Ausstellung "The Culture" in der Frankfurter Schirn Wie Hip-Hop die zeitgenössische Kunst beeinflusst hat
Was in den 1970er Jahren als Jugendkultur im New Yorker Stadtteil Bronx begann, ist inzwischen ein globales Phänomen: Hip-Hop beeinflusst längst nicht nur die Popkultur, sondern auch Mode und Kunst. Die Frankfurter Schirn zeichnet diesen Weg nach, verzichtet aber auf ein wichtiges Element.
Wer denkt, in der Frankfurter Schirn könne er ab Donnerstag Hip-Hop-Beats von Notorious B.I.G. oder anderen Szene-Größen hören, wird enttäuscht. Die Ausstellung "The Culture" widmet sich zwar der Bewegung, die in den 1970er Jahren im New Yorker Stadtteil Bronx als Subkultur von lateinamerikanischen und Schwarzen Jugendlichen entstand und inzwischen eine riesige Industrie bedient.
In der Schirn geht es aber vielmehr darum, wie die zeitgenössische Kunst seit dem Jahr 2000 vom Hip-Hop beeinflusst wurde. Gezeigt werden über 100 Arbeiten aus den letzten 20 Jahren, darunter Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Videos, Mode.
Von den USA nach Frankfurt
Neben Werken von bekannten Künstlern wie Jean-Michel Basquiat, der sich als einer der ersten afroamerikanischen Künstler in der weißen elitären Kunstwelt behauptete, sind auch Exponate des derzeit gefeierten Londoner Malers Alvaro Barrington und von eher unbekannten Künstlern der Hip-Hop-Szene aus den US-amerikanischen Städten Baltimore und Saint-Louis zu sehen.
Dort kommt die Schau ursprünglich her. Andréa Purnell ist eine der vier Kuratorinnen und den Werken nach Frankfurt hinterher gereist, wo sie nun Premiere in Europa feiert. Die wichtigsten Säulen des Hip-Hop seien Rappen, DJing, Breakdance und Graffiti, erklärt Purnell.
"Es ging im Hip-Hop aber auch schon immer um die Kritik an vorherrschenden Machtverhältnissen, darum, die eigenen kulturellen Einflüsse zu zeigen und so die eigene Perspektive größer zu machen."
Exponate greifen politische Debatten auf
In sechs Themenbereichen - Pose, Marke, Schmuck, Tribut, Aufstieg und Sprache - geht es deshalb auch politisch zu. Während es im Abschnitt "Pose" etwa um den für den Hip-Hop so wichtigen Teil der Selbstdarstellung und Präsentation des Körpers geht, widmet sich "Marke" der Industrie, die Hip-Hop inzwischen bedeutet.
Ausgestellt ist zum Beispiel der überdimensionierte Hut der Designerin Vivienne Westwood, den Rapper Pharrell Williams lange als Markenzeichen trug. Ein vom Schwarzen Modeschöpfer Virgil Abloh für das Luxus-Label Louis Vuitton designter Trainingsanzug zeigt beispielhaft, wie sich ein Kleidungsstück aus der Subkultur seinen Weg ins Edel-Segment gebahnt hat.
Perücken von Lil' Kim und Goldketten
Im Bereich "Schmuck" geht es um Schwarze Selbstermächtigung und um das Selbstverständnis, mit Schmuck aufzufallen. Zu sehen sind etwa die knallbunten Perücken der Rapperin Lil' Kim und afroamerikanischer Haar-Schmuck.
Der Künstler Anthony Akinbola hat für ein Werk sogenannte Durags auseinandergezogen: Kopftücher, mit denen Afro-Haar frisiert wird. Bei ihm wirken sie wie eine abstrakte schwarze Landschaft. Robert Pruitt nimmt Bezug auf die Goldketten, die für viele in der Szene ein Status-Symbol sind, hängt sie aber entsprechend der Fluchtrouten des transatlantischen Menschenhandels auf.
Schnitzeljagd durch die Schirn
Wie in einer Schnitzeljagd erarbeiten sich die Besucherinnen und Besucher in der Schirn die Einflüsse des Hip-Hop und verstehen, dass Hip-Hop viel mehr bedeutet als coole Beats, sondern nach und nach neben der Mainstream-Kultur auch den elitären, weiß geprägten Kunstkanon aufgebrochen hat.
Die Besuchenden hören zwar nicht Notorious B.I.G.s bekannte Zeile "Biggie, Biggie, Biggie, can't you see? Sometimes your words just hypnotize me", können sein Konterfei aber auf einer Keramikvase des puerto-amerikanischen Keramik-Künstlers und Aktivisten Roberto Lugo entdecken.
Trotzdem schade, dass Schirn-Direktor Sebastian Baden in Frankfurt nicht die für die Original-Schau entstandene Playlist laufen lässt. Das sei ihm zu "bevormundend", erklärt er. Stattdessen könne sich bei einzelnen Werken jeder selbst über QR-Codes die Songs aufrufen, auf die das jeweilige Werk Bezug nimmt. "Wir empfehlen den Gästen: Bringt die Headphones mit!"
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 04.03.2024, 16.45 Uhr
Redaktion: Anna Lisa Lüft