Hessens größtes Kunstquartier feiert Jubiläum Diese Ateliers sind mehr als nur Arbeitsplatz
Eine bezahlbare Arbeitsstätte zu finden, ist für viele Künstlerinnen und Künstler in der Stadt eine Herausforderung. Das Atelier Frankfurt hilft seit 20 Jahren dabei, sie zu überwinden.
An das Gefühl nach der Zusage für einen Raum im Atelier Frankfurt erinnert sich Hanke Wilsmann noch genau: "Das war wie Weihnachten und ein sehr großer, erhabener, verliebter Moment."
Wie bei einer frischen Beziehung sei damals ein neuer Begleiter in ihr Leben getreten, "und man denkt, der bleibt jetzt wirklich da und ich kann mich mit ihm austoben".
Gemeinsam mit ihrem Projektpartner Jost von Harleßem mietet die Theatermacherin ein gefördertes Atelier in der Schwedler Straße am Frankfurter Osthafen. Dort sitzt Hessens größtes Atelier- und Ausstellungshaus.
Verein bietet geförderte Werkstätten
Träger ist der gemeinnützige Verein "Atelierfrankfurt", der sich in erster Linie durch Eventvermietungen und Spenden finanziert. Unterstützt wird er außerdem vom Kulturamt der Stadt Frankfurt.
Wilsmann ermöglicht der Verein "eine essenzielle Arbeitsplattform für kontinuierliches, strukturstabiles Arbeiten". Früher habe sie in einem Zimmer ihrer Wohnung gearbeitet. Das sei aber irgendwann aus allen Nähten geplatzt.
Ohne ein Atelier geht es nicht
Wie wichtig ein Atelier ist, betont auch Corinna Mayer. Seit 20 Jahren malt sie groß- und kleinformatige Bilder in den Räumen des Atelier Frankfurt.
Dauerhaft auf die eigene Wohnung auszuweichen, sei für sie unmöglich. Zum einen, weil Kunst Dreck mache "und ich ständig aufpassen muss, dass nichts auf den Fußboden tropft".
Und dann ist da auch der Geruch der Ölfarbe. "Man kann nicht in einem Zimmer übernachten, in dem gerade ein Bild trocknet", sagt Mayer.
Die Miete muss erst mal erwirtschaftet werden
Zwischen 10 und 15 Euro pro Quadratmeter kosten die Ateliers warm, je nach Ausstattung. Das liegt zwar deutlich unter dem Frankfurter Mietspiegel, der laut Stadt je nach Größe, Alter und Lage eines Gebäudes bei bis zu 22 Euro pro Quadratmeter liegt.
Abhängig von der Raumgröße komme monatlich aber eine Summe zusammen, die man als freischaffende Künstlerin oder Künstler erst mal aufbringen müsse, gesteht Corinna Mayer. "Das ist manchmal echt nicht einfach."
"Essiggurkenzeit" für Kreative
Theatermacherin Wilsmann profitiert zwar von einer Förderung der Stadt Frankfurt, die ihre Mietkosten abdeckt. Für die Lage der meisten Kreativen in der Stadt sei aber "schon Essiggurkenzeit". Viele Bekannte müssten sich ergänzende Standbeine aufbauen "oder wirklich abbrechen".
Um an eins der insgesamt 140 Ateliers in der Schwedler Straße zu kommen, müssen sich Interessierte mit Portfolio und Lebenslauf bewerben. Voraussetzung ist das künstlerische oder kreative Arbeiten auf professioneller Ebene.
Etwa 70 Prozent der Mieterinnen und Mieter sind im Bereich der Bildenden Kunst tätig. Daneben nutzen auch andere Kreative wie Grafikdesigner, Kuratoren, Theaterleute und Fotografen das Kunstquartier.
Vernetzung als eine der Hauptaufgaben
Bei der Gründung im Jahr 2004 ging es der Initiative vor allem um bezahlbare Atelierräume für Künstlerinnen und Künstler. Heute bietet das größte Atelier- und Ausstellungshaus Hessens auf seinen 11.000 Quadratmetern auch Ausstellungsräume, Feste, Kunsthappenings und vor allem: Vernetzung.
Wenn in den Ateliers zum Beispiel ein Maler auf eine Grafikdesignerin treffe und einen Katalog in Planung habe, dann könne ein benachbarter Fotograf Bilder von den Arbeiten machen. "Das ist eine Symbiose", erläutert Corinna Bimboese, Direktorin des Atelier Frankfurt.
Ateliers öffnen für Besucher
Der Verein bringt jedoch nicht nur Kreative zusammen, er vernetzt sie auch mit der Außenwelt. Zum 20-jährigen Jubiläum in diesem Jahr öffnet das Atelier Frankfurt seine Tore für das Event "Open Studios".
Besucherinnen und Besucher können durch die Räume schlendern, mit Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt kommen und so zum Ursprung der Kunst gelangen, die sie mitunter im Museum sehen.
Auch Kreative protifieren
"Man bekommt hier wirklich einen persönlichen Bezug zu den Künstlerinnen und Künstlern", sagt Corinna Mayer. Das sei ein ganz anderes Kunsterlebnis als beispielsweise in der Schirn.
Die Kreativen wiederum würden von Besuchen verschiedener Kuratoren an diesen Tagen profitieren, sagt Direktorin Bimboese. Manche könnten sogar ihre Kunstwerke noch an Ort und Stelle verkaufen.
Ort des Austauschs
Zusätzlich zu den Atelierbesuchen gibt es in diesem Jahr anlässlich des 20-jährigen Bestehens auch einige Performances und Sonderausstellungen.
Viele Ehemalige, aber auch aktive Künstlerinnen und Künstler haben dafür Bilder zur Verfügung gestellt. Sie alle hoffen, dass das Künstlerhaus noch viele Jahre weiterbesteht.
Es sei wichtig, Orte für ästhetischen, künstlerischen und gesellschaftspolitischen Austausch am Leben zu erhalten, betont Hanke Wilsmann. "Ich kann nicht genug highlighten, wie wichtig Orte wie das Atelier Frankfurt sind."