Fotografien aus dem 19. Jahrhundert Ausstellung im Städel Museum zeigt das Frankfurt von früher

Seine Bilder dokumentieren das unwiederbringliche Frankfurt des 19. Jahrhunderts: Carl Friedrich Mylius war einer der ersten Fotografen überhaupt. Das Städel Museum präsentiert jetzt 80 seiner Werke.

Schwarz-weiß-Foto eines Flusses, über den eine Eisenbrücke führt. Auf der anderen Seite des Flusses steht eine Häuserzeile, aus der zwei Kirchtürme ragen.
Blick über den Main mit Eisernem Steg und Dom, 1862–1866 (Albuminpapier auf Karton) Bild © Städel Museum

Carl Friedrich Mylius war gerade einmal zwölf Jahre alt, als die Fotografie 1839 erfunden wurde. Und obwohl er später eine Ausbildung zum Lithographen machte, also eine Art Drucker werden wollte, ließ ihn die neue Technik nicht los.

Der gebürtige Frankfurter brachte sich das Fotografieren selbst bei und begann zunächst als Portraitfotograf – in Nürnberg, wo seine Frau herkam. Dann zog es ihn in seine Heimatstadt zurück, wo er 1854 ein Foto-Atelier eröffnete. Doch diese Idee hatten mittlerweile auch schon andere, Mylius' Geschäft ging zunächst schleppend.

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Blick in ein vergangenes Frankfurt

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Erst Aufträge von Künstlerfreunden brachten die Wende: Mylius sollte unter anderem ihre Häuser fotografieren. Ab da schwenkte er um zur Architekturfotografie, damals eine Marktlücke. Heute gelten seine Fotografien als Chroniken einer Stadt im Wandel.  

Im Städel Museum in Frankfurt ist nun die erste große Einzelausstellung seiner Werke zu sehen. Anlass ist eine Schenkung von 180 Fotografien aus Privatbesitz.  

Drei Gründe, warum Sie sich diese Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen sollten: 

1. Wer sich bewegt, wird zur Schliere 

Fotografieren im Freien war in den 1850er- und 60er-Jahren eine Herausforderung. Mylius schleppte dafür nicht nur Kamera und Stativ mit sich, sondern auch noch einen sogenannten Dunkelkammer-Wagen, mit dem er jedes Foto direkt vor Ort entwickeln musste. Etwa 20 Minuten brauchte der Foto-Pionier damals für ein Bild. Allein die Belichtungszeit lag bei zwölf bis 15 Sekunden pro Aufnahme.

Das hatte einen skurrilen Nebeneffekt: Alles, was in diesen wenigen Sekunden Belichtung nicht absolut still stand, war auf dem Foto nachher nur als Schliere zu sehen. Deshalb sind auf Mylius-Bildern meistens keine Menschen zu entdecken. Seltene Ausnahmen sind zum Beispiel die Gemüsehändlerinnen vor dem Römer – die saßen offenbar oft so lange ohne Kundschaft da, dass sie bei einigen Aufnahmen gut zu sehen sind.

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2. Ansichten und Einsichten - Frankfurt mal ganz anders 

Mylius' Fotos sind liebevoll komponierte Momentaufnahmen, nicht nur von repräsentativen Gebäuden wie dem Dom, dem Römer oder den Bankiersvillen, sondern auch von den verwinkelten Altstadtgassen, der Zeil und sogar der Judengasse.

Viele dieser Stadtansichten verschwanden auch schon zu Lebzeiten des Künstlers - zum Beispiel das "Puppenschränkchen", das Gebäude, in dem Goethes erste große Liebe gelebt haben soll. Auch das Meisterwerk und Highlight der Ausstellung änderte sich nach der Aufnahme rasant: das erste fotografische Stadtpanorama weltweit – eine Serie von 31 Fotos, die 2,5 Kilometer Mainufer abbilden.  

Diese und andere Ansichten gab es danach bald nicht mehr. 1866 wurde Frankfurt von Preußen annektiert, die Stadt verlor den Status als freie Stadt und erlebte gleichzeitig einen enormen Bevölkerungszuwachs: Die rund 30.000 Einwohner von Frankfurt 1840 vervielfachten sich bis 1900 auf etwa 330.000 - unzählige Gebäude wurden abgerissen und neu gebaut.  

3. Für Detektive: Skurriles, Verstecktes und Ver-rücktes  

Es lohnt sich, genau hinzusehen: Auf den rund 80 Fotografien der Ausstellung in der graphischen Sammlung des Städel fällt immer wieder Ungewöhnliches auf. Bei einer Domansicht steht das burgähnliche Gebäude des Kunstvereins zum Beispiel auf der falschen Seite. Bei einer anderen Fotografie können Besuchende kleine Bleistiftzeichnungen am Rand entdecken – wahrscheinlich Studien von Städelschülern.

Mal ist ein Kirchturm durch perspektivische Verzerrungen oben gebogen wie eine Zipfelmütze, mal verraten nur ein paar kleine Dachziegel am unteren Bildrand, wo der Fotograf für diese Aufnahme gestanden haben muss. Spannend auch: Zu dieser Zeit fehlen noch der Balkon und das neugotische Dekor am Römer.

Und weil die Frankfurter Ansichten aus dem 19. Jahrhundert teils so ganz anders aussehen als das Frankfurt von heute, stellt sich auch immer wieder die Frage: Welche Ecke der Stadt ist hier überhaupt zu sehen?  

Weitere Informationen

"Frankfurt forever! Fotografien von Carl Friedrich Mylius"

Die Ausstellung läuft bis zum 1. Juni in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung des Städel Museums in Frankfurt.

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Redaktion: Sonja Fouraté

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de