Erst Einigkeit, dann Tumult Frankfurter Buchmesse mit Solidaritätsbekundungen für Israel eröffnet

Der Terrorangriff der Hamas hat auch die Eröffnung der Frankfurter Buchmesse bestimmt. Staatsministerin Claudia Roth, die in Vertretung des Bundeskanzlers anreiste, verurteilte die Angriffe auf Israel aufs Schärfste. Der Philosoph Slavoj Žižek aus dem Ehrengastland sorgte für Aufruhr.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar bei der Eröffnung der Buchmesse
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne, re.) und die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar (li.) eröffneten die 75. Frankfurter Buchmesse. Bild © picture-alliance/dpa
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Buchmesse gestartet

Buchmessechef beim Interview
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Politiker und Politikerinnen aus Deutschland, dem diesjährigen Buchmesse-Ehrengastland Slowenien und der Stadt Frankfurt haben bei der feierlichen Eröffnung der Frankfurter Buchmesse (18. bis 22. Oktober 2023) am Dienstagabend den islamistischen Terror der Hamas in Israel verurteilt.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die kurzfristig für den nach Israel gereisten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Eröffnungsrede in Frankfurt übernommen hatte, bezeichnete die terroristischen Angriffe der Hamas in der israelisch-palästinensischen Grenzregion als "Barbarei". Sie verurteile die Angriffe "zutiefst".

"Es ist ein Angriff auf Menschen, weil sie Jüdinnen und Juden sind. Es ist ein Angriff auf den Staat Israel, auf seine Kultur und auf seine offene Gesellschaft", sagte sie. "Wir sind voller Trauer und Schmerz an der Seite der Opfer und Angehörigen."

Besserer Schutz für Juden in Deutschland gefordert

Nach anti-israelischen Demonstrationen und Jubel über den Hamas-Terror in Deutschland forderte sie zugleich einen besseren Schutz für jüdisches Leben in Deutschland. "Leider gibt es auch die Bilder aus unserem Land, die zeigen, wie Anhänger der Hamas den Blutrausch feiern." Dafür könne und dürfe es keine Toleranz geben.

Gerade in Zeiten von Krieg und Krisen brauche es Bücher und Literatur. Sie könnten helfen, "Erlebtes und Erfahrungen zu verarbeiten, gegen die Sprachlosigkeit anzukämpfen, schier Unbschreibliches zu beschreiben", so Roth. "Literatur kann uns helfen, zu verstehen und mitzufühlen."

Slowenien ruft zum Respekt des Völkerrechts auf

Auch Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), der zum ersten Mal in dieser Funktion zur Messe geladen war, nutzte seine Rede, um für Solidarität für Israel und die jüdischen Gemeinden in Frankfurt und Deutschland zu sensibilisieren.

Bei dem Terrorangriff der Hamas seien unschuldige Menschen ermordet worden - "und dazu darf es keine zwei Meinungen geben in diesem Land", sagte er. "Gerade jetzt gilt es, jüdisches Leben nicht nur zu schützen, sondern auch laut zu sein für jüdisches Leben in Deutschland."

Die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar sagte, das "Gemetzel" der Hamas mache sie "fassungslos". "Ich kann nicht anders, als das immer wieder zu verurteilen". Sie rief zum Ende der Gewalt und zum Respekt des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte auf.

Slowenischer Philosoph verteidigt Palästinenser

Für einen Aufruhr hatte der im Rahmen des Ehrengast-Auftritts geladene slowenische Philosoph Slavoj Žižek gesorgt. Er nutzte seine Rede am Ende der Eröffnungsfeier, um sich für die im Gazastreifen lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser einzusetzen.

Žižek sagte, er verurteile die terroristischen Angriffe der Hamas auf die israelische Bevölkerung, betonte aber, man müsse auch den Palästinensern zuhören und deren Hintergrund beachten, wenn man den Konflikt verstehen will. Das palästinensische Volk in Gaza werde ausschließlich als Problem behandelt, Israel zeige ihnen keine positive Rolle im Nahostkonflikt auf. Es könne im Nahen Osten keinen Frieden geben ohne Lösung der Palästina-Frage.

Seine Rede wurde wiederholt von Zwischenrufen unterbrochen. Einige Gäste verließen währenddessen den Saal. Der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker (CDU) widersprach Žižek erst vor und später direkt auf der Bühne und warf ihm vor, die Verbrechen der Hamas zu relativieren. Auch Becker verließ mehrfach den Saal, kehrte aber schließlich zurück.

Žižek: Verschiebung des LiBeraturpreises "skandalös"

Er relativiere gar nicht, entgegnete Žižek. Die Terroranschläge seien ein schreckliches Verbrechen und Israel habe jedes Recht, sich zu verteidigen.

Schon vor der Unterbrechung hatte der Philosoph ein "Analyseverbot" bei diesem Thema kritisiert. All seine Vorredner hätten über Israel, aber niemand über die Palästinenser gesprochen, so Žižek. Die Entscheidung, die palästinensische Autorin Adania Shibli nicht auf der Buchmesse auszuzeichnen, halte er für "skandalös".

Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek verlässt die Bühne.
Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek hat mit seiner Rede bei der Eröffnungsfeier einen Aufruhr ausgelöst. Bild © picture-alliance/dpa

Buchmesse-Direktor verurteilt Terror aufs Schärfste

Der Direktor der Buchmesse, Juergen Boos, sagte im Anschluss an Žižeks Rede, man müsse diese Worte im Sinne der Freiheit des Wortes stehen lassen - auch, wenn man sie nicht teile. Es sei wichtig, "dass wir uns zuhören".

Boos kritisierte aber die von Žižek gewählten Worte. "Ich glaube, ich kann für diese Gemeinde hier sprechen, wenn ich sage: Wir verurteilen den Terror. Wir sind Menschen und wir denken menschlich - auf palästinensischer und auf israelischer Seite."

Ähnlich hatte der Buchmesse-Chef sich bereits am Dienstagvormittag bei der Eröffnungspressekonferenz geäußert. Die Buchmesse sei auch eine Politikmesse und habe einen kulturpolitischen Auftrag, betonte er. Sie gebe den Autorinnen und Autoren Raum, Bühne und Stimme.

Diskussionsrunde "In Sorge um Israel"

Anlässlich des Terrorangriffs der Hamas hat die Buchmesse gemeinsam mit dem Schriftstellerverband PEN Berlin zum Auftakt der Messe am Mittwoch (10.30 Uhr, Frankfurt Pavillon) eine Diskussionsrunde zum Thema "In Sorge um Israel" angesetzt. Eingeladen als Sprecher ist unter anderem der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel.

Ab Mittwoch dürfen zunächst Fachbesucher und -besucherinnen auf das Frankfurter Messegelände, ab Freitagnachmittag ist die Bücherschau für alle Interessierten offen. Die Messe endet am Sonntag mit der Friedenspreisverleihung an den britisch-indischen Autoren Salman Rushdie.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 17.10.2023, 19.30 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Lara Joelle Karbalaie, Sophia Averesch, Anna Lüft, dpa/lhe