Ausstellung im Sinclair-Haus Bad Homburg Ein ungewöhnlicher Blick auf Sand
Am Strand liebt man ihn, in den Schuhen stört er. Dass Sand den Lebensraum vieler Menschen stark beeinflusst, zeigt eine neue Ausstellung im Bad Homburger Sinclair-Haus.
Kinderhände graben tiefe Tunnels in den sandigen Strand, andere schichten ihn zu kunstvollen Burgen, immer wieder hört man ein Jauchzen und begeistertes Plappern.
Doch die Videoinstallation des Künstlers Laurent Marechal ist nicht nur zum Anschauen da. Denn der Sand im Film zieht sich auch in den Raum im Bad Homburger Sinclair-Haus, auf den Boden vor dem Betrachter. Er lädt ein, selbst hineinzufassen, den Sand zu kneten und zu formen.
Sinnliche Wahrnehmung
Diese sinnliche Erfahrung ist Teil des Konzepts der Ausstellung "Sand. Ressource, Leben, Sehnsucht", erklärt Kurator Moritz Ohlig. "Jeder hat eine persönliche Erfahrung zum Thema Sand. Daran wollten wir anknüpfen." Insgesamt 16 internationale Künstlerinnen und Künstler befassen sich auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Thema Sand.
Mal ist der Sand zu hören, mal in großformatigen Bildern als beeindruckende Wüstenlandschaft zu sehen oder aber Körnchen für Körnchen abgezählt und in verschieden große Glasblasen gepackt.
Sand als Bedrohung
Der Frankfurter Fotograf Ferhat Bouda hat auf seinen Reisen vor allem Nomadenvölker begleitet und in seinen Bildern herausgearbeitet, wie Sand den Alltag von Menschen beeinflusst.
Hinter jedem seiner Bilder steckt eine Geschichte, manchmal sogar eine gefährliche, betont Bouda: "Der Sand zum Beispiel in Mauretanien ist bedrohlich." Auf seinen Fotos werde das zum Teil deutlich sichtbar. Häuser, Straßen und auch Bibliotheken mit wertvollen Manuskripten werden nach und nach vom Sand verschluckt.
Zusammenhänge auf den zweiten Blick
Gleichzeitig gibt es am gleichen Ort aber auch Kinder, die spielen und lachen. Er versuche in seinen Arbeiten, auch diese Kontraste einzufangen. In der Ausstellung fällt auf, dass viele seiner Bilder bewusst schwarz-weiß gehalten sind. Das hat den eigentümlichen Effekt, dass man die Fotos noch viel genauer anschaut, um den Zusammenhang mit Sand herauszufinden.
Wie bei dem Bild, auf dem eine Gruppe von Menschen am Boden kauert. Eine Szene aus Niger, erklärt Bouda: "Eine Frau, die keine Bücher oder Stifte hat, lehrt ihre Kinder auf dem Sand". Sie schreibt das Alphabet einfach mit den Fingern auf den Boden.
Proben aus aller Welt
In einem anderen Raum in der Ausstellung hängt ein überdimensionales Gewürzregal an der Wand – wenigstens hat man auf den ersten Blick diesen Eindruck. Aber hinter den unzähligen Reagenzgläschen mit Farbschattierungen von hellgelb über olivgrün bis karmesinrot versteckt sich natürlich mehr, verrät Kurator Moritz Ohlig: "Das sind insgesamt 1.488 unterschiedliche Sandproben aus aller Welt."
Alle sind in Reagenzgläser gefüllt, farblich geordnet und mit dem Herkunftsort beschriftet. Manche Sandsorten sind großkörnig, andere glitzern leicht. Erstaunlich wie vielfältig Sand sein kann. Und man ist automatisch verleitet, den Sand vom letzten Urlaubsort zu suchen.
Sandkörnchen unter der Lupe
Auch das einzelne Sandkorn wird von Künstlern inszeniert. Zum Beispiel im Vergrößerungstisch von Micha Ullman: Unglaublich, wie viele verschiedene Farben und Strukturen in einem winzigen Körnchen zu entdecken sind.
Eine andere Arbeit zeigt die Makroaufnahme eines Sandkorns, in das der Künstler eine filigrane Burg gelasert hat – eine Sandburg quasi. Nur noch getoppt durch die immense Sandskulptur, die einem Beton-Wellenbrecher nachempfunden ist.
Beklemmende Bilder
Verschiedene Dimensionen, aber auch verschiedene Aspekte von Sand werden in der Ausstellung im Museum Sinclair-Haus präsentiert. Auch Kritik: Die Bilder der Künstlerin Sim Chi Yin zeigen, was passiert, wenn Sand fehlt, wenn er zum Beispiel hemmungslos abgebaut wird.
Ihre Bilder sind zwar sehr ästhetisch und eindrucksvoll, aber gleichzeitig erzeugen die erbarmungslosen Baggerspuren, das weggebrochene Ufer-Dorf, ein beklemmendes Gefühl.
Sendung: hr2-kultur, 22.09.2023, 16:30 Uhr
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