Aktivismus unter dem Regenbogen Warum CSD und Co. auf dem Land für Queers so wichtig sind

In diesem Jahr finden in Hessen 14 CSD statt – gerade auch kleinere Städte sind dabei, wie beispielsweise Bad Homburg. Damit es auch im ländlicheren Raum ein Angebot für queere Menschen gibt, setzen sich Ehrenamtliche ein. Und der CSD-Sommer ist noch nicht vorbei.

Demonstranten mit Regenbogenfahnen
Bild © picture-alliance/dpa (Archiv)
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Es war für die Dragqueen Tante Gladice ein besonderer Moment, als die Demonstration von rund 500 Menschen um die Ecke des Kurhauses und auf die Bühne zugelaufen kam. Zum ersten Mal fand in Bad Homburg dieses Jahr der Christopher Street Day (CSD) statt. "Es war schon toll, dass so viele teilgenommen haben – teilweise aus Friedrichsdorf oder aus anderen Gemeinden des Hochtaunuskreises", sagt Gladice.

Drag Queen Tante Gladice im Pailettenkleid vor einer Regenbogenfahne
Dragqueen Tante Gladice unter der Regenbogenflagge Bild © Hans Keller

Bad Homburg etwas verdutzt beim ersten Mal

Für Bad Homburg war es dieses Jahr der erste CSD. Das habe man auch gemerkt, findet die Dragqueen – an den Reaktionen der Bad Homburger. "Die haben dann auch mal verdutzt gefragt: Was findet denn jetzt hier statt?" Diese Reaktion habe sie an den ersten CSD in Frankfurt 1991 erinnert, den sie noch am Rockzipfel ihrer Mutter mitbekommen habe. Mitte Juni stand Tante Gladice, die mit bürgerlichem Namen Markus Schubert heißt, dann als Moderatorin in Bad Homburg auf der Bühne.

Wichtiges Signal: "Ihr seid nicht allein"

In ganz Hessen gibt es dieses Jahr 14 CSD. In einigen Städten haben sie bereits stattgefunden, so wie am vergangenen Wochenende in Hanau. Dort stand die Veranstaltung vor zwei Jahren fast vor dem Aus. Doch gerade die kleinen CSDs seien wichtig, findet Mario Knecht, der dieses Jahr die Demo geleitet hat. "Um den Menschen in den kleinen Städten, in den ländlichen Gebieten zu zeigen: Auch hier seid ihr nicht allein", sagt er.

Videobeitrag

Christopher Street Days in kleineren Städten

Parade von oben
Bild © hr
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Drohungen und Beschimpfungen machen Angst

Dass queere Menschen für ihre Rechte demonstrieren, gefällt nicht allen: Beim CSD in Hofheim Anfang Juni kam es zu massiven Anfeindungen. Auch Sven Rühl, der die kleinen CSD in Eschborn und Bad Homburg organisiert, kennt solche Beschimpfungen und hat manchmal Angst um sein Team. "Wenn wir solche Drohungen bekommen wie: Ich verfolge dich, ich stech‘ dich ab. Dann überlege ich: Wie kann ich mein Team beschützen?", erzählt er. Das gehe dann so weit, dass er einzelne Teammitglieder nach der Sitzung nach Hause fahre.

Anstieg queerfeindlicher Gewalt

Tatsächlich gab es 2023 laut dem Hessischen Innenministerium einen Anstieg von queerfeindlicher Gewalt um 66 Prozent zum Vorjahr. Das bestätigt auch die Dragqueen Feeby Fergison aus Mühlheim. "Die Übergriffe sind mehr geworden. Nicht nur, dass du beleidigt wirst, sondern die werden auch immer mehr körperlich und das ist wirklich erschreckend", sagt sie.

Drag Queen Feeby Fergison im Trägerkleid mit Tattoos auf den Armen blickt frivol in die Kamera.
Dragqueen Feeby Fergison findet kleinere CSD "wichtig. Bild © privat

Zu wenig Anlaufstellen für queere Menschen außerhalb der Städte

Anlauf- und Beratungsstellen für queere Personen sind gerade im ländlichen Raum dünn gesät. Deswegen findet Fergison, die mit bürgerlichem Namen Daniel Kranich heißt, es umso wichtiger, dass auch kleinere CSD stattfinden, um den Leuten einen Berührungspunkt zu geben und um zu zeigen: "Wir sind mitten unter euch und auch nur Menschen", sagt sie.

In ihren Augen müsse mehr Aufklärung stattfinden, am besten schon in Schulen. "Ich glaube, die Erwachsenen änderst du nicht mehr. Je älter man wird, desto gefestigter ist eine Meinung oder ein Feindbild", so die Dragqueen. Lehrerinnen und Erzieher müssten beispielsweise mehr sensibilisiert werden auf verbales Mobbing.

Nicht immer erst nach Frankfurt fahren müssen

Die Dragqueen Tante Gladice, die bei der AIDS-Hilfe Frankfurt arbeitet, findet auch, dass das Beratungs- und Testangebot im ländlichen Raum nicht ausreicht. "Klar, je kleiner die Kommune wird, desto schwieriger wird es, etwas anzubieten", sagt Gladice. Aber die Kommunalpolitik gehe davon aus, die Menschen würden dafür immer nach Frankfurt fahren.

Auch CSD-Organisator Sven Rühl bestätigt das. "Es kann nicht sein, dass Jugendliche sich hier das Leben nehmen wollen, weil sie keine Unterstützung bekommen." Oft hätten sie keine andere Möglichkeit, als auf der Suche nach Ansprechpartnern oder Gleichgesinnten bis nach Frankfurt zu fahren. Und deswegen gibt es eben Ehrenamtliche und Vereine, die sich vor Ort gründen wie zum Beispiel Colorful e.V. in Eschborn, dessen Vorsitzender Rühl ist. Der hat sich auf die Fahnen geschrieben, sich unter anderem gegen Queerfeindlichkeit im Main-Taunus-Kreis einzusetzen.

Kommendes Wochenende steht noch ein CSD in Marburg an. Im August und September finden noch weitere statt.

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Redaktion: Katrin Kimpel

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Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 30.06.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de, Rick Gajek, hessenschau.de