Ausstellung sogenannter Gastarbeiter im MMK Frankfurt Wenn Schmerz, Heimweh und Hoffnung zu Kunst werden

Es gibt im Kunstbetrieb Bereiche, die noch immer kaum beachtet werden - wie die Kunst von Menschen mit Exil- und Migrationserfahrungen der 1960er bis 1980er Jahre. Jetzt gibt es in Frankfurt eine berührende Ausstellung zu dem Thema.

Ausstellungsbilder "There is no there" MMK Frankfurt
Rıza Topal, Ohne Titel, 1964, courtesy the artist Bild © Foto: Axel Schneider
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Im untersten Stock des Museums für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt ist eine Art Wohnung aufgebaut: ein schmales Holzbett, ein Röhrenfernseher, ein Schrank und ein Tisch mit zwei Elektrokochplatten darauf.

Es sind die Original-Habseligkeiten von Drago Trumbetaš (1937-2018), einem Mann, der 1966 aus dem ehemaligen Jugoslawien als sogenannter Gastarbeiter nach Frankfurt kam: Er arbeitete als Bügler, Packer und später als Setzer bei der Frankfurter Rundschau.

Blick der weißen Mehrheitsgesellschaft oft rassistisch

Und er hat als Künstler Spuren hinterlassen. Seine Zeichnungen sind ebenfalls im MMK zu sehen, als Teil der Ausstellung "There is no there". Diese blickt auf Kunst von Menschen mit Flucht-, Exil- und Migrationserfahrungen im geteilten Deutschland der 1960er bis einschließlich 1980er Jahre.

Ausstellung "There is no there" im MMK Frankfurt
Habseligkeiten von Drago Trumbetaš (1937-2018). Bild © Antonia Troschke (hr)

Trumbetaš Zeichnungen sind witzig, trotzig, obszön und schmerzhaft zugleich. Sie zeigen den Alltag von sogenannten Gastarbeitern - beziehungsweise, wie die weiße Mehrheitsgesellschaft auf sie blickt, nämlich nicht selten sehr rassistisch.

Frankfurt spielte in Trumbetaš' Arbeit stets eine große Rolle. "Wenn man es von Frankfurt aus betrachtet, ist Drago Trumbetaš eine Art Schlüsselfigur für die Ausstellung", sagt Gürsoy Doğtaş, der zusammen mit MMK-Chefin Susanne Pfeffer die Schau kuratiert hat, die übersetzt in etwa "Es gibt kein dort dort" bedeutet. 

Mit Träumen in die BRD und DDR gekommen

Drago Trumbetaš ist einer von knapp 30 Künstlerinnen und Künstlern, deren Arbeiten gezeigt werden. Insgesamt sind über 350 Arbeiten zu sehen, verteilt über alle Räume und Stockwerke des Museums: Skulpturen, Zeichnungen oder Wandgemälde.

Ausstellungsbilder "There is no there" MMK Frankfurt
Jannis Psychopedis, Migrants, 1978, Privatsammlung (GR). Bild © Foto: Axel Schneider

Die Gezeigten eint, dass sie zwischen 1960 und 1980 aus dem Ausland in die BRD und DDR reisten und (auch) als Künstler tätig waren. Einige kamen per Stipendium oder bilateralem Abkommen und andere als Vertrags- beziehungsweise Gastarbeiter mit der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Keine rosigen Bedingungen für Arbeitsmigranten

Doch die Bedingungen in Ost- und Westdeutschland waren – besonders für Arbeitsmigranten – nicht rosig. Kuratorin Susanne Pfeffer erklärt, dass nach 1945 in der BRD, aber auch in der DDR, ein post-nationalistisches Klima voller Gewalt und voller Rassismen herrschte.

"Die Künstlerinnen und Künstler gucken auf Themen wie Ausgrenzung, Diskriminierung, Anschlussschwierigkeiten", ergänzt Kurator Gürsoy Doğtaş. 

Erinnerungen an einen Radiosender mit Bezug zur Heimat 

Ausstellungsbilder "There is no there" MMK Frankfurt
Künstlerin Serpil Yeter. Bild © Antonia Troschke (hr)

Serpil Yeter kam als junge Frau aus Istanbul, Türkei, nach West-Berlin. Kurz vor der Ausstellungseröffnung im MMK läuft sie durch die Räume und betrachtet ihre sogenannten "Radiobilder", die in den 1980er Jahren entstanden sind.

"Wenn ich die Bilder anschaue, fühle ich direkt wieder die Zeit damals in Berlin", sagt die Künstlerin. Auf ihren "Radiobildern" sind mehrere Türkinnen und Türken zu sehen, die schweigend in Grüppchen zusammensitzen. Sie werden bildlich eingerahmt von einem großen Radio. Wahrscheinlich hören sie "Köln Radyosu" vom WDR.

Das war ab 1964 ein türkischsprachiges Radio-Angebot für die Türkinnen und Türken in der BRD und hatte eine sehr große Hörerschaft. Die Sendung wurde inzwischen eingestellt, doch noch immer ist sie unter Menschen mit türkischer Einwanderungsgeschichte bekannt.

"Bilder wie Momente aus Familienalbum"

Ausstellungsbilder "There is no there" MMK Frankfurt
Serpil Yeter, Am Fenster, 1986, courtesy the artist Bild © Foto: Axel Schneider

Kurator Gürsoy Doğtaş, selbst ein Kind türkischer Fabrikarbeiter, berühren Sepril Yeters "Radiobilder" sehr stark, wie er sagt. Auch deshalb, weil "man auf Bilder guckt, die ein bisschen aussehen wie Momente aus dem eigenen Familienalbum."  

Und so ist Doğtaş stolz, diese Leerstelle im Kunstbetrieb nun als Kurator füllen zu können. Während seines Studiums der Kunstgeschichte sei darüber nie gelehrt worden, sagt er. Die Ausstellung im MMK scheint längst überfällig. Sie widmet sich den Arbeiten und Lebenswirklichkeiten von Menschen, die lange übersehen wurden. 

Weitere Informationen

There is no there there

Museum für Moderne Kunst in Frankfurt
Domstraße 10

 13. April - 29. September 2024 

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Sendung: hr-iNFO, 12.04.2024, 9.15 Uhr

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Quelle: hessenschau.de