Buchmessen-Bilanz Endlich wieder Menschen!
Die Frankfurter Buchmesse ist in diesem Jahr coronabedingt zwar kleiner ausgefallen, sie durfte sich aber über Besucherandrang freuen. Natürlich mit Masken und 3G. Anstatt Corona erhitzte diesmal ein altbekanntes Thema die Gemüter: das Dilemma um rechte Verlage.
Die literarische Einsamkeit ist vorbei: Die Frankfurter Buchmesse konnte nach einem Jahr Corona-Zwangspause endlich wieder vor Ort und mit Publikum stattfinden. Die Veranstalter unternahmen damit einen Schritt in Richtung "Business as usual": Alles sollte fast so wie vor Corona werden, allerdings mit weniger Ausstellern, gedeckelter Besucherzahl, 3G und Maskenpflicht. Rund 70.000 Besucher zählte die Buchmesse am Ende, darunter etwa 36.000 Fachbesucher aus 105 Ländern.
Das Festhalten an Traditionen wurde für die Veranstalter bei einem altbekannten Thema allerdings zum Angriffspunkt. Wie umgehen mit rechten Verlagen? Eine Frage, die sich die Buchmesse seit Jahren stellen muss und die mindestens ebenso lange mit dem Argument der Meinungsfreiheit gekontert wird.
Solidarität mit Schwarzer Autorin
Ausgelöst wurde die Debatte in diesem Jahr durch die Absage der Schwarzen Autorin und Internet-Aktivistin Jasmina Kuhnke. Zahlreiche Prominente zeigten sich solidarisch und schlossen sich dem Boykott der Messe an. Diejenigen, die sich für einen Auftritt entschieden, trugen den Diskurs auf alle Bühnen. Zahlreiche Autorinnen bemängelten zugleich den Ton, der bei diesem Thema in den sozialen Netzwerken herrscht.
Bei der Verleihung des Friedenspreises an Tsitsi Dangarembga kam es sogar zu einer Unterbrechung: Die Stadtverordnete Mirrianne Mahn (Grüne) unterbrach die Ansprache von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und kritisierte den Umgang der Buchmesse mit rechten Verlagen scharf.
Soziologe: Umgang mit rechten Verlagen ist ein Dilemma
Nach Ansicht des Soziologen Aladin El-Mafaalani ist die Diskussion um die Buchmesse ein Zeichen gesellschaftlichen Fortschritts. Erst durch die Teilhabe von ehemals extrem Ausgeschlossenen werde nun ein Thema angesprochen, das für andere selbstverständlich sei - die Anwesenheit rechter Verlage. Die Begründung der Buchmesse sei allerdings nicht mehr zeitgemäß, sagte er auf der ARD-Buchmessenbühne.
Der Umgang mit den rechten Verlagen sei ein ungelöstes, grundrechtliches Dilemma. "Das ist eine Schwelle wo neue gesellschaftliche Entwicklung stattfinden muss. Die alten Lösungen, die die letzten Jahre gezogen haben, ziehen so nicht mehr."
Dazu kommt: Da die Buchmesse kleiner und übersichtlich ausfiel als früher, wurden die problematischen Stände in diesem Jahr sichtbarer. In den vergangenen Jahren hatten die Veranstalter das Problem so gelöst, dass sie die Rechten räumlich in die letzten Ecken oder in eine Sackgasse verfrachtete.
Feminismus, Gendern und Streitkultur
Nicht nur die Themen Anti-Rassismus und rechte Verlage dominierten den gesellschaftlichen Diskurs auf den Veranstaltungen mit den Autorinnen und Autoren. In zahlreichen Diskussionen auf der Messe, die unter dem Motto: "Wie wollen wir leben?" stand, ging es auch um gelebten Feminismus, das Streitthema Gendern und den Klimawandel. Manche Autorinnen und Autoren bemängelten in Gesprächsrunden zudem die fehlende Streitkultur in Deutschland und den teils rauen, empathielosen Umgang in den sozialen Netzwerken.
Das Publikum kam aber natürlich nicht nur, um die meinungsstarken Auftritte seiner Lieblingsautoren live zu erleben. Es ging auch darum, neue, spannende Bücher zu entdecken - und eventuell schon signierte Weihnachtsgeschenke zu shoppen. Wie sehr die Besucherinnen und Besucher ihre Buchmesse vermisst hatten, zeigte sich bereits am Freitagnachmittag an den langen Warteschlangen vor der Einlasskontrolle. Für den Messe-Samstag waren im Vorfeld schon keine Tickets mehr zu bekommen, auch am Sonntag war viel los.
Es durften coronabedingt allerdings nur 25.000 Besucher pro Tag auf das Gelände. Früher kamen an einem Messe-Samstag auch schon mal 80.000 Leute. Die Lebendigkeit der Debatten und die Freude der Besucherinnen und Besucher über das Buchmessen-Comeback verloren sich deshalb etwas in den riesigen Messehallen. Diese waren recht ausgedünnt, es fanden nur halb so viele Veranstaltungen statt und nur ein Drittel der Ausstellerinnen und Aussteller kamen in diesem Jahr. Damit die Buchmesse überhaupt stattfinden konnte, benötigten die Veranstalter eine Millionenförderung.
Die Buchmesse geht nun zu Ende. Die Diskussionen über unsere Werte und die Leitfrage: "Wie wollen wir leben?" werden aber sicherlich noch länger nachwirken und den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen. Mindestens bis zur nächsten Buchmesse, die vielleicht - und hoffentlich - wieder ganz ohne Corona-Einschränkungen stattfinden kann.