können, wie schlimm es wirklich um seine Familie stand. Sie selbst habe es erfahren, als sie mit einer Zeugin sprechen konnte, die gemeinsam mit ihrer Familie ins KZ Auschwitz deportiert wurde. "Das war absolut schockierend für mich, ich konnte tagelang kaum sprechen, es war einfach zu viel für mich."

Dieses Gefühl kennt auch die Opernsängerin Megan Marie Hart, wie sie sagt. Zwischen den Liedern wird sie still, liest einen Brief vor, ohne Musik. "Ich muss Pausen machen, mich sammeln, damit meine Stimme nicht bricht", sagt sie. "Der Brief, in dem Fred erklärt bekommt, dass seine ganze Familie gestorben ist, ist der schwierigste und traurigste Teil für mich."

Die schmerzhafte Geschichte als Triumph

Aber Hart sagt, Freds Geschichte sei auch eine Geschichte des Triumphs. Er habe überlebt, konnte später in die USA ausreisen, eine Familie gründen.

"Als er die Chance hatte, von einem Onkel in die USA geholt zu werden, hat er sie genutzt", betont auch Joanne Herzberg. Sie selbst lebt seit einigen Jahren in Deutschland, geht in Schulklassen und erzählt die Geschichte ihrer Familie.

Dabei gehe es ihr auch darum, wie sich die politische Richtung in einem Moment auf den anderen verändern kann - und damit auch das Leben von vielen Familien.

Weitere Informationen

Holocaust-Gedenktag

Mit Holocaust oder Shoah wird der systematische Völkermord an etwa sechs Millionen europäischen Juden durch die Nationalsozialisten zwischen 1941 und 1945 bezeichnet. Neben Juden wurden andere Gruppen wie Roma, Sinti, Menschen mit Behinderungen, politische Gegner und Homosexuelle verfolgt und ermordet.

2005 führten die Vereinten Nationen (UN) zum 60. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau den 27. Januar als Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust ein.

Ende der weiteren Informationen
Formular

Hessen am Abend - Der hessenschau-Newsletter

Hier können Sie sich für Hessen am Abend anmelden. Der Newsletter erscheint von Montag bis Freitag und hält Sie über alles Wichtige, was in Hessen passiert, auf dem Laufenden. Sie können den Newsletter jederzeit wieder abbestellen. Hier erfahren Sie mehr.

* Pflichtfeld

Ende des Formulars

Redaktion: Katrin Kimpel

Sendung: hr2 kultur,

Quelle: hessenschau.de