Vorwürfe gegen Chefin der Arolsen Archives Abschlussbericht verstehen Mitarbeiter "als Aufforderung zur Kündigung"
Die Vorwürfe wogen schwer: Mobbing, Machtmissbrauch und Sexismus hatten Mitarbeiter der Arolsen Archives ihrer Direktorin und deren Stellvertreter vorgeworfen. Eine externe Untersuchung entlastet die beiden. Die Belegschaft reagiert empört.
Es waren schwere Vorwürfe, die über 30 Mitarbeitende der Arolsen Archives im Mai gegen ihre Direktorin Floriane Azoulay und deren Stellvertreter Steffen Baumheier erhoben. Im ARD-Magazin Kontraste war die Rede von einer "Kultur der Angst", einer "toxischen Arbeitsatmosphäre" und verbalen Übergriffen im weltweit größten Archiv zu NS-Opfern.
Dessen Aufsichtsgremium, der Internationale Ausschuss (IA), beauftragte daraufhin eine Anwaltskanzlei mit einer Untersuchung. Diese legte dem Ausschuss vergangene Woche ihren Abschlussbericht vor. Demnach seien "keine arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevanten Pflichtverletzungen der Direktion" festzustellen, wie das Gremium mitteilte.
Notwendigkeit, Vertrauen wiederherzustellen
Gleichzeitig habe der Bericht die Notwendigkeit ausgewiesen, Vertrauen wiederherzustellen und weitere Maßnahmen zu treffen, um ein positives und produktives Arbeitsumfeld zu gewährleisten.
Der IA sei überzeugt, dass vertrauensbildende Maßnahmen und gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten die Zusammenarbeit zwischen Direktion und Belegschaft ermöglichten, hieß es in der Mitteilung weiter.
"Aufforderung zur Kündigung"
Doch genau das bezweifeln die Mitarbeitenden der Arolsen Archives. Eine Stellungnahme, die dem hr vorliegt, ist überschrieben mit "Bittere Enttäuschung und eine Aufforderung zur Kündigung".
Systematisches Mobbing sei in dem Bericht "auf Einzelfälle von immerhin noch 130 Seiten Berichtsumfang reduziert", Vetternwirtschaft vollkommen ausgeklammert worden.
Nicht alle Anschuldigungen wurden untersucht
"Die Untersuchung war damit weder neutral noch unabhängig, sondern vom involvierten Auftraggeber, dem IA, dahingehend gesteuert, den Reputationsschaden durch die Direktion auf Kosten der Belegschaft zu minimieren", heißt es wörtlich. Besonders empört sind die Beschäftigten, dass der Untersuchungszeitraum auf zwei Jahre beschränkt worden war und dadurch viele der Anschuldigungen aus der Untersuchung herausfielen.
Weiter schreiben die Mitarbeitenden: "Die Aufforderung, nun zum Wohle eines erfolgreichen Transformationsprozesses einfach weiterzumachen, verstehen die betroffenen Beschäftigten als direkte Aufforderung zur Kündigung."
Vertrauen zurückgewinnen
Auf hr-Nachfrage verwies die Pressestelle der Arolsen Archives erneut auf den Untersuchungsbericht, der keinerlei Pflichtverletzungen erkennen konnte. Azoulay und Baumheier bedauerten, dass sich Mitarbeitende "in der geäußerten Form unangebracht behandelt gefühlt haben".
"Den Impuls, den der IA gleichzeitig mit seiner Erklärung gegeben hat, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, werden wir unverzüglich aufnehmen", heißt es in der Mitteilung weiter.
Sendung: hr4, 28.08.2023, 16:30 Uhr.
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