Anatomie-Modelle von "Glitterclit" Sexualaufklärung mit Plüsch und Glitzerstoff

"Glitterclit" aus Frankfurt verkauft Plüschmodelle von menschlichen Sexualorganen. Doris, die Klitoris und Schwanette, der Schwellkörper sollen helfen, über sexuelle Vielfalt ins Gespräch zu kommen.

Mensch auf einem Sofa, zeigt auf bunte Stoff-Modelle
Linu Blatt zeigt die anatomischen Modelle von "Glitterclit". Bild © Alexandra Müller-Schmieg/hr

Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt aus Frankfurt arbeiten als Kunst- und Sexualpädagog*innen, zum Beispiel für die Beratungsstelle Pro Familia.

Daneben haben sie aber auch ein ungewöhnliches Geschäftsmodell entwickelt. Mit ihrem Unternehmen "Glitterclit" vertreiben sie farbenfrohe und glitzernde Plüschmodelle von menschlichen Sexualorganen – geeignet für den Unterricht in und außerhalb der Schule und für Interessierte jeden Alters. 

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Besondere Modelle

Anatomisch korrekt und sehr genau gearbeitet sind die Genitalmodelle, aber die Farben sind ganz anders als "in Echt". Das haben sich Noa Peifer und Linu Blatt genau überlegt, als sie 2019 ihre ersten Plüsch-Genitalien herstellten.

Die Beiden wollten selbst Aufklärungskurse geben und waren auf der Suche nach Vorzeige-Modellen. Die sollten interessant aussehen und auch leicht verständlich sein. Ergebnis: Sie fanden einfach keine.

Große Nachfrage unter Kolleg*innen

"Dann haben wir uns hingesetzt und selbst ein Modell genäht", berichtet Noa Peifer. "Wir haben ein Modell von einer Vulva und einer Vagina entwickelt, und von einer Klitoris. Die Klitoris kann man in das Vulva-Modell hineineinstecken und wieder herausnehmen, und gucken, wie sie von allen Seiten aussieht.“

Mensch auf einem Sofa, zeigt auf bunte Stoff-Modelle
Penis und Vulva als farbenfrohe Stoffmodelle Bild © Alexandra Müller-Schmieg/hr

Später kam ein Penis-Modell dazu, und nach und nach vergrößerte sich die Sammlung, die sie aufgrund der großen Nachfrage unter Branchenkolleginnen und -kollegen auch zu verkaufen begannen. Das Unternehmen "Glitterclit" war geboren.

Veränderung mit künstlerischen Mitteln

Die Genitalmodelle zum Anfassen und Auseinanderbauen in alle Einzelteile sind optimal für pädagogische Zwecke. Doch die Plüsch-Organe erfüllen auch die künstlerischen Ansprüche der Entwickler*innen. Linu Blatt freut sich, "weil wir mit einem künstlerischen Mittel etwas geschaffen haben, das Menschen verändern kann."

Denn mit Hilfe ihrer Modelle gelinge es vielen Menschen besser, den eigenen Körper zu verstehen – und natürlich auch die Körper von anderen Menschen.

Linu Blatt und Noa Peifer haben den Genitalmodellen zum Teil auch Namen gegeben: Doris, die Klitoris oder Schwanette, der Schwellkörper. Das sorge in Kursen oft für Lacher, und helfe dabei vielen Teilnehmern, die anfängliche Scham gegenüber dem Thema abzubauen, erzählt Peifer.

 "So etwas sieht man nicht oft"

Das kann auch Sexualpädagogin Lovis Waltner bestätigen. Sie hat die Anatomie-Modelle von "Glitterclit" gekauft und setzt sie nun ein – in so gut wie allen ihren Kursen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

"Immer sind alle sehr happy und freuen sich, wenn ich die bunten Plüschmodelle auspacke," beschreibt sie die Reaktionen. "Die Leute staunen, weil man sowas nicht so oft sieht in dieser Form."

In den Workshops würden auch regelmäßig Erwachsene Neues lernen. "Viele Menschen staunen zum Beispiel, dass die Klitoris sehr groß ist und nicht einfach nur die kleine Spitze, die man vorne sehen kann." Das sei etwas, was auch vielen Menschen im Erwachsenenalter nicht bewusst sei, so Waltner.

Preis für innovatives Unternehmen

Für ihre anatomischen Genitalmodelle, die mittlerweile von einer Schneiderin in größeren Mengen gefertigt werden, haben Linu Blatt und Noa Peifer vor einigen Wochen einen "Preis der Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschlands" erhalten, eine Auszeichnung der Bundesregierung für innovative Unternehmer*innen. Damit verbunden waren Workshops, um das eigene Geschäftsmodell weiterzuentwickeln.

Zwei Menschen halten bunte Stoffmodelle von Genitalien
Noa Lovis Peifer und Linu Lätitia Blatt sind zusammen "Glitterclit" Bild © Glitterclit

Nun wollen sie so richtig mit "Glitterclit" durchstarten. In Online-Workshops wollen sie andere Sexualpädagoginnen und -pädagogen mit Tricks und Tipps im Umgang mit ihren Modellen versorgen.

Sexualität nicht mit Scham verknüpfen

Denn, so sind sie sich sicher: Es gibt noch immer viel Aufklärungsbedarf. "Auch wenn viele Personen über Sex reden, ist das Thema immer noch sehr mit Scham und Tabu behaftet," sagt Noa Peifer.

Das merke man auch an den Wörtern, die verwendet werden: "Noch immer heißt es "Schambereich" und "Schamlippen“, weil das mit Scham verknüpft ist." 

Wie können wir unsere Geschlechtsorgane nennen, ohne sie negativ zu bewerten? Auch das ist Thema in den Workshops, die die Sexualpädagog*innen nun ihren Kolleginnen und -kollegen anbieten.

Auch Intersexualität akzeptieren

Person auf einem Sofa, zeigt auf ein Poster "Genitale Anatomie" und hält in der Hand ein Modell einer Klitoris
Linu Lätitia Blatt von "glitterclit" arbeitet auch als Sexual-Pädagog*in. Bild © Alexandra Müller-Schmieg/hr

Ein Aspekt ist Linu Blatt und Noa Peifer dabei besonders wichtig: Durch sexuelle Bildung wollen sie mehr Toleranz in die Gesellschaft bringen. Damit Menschen mit intersexuellen Genitalien, die nicht eindeutig männlich oder weiblich aussehen, genau so akzeptiert werden, wie alle anderen.

"Diese Menschen gibt es auf der Welt, ungefähr so oft, wie es rothaarige Menschen gibt," weiß Linu Blatt. "Diese Menschen sind nicht krank, es ist nichts falsch an ihnen."

Erst lachen, dann reden

Nur die strenge Kategorisierung in Vulva = Frau und Penis = Mann sei falsch, denn es gebe anatomisch betrachtet eben auch viele Körper, die man nicht eindeutig dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zuordnen könne. 

Doris Klitoris, Schwanette, der Schwellkörper und Penelope Penoden sollen dazu beitragen, das besser zu verstehen und ins Gespräch zu kommen - auch, indem man über die Namen erstmal lachen darf.

Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

Sendung: hr2 kultur,

Quelle: hessenschau.de