Bekanntgabe in Marburg "Biodeutsch" ist Unwort des Jahres 2024

Eine Jury aus Sprachwissenschaftlern hat "biodeutsch" zum Unwort des Jahres 2024 gewählt. Die Marburger Initiative kritisiert, mit dem Wort werde einer biologistisch begründeten Diskriminierung Vorschub geleistet.

Auf einem Tablet schreibt jemand das Wort "biodeutsch"
"Biodeutsch" ist das "Unwort des Jahres" 2025. Bild © picture-alliance/dpa

"Der Ausdruck 'biodeutsch' wurde im Jahr 2024 im öffentlichen und gesellschaftlichen Sprachgebrauch und insbesondere in den Sozialen Medien verstärkt verwendet, um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren", heißt es in der Begründung der Jury "Unwort des Jahres" mit Sitz in Marburg.

Biodeutsch setzt sich aus dem Wortbildungselement bio und dem Eigenschaftswort deutsch zusammen, wobei bio eine Abkürzung für biologisch darstellt. "Mit dem Wort biodeutsch wird eine rassistische, biologistische Form von Nationalität konstruiert", so die Jury.

Vom Gütesiegel zum Unwort

Ursprünglich sei der Ausdruck ironisch als satirischer Ausdruck verwendet worden, der mit dem Bio-Siegel als Gütesiegel für ökologischen Anbau spielte.

Mittlerweile sei bei dem Begriff "biodeutsch" eine sehr gedankenlose und unreflektierte, nicht-satirische, also wörtlich gemeinte Verwendung festzustellen. "Dabei wird 'Deutschsein' naturbezogen begründet, um eine Abgrenzung und Abwertung von Deutschen mit Migrationsbiographie vorzunehmen."

"Biodeutsch" stehe in einer Reihe mit weiteren Wörtern wie "Passdeutsche" oder "echte Deutsche", die dazu dienten, Menschengruppen, die vor dem Gesetz gleich sind, ungleiche Eigenschaften zuzuschreiben und sie somit hierarchisch zu klassifizieren, so die Marburger Jury.

"Heizungsverbot" auf Platz 2

Als weiteren kritikwürdigen Begriff nennt die Jury das von der Bild-Zeitung verbreitete Wort "Heizungsverbot". Der Ausdruck stelle eine irreführende Bezeichnung dar, die im Zusammenhang mit dem ab 1.1.2024 geltenden reformierten Gebäudeenergiegesetz verwendet worden sei, um klimaschützende Maßnahmen zu diskreditieren, so die Initiative.

Die Unwörter des Jahres werden seit 1991 gekürt. Ziel der Jury sei es, Mechanismen und Strategien von irreführendem oder missbräuchlichem Sprachgebrauch aufzudecken, sagt die Linguistin und "Unwort"-Sprecherin Constanze Spieß. Jede(r) kann dabei Vorschläge einreichen.

Spiegel politischer Debatten

Meist spiegeln sich die politischen Debatten des jeweils abgelaufenen Jahres in den Vorschlägen wider: Sozialpolitik, Krieg und Frieden, Migration sowie der Bruch der Ampel-Koalition waren diesmal die Themen.

Mit über 3.000 Einsendungen war die Beteiligung weit höher als im Vorjahr - damals kamen insgesamt rund 2.300 Einsendungen zusammen.

Zu den vorgeschlagenen "Unwort"-Kandidaten gehörten auch Begriffe "Ampelkrach", "D-Day", "Sondervermögen" oder "Technologieoffenheit". Einige entsprachen dabei nach Angaben von Constanze Spieß "nicht unbedingt" den Auswahlkriterien.

Rüge für Begriffe, die gegen Menschenwürde verstoßen

Die Jury rügt Begriffe, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind.

Bei der Entscheidung für ein Unwort komm es nicht auf die Menge der eingereichten Vorschläge für einen einzelnen Begriff an, betont Spieß.

Auch "illegale Migration" war unter den Einsendungen sowie der Begriff "kriegstüchtig", der bereits bei der Kür zum "Wort des Jahres" der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden Anfang Dezember auf dem dritten Platz gelandet war.

Immer wieder wird die Aktion auch kritisiert, die Jury als "Sprachpolizei" bezeichnet. "Wir schreiben nicht vor, wie Sprachgebrauch zu sein hat", entgegenet Constanze Spieß. "Wir legen Strategien offen und dann kann jede und jeder selbst entscheiden, wie er sprechen, oder wie sie sprechen möchte."

Von "Corona-Diktatur" bis "Remigration"

"Remigration" war das Unwort des Jahres 2023. Das Wort sei "als rechter Kampfbegriff, beschönigende Tarnvokabel und ein die tatsächlichen Absichten verschleiernder Ausdruck" gebraucht worden, kritisierte die Jury damals. Unwort 2022 war "Klima-Terroristen". 2021 fiel die Wahl auf "Pushback". 2020 gab es mit "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" erstmals ein Unwortpaar.

Die Jury besteht nach Angaben der Aktion aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und -wisschenschaftlern sowie einer Journalistin. Sie werde im jährlichen Wechsel durch eine sprachinteressierte Person aus dem des öffentlichen Kultur- und Medienbetrieb ergänzt, arbeite dabei aber institutionell unabhängig.

Redaktion: Sonja Fouraté

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de