65 Jahre Autokino Gravenbruch Vom Schmuse- zum Liebhaberkino
Ende März 1960 hat im Neu-Isenburger Stadtteil Gravenbruch das erste Autokino Deutschlands eröffnet. Während viele andere Drive-in-Kinos geschlossen haben, laufen dort immer noch Filme. Das liegt auch an sehr treuen Fans.
Es ist ziemlich frisch an diesem Abend Ende März, und trotzdem leuchten unter den Sternen unzählige Scheinwerfer vor den Toren des Autokinos in Gravenbruch. Geduldig warten die Besucher auf Einlass. Der stellvertretende Theaterleiter Daniel Hetzel kassiert elf Euro Eintritt und gibt noch Anweisungen.
Die Lichter müssten ausgeschaltet werden, sagt er. Ab der dritten Reihe gebe es Steckdosen für Heizgeräte, und wer eine Decke brauche, könne sie für kleines Geld leihen. Natürlich gibt es Getränke und auch Popcorn, Pommes und Burger, ist ja ein Kino hier.
Am 31. März 1960 eröffnete das Autokino Gravenbruch, mitten im Eichenwald von Neu-Isenburg (Offenbach) und gut an die umliegenden Autobahnen angeschlossen. Zur Premiere lief die Oscar-prämierte Hollywood-Schmonzette "Der König und ich" mit Yul Brunner und Deborah Kerr.
"Die große Zeit des Kinos"
Damals standen vor der einzigen großen Leinwand meist VW-Käfer, Isettas oder schicke amerikanische Limousinen. Auch im Rhein-Main-Gebiet stationierte US-Soldaten besuchten das Autokino gern. Schließlich wurde in den Vereinigten Staaten das weltweit erste derartige Open-Air-Kino schon 1933 in New Jersey eröffnet. Außerdem gab es in Gravenbruch Hamburger, noch bevor es die erste McDonald's-Filiale in Deutschland gab.
2,75 Mark kostete der Eintritt damals. Es gab bereits die Erhöhungen auf dem Asphalt, um die Sicht auf die Leinwand aus dem dadurch etwas aufgebockten Auto zu verbessern. Der Ton kam in Mono aus kleinen Lautsprechern, die die Besucher an eine Stromzapfsäule anschließen mussten. Die Bilder liefen im 70-Millimeter-Format von der Rolle.
"Ein voluminöser Ton, große und scharfe Bilder", schwärmte der damalige Filmvorführer Ernst Schneider. "Es war die große Zeit des Kinos."
Kuschelkino mit Privatsphäre
Es war aber auch die große Zeit des Knutschens, abgeschirmt im Auto, weit weg von den Eltern und der prüden Gesellschaft der frühen Bundesrepublik. "Das war einfach ein Schmusekino", beschreibt Helga Lehne die Zeit. Sie stand schon in den 1960er Jahren im Kassenhäuschen von Gravenbruch.
"Die Pärchen hatten ja noch keine eigene Wohnung. Manchmal kamen Eltern und haben bei uns nach ihren Kindern gesucht", erzählt Lehne. "Und einmal fragte mich ein junger Mann, wo die Leinwand ist. Der war mit seinem Mädchen so beschäftigt, dass er verkehrt herum geparkt hatte." Die Kassiererin lacht.
Ob heute noch so viel geschmust wird, kann Theaterleiter Heiko Desch nur vermuten. Das Kino habe aber noch andere Vorteile. "Man ist in der freien Natur. Man ist sein eigener Tonmeister und kann laut oder leise schalten. Und man wird vor allem nicht von anderen Kunden und ihren raschelnden Chipstüten gestört."
So sehen es auch die heutigen Besucher. Man habe Privatsphäre und könne sich unterhalten, wenn man will, sagt Jannik. Und laut lachen, fügt seine Freundin Larissa hinzu. Aus Glashütten im Taunus sind Holger und Mandy Steinhäuser angereist. Aus Nostalgie, sagt er. Damit der Hund mit könne, sagt sie.
Die besten Zeiten sind vorbei, die Fans sind treu
Während in den besten Jahren des Autokinos noch mehr als eine halbe Million Besucher nach Gravenbruch kamen, sind es heute maximal 90.000 im Jahr. Bis 1980 gab es 24 Autokinos in Deutschland. Jetzt sind es noch vier, die ganzjährig geöffnet haben.
In Hessen ist Gravenbruch das letzte. Das Autokino in Sulzbach im Main-Taunus-Kreis wurde schon vor mehr als 30 Jahren aufgegeben.
Familie Lange ist nach eigener Aussage Stammgast in Gravenbruch. Sie sind sozusagen Autokino-Profis. Die Langes sind an diesem Abend im März 2025 nicht nur mit ihren beiden Teenagern hierhergefahren, sondern auch in zwei Autos, damit alle in der ersten Reihe sitzen können. "Der Vater sitzt mit dem Sohn, und ich mit der Tochter. Das ist immer ganz lustig", erzählt Mutter Melanie.
Im Sommer säßen sie dann immer mit ausgeliehenen Radios auf Klappstühlen im Freien. Und weil sie eben Autokino-Profis sind, hat Familie Lange ein wichtiges Utensil im Gepäck: Glasreiniger und Tücher. Denn, sagt Vater Fabian Lange, "man sieht erst, wie dreckig die Scheibe ist, wenn man im Autokino ist".