Sammlung von Goldschmidt-Rothschild in Frankfurt Ein ambitioniertes Museumsprojekt will bewundern, würdigen - und Buße tun
Das Museum Angewandte Kunst inszeniert die Kunstsammlung eines großen Frankfurters bewusst anders: Nicht nur prachtvolle Stücke, sondern auch der Sammler Maximilian von Goldschmidt-Rothschild selbst stehen im Zentrum. Und die unrühmliche Rolle der Stadt Frankfurt in der NS-Zeit.
Trinkgefäße in Tierform, kleine Figuren aus Gold, zierliche Tischchen, prächtige Wandgobelins und ab und zu ein Gemälde – es ist ein Potpourri von Kunstgegenständen, das in der Ausstellung "Sammlung Maximilian von Goldschmidt-Rothschild" im Museum Angewandte Kunst gezeigt wird (27. Januar bis 4. Juni 2023). Ganz offensichtlich hohe Handwerkskunst, aber es wird auch klar: Der renommierte Frankfurter Sammler hat Vieles zusammengetragen.
Trotzdem oder gerade deshalb hat Maximilian von Goldschmidt-Rothschild den Kunstgeschmack und das Kunstverständnis in Frankfurt Anfang des 20. Jahrhunderts mitgeprägt, weil er seine Objekte und Gemälde an Ausstellungen gab.
Er habe seine Sammlung auch gezielt aufgebaut, erklärt Katharina Weiler, die Kuratorin der Ausstellung, und nennt als Beispiel Emaillearbeiten aus Limoges: "Da kann man von einer enzyklopädischen Sammlung reden, weil er Stücke vom 13. Jahrhundert bis in die Neuzeit gesammelt hat." So könne man die Entwicklung und Technik aus verschiedenen Epochen verfolgen.
Zum Verkauf gezwungen
Goldschmidt-Rothschild war dabei mehr als ein Sammler: Er war auch Mäzen, unter anderem unterstützte er ein Siechenhaus, ein Hospital und ein Kinderhospital. Umso schlimmer, dass genau diese Stadt, sein Frankfurt, ihm und seiner Familie so übel mitgespielt hat. Die Nationalsozialisten hatten bestimmt, dass Juden eine Vermögensabgabe zahlen mussten. Die bemaß sich am Marktwert der Stücke. Deshalb wurde seine wertvolle Sammlung bewusst niedrig geschätzt.
Und dann, kurz nach der Reichspogromnacht 1938, "durfte" Maximilian von Goldschmidt-Rothschild seine liebevoll zusammengetragenen Stücke an die Stadt verkaufen – angeblich, um sie vor dem plündernden Mob zu schützen.
Offensichtlich betrogen
Kuratorin Katharina Weiler ist dieser Zwangsverkauf heute noch unangenehm, denn der Sammler wurde offensichtlich betrogen: "Er hat die Sammlung für rund 2,5 Millionen Reichsmark verkauft. Darunter sind Objekte aus vielen Jahrhunderten. Die ältesten Stücke datieren in das 13. Jahrhundert."
Der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs rühmt sich 1941 selbst in einem Brief: "Die erworbenen Kunstgegenstände, für die wir 2,5 Millionen Reichsmark ausgegeben haben, sind heute schon gut das Zehnfache wert. Wir haben, ohne ein Selbstlob auszusprechen, eine vorsichtige und trotzdem weitsichtige Politik betrieben."
Verlust und Aneignung
Der Sammler selbst durfte zwar noch in seinem eigenen Palais zur Miete wohnen bleiben, bis er 1940 verstarb. Aber seine Sammlung wurde vor seine Augen ausgeschlachtet – verteilt, verkauft oder auch verschoben.
Die Ausstellung macht auch dieses unrühmliche Geschacher zum Thema. Sogar die Rolle des eigenen Hauses, betont die Kuratorin. Sie wolle auch die Leerstellen vermitteln, weil von dieser Sammlung eben nicht mehr alles vorhanden ist. Außerdem gehe es um Verlust und Aneignung: "Verlust für Maximilian von Goldschmidt-Rothschild. Aneignung und Bereicherung für das Museum für Kunsthandwerk, wie das Museum Angewandte Kunst früher hieß."
Fotos dokumentieren die Sammlung
Umgesetzt sieht das dann so aus: Große Fotos an den Wänden zeigen Szenen vom Palais Rothschild, bevor es leergeräumt war. Man sieht Räume, die mit Kunstgegenständen vollgestopft sind. Davor in Vitrinen einige Stücke der Sammlung. Und wenn man genau hinschaut, finden sich die Stücke in der Vitrine auch auf den Fotos. Die Ausstellung ist also auch wie ein kleines Suchspiel inszeniert.
In einem anderen Raum liegen endlos scheinenden Listen aus, auf denen alle Sammlungsstücke erfasst wurden - mit dem schon niedriggeschätzten Geldwert. An Hörstationen sind alte Briefe vertont, von Kunsthändlern, Museumsdirektoren und Bürgermeistern. Es klingt fast grotesk, wie jeder von ihnen bemüht ist, ein möglichst großes Stück aus der bedeutenden Sammlung zu ergattern.
Kunstschutz als Vorwand für Enteignung
Die Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst legt ganz bewusst den Finger in die Wunde. Zeigt nicht nur Stücke aus einer bedeutenden Kunstsammlung, sondern auch, wie mit ihrem Sammler und seinem Lebenswerk umgegangen wurde. "Es tut weh zu sehen, wie Konzepte von Kunstschutz missbraucht wurden", sagt Katharina Weiler. Denn die Argumentation war immer und gerade nach dem Zweiten Weltkrieg, man habe die Kunstsammlung ja nur geschützt vor ihrer Zerstörung.
Die Sammlung von Maximilian von Goldschmidt-Rothschild ist eine Ausstellung, die Vieles will. Erinnern, würdigen und auch ein bisschen Buße tun. Und Kuratorin Katharina Weiler glaubt, dass die Nachfahren des Sammlers das zu schätzen wissen: "Es ist das eine längst überfällige Würdigung, aber auch eine längst überfällige Geschichtsschreibung, die bisher ausgeblieben ist."
Sendung: hr2-kultur, 26.01.2023, 16:00 Uhr
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