Wegen Präsenz rechter Aussteller Frankfurter Stadtverordnete fordern Rücktritt von Buchmesse-Chef Boos
Die Buchmesse läuft, gleichzeitig wächst die Kritik an den Veranstaltern: Zwei Frankfurter Stadtverordnete fordern eine neue Buchmesse-Leitung. Ihr Vorwurf: Die Buchmesse unterstütze rechtes Gedankengut, indem sie rechte Aussteller dulde.
Die Frankfurter Buchmesse ist zurück und mit ihr auch ein altes Streitthema: die Präsenz rechter Verlage. Doch in diesem Jahr erreicht die Diskussion ein neues Level. Die Stadtverordnete und Referentin für Diversitätsentwicklung, Mirrianne Mahn (Grüne), fordert den Rücktritt von Buchmesse-Direktor Juergen Boos. Auf Instagram erklärte sie: Wer den Unterschied zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung nicht kenne, habe "nichts in so einer Position verloren". Zuerst hatte die Frankfurter Rundschau (FR) darüber berichtet.
Jahr für Jahr beantwortet die Buchmesse die Kritik an rechten Ausstellern auf der Messe mit dem Argument der Publikations- und Meinungsfreiheit. Zu den Rücktrittsforderungen äußerte sich Buchmesse-Chef Boos bislang nicht. Am Donnerstagmorgen schloss sich auch der Stadtverordnete Nico Wehnemann (Die Partei) den Forderungen Mahns an. Auf Twitter kritisierte er, dass die Buchmesse einen Konflikt mit den rechten Verlagen scheue.
Keine klare Haltung der Grünen-Fraktion
Auch Mahn forderte die Buchmesse auf, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und einen juristischen Streit mit den jeweiligen Ausstellern in Kauf zu nehmen. Indem die Buchmesse rechte Verlage weiterhin dulde, falle sie auf die Vorgehensweise dieser Akteure rein und biete ihnen eine öffentliche Plattform. "Die große Gefahr an den Neuen Rechten besteht darin, dass sie versuchen, sich als demokratisch zu inszenieren", sagte sie.
Sie nutzten ganz bewusst öffentliche Veranstaltungen und Diskursräume, um diese "mit ihren Inhalten zu überfluten". In den Messehallen stellen in diesem Jahr unter anderem der Verlag "Junge Freiheit" und der Karolinger-Verlag aus Österreich aus - beide sind dem rechten Spektrum zuzuordnen. Im vergangenen Jahr hatte Mahn die Friedenspreisverleihung unterbrochen, um über Rassismus zu reden und die Präsenz rechter Verlage auf der Buchmesse anzuprangern.
Die Forderung Mahns trifft in ihrer Fraktion im Römer nicht nur auf Unterstützung, wie Grünen-Fraktionschef Dimitrios Bakakis am Donnerstagnachmittag auf hr-Anfrage sagte. "Es gibt in der Fraktion unterschiedliche Meinungen". Ein Fraktionsbeschluss in der Sache sei nicht geplant. Bakakis hatte bereits nach dem FR-Bericht auf Twitter betont, dass es sich bei der Rücktrittsforderung von Mahn um eine Privatmeinung handele.
Anwalt: Müssen gewisse andere Meinungen akzeptieren
Aus rechtlicher Sicht kann die Buchmesse selbst bestimmen, welche Verlage sie zu sich einlädt. Es würde dann an den Verlagen liegen, sich auf die Messe zu klagen, sagt Martin Leber, Anwalt für Messerecht aus Hanau. Damit könnten die Verlage dann Erfolg haben. "Wir müssen als Demokratie gewisse andere Meinungen akzeptieren – das müsste das Gericht in einem Verfahren berücksichtigen." Politische Meinungen sind soweit geschützt, solange sie nicht gegen die verfassungsrechtliche Grundordnung verstoßen, wie Leber weiter erläutert.
Tony-Sender-Preisträgerin schließt sich Boykott an
Bereits vor Messestart war die Diskussion um rechte Aussteller wieder aufgekommen. Die Autorin Jasmina Kuhnke hatte für dieses Jahr erneut ihren Buchmesse-Besuch bewusst öffentlich abgesagt. Unterstützung erhält sie von Eleonore Wiedenroth-Coulibaly, der diesjährigen Tony-Sender-Preisträgerin der Stadt Frankfurt und Mitbegründerin der deutschlandweiten "Initiative Schwarzer Menschen".
Auch sie wird t-online zufolge die Buchmesse nicht besuchen. Schon 2021 hatten zahlreiche Prominente und Autoren aus Solidarität und Betroffenheit die Buchmesse boykottiert. Wiedenroth-Coulibaly und Mahn hatten die Buchmesse bereits im Vorfeld als "nicht diskriminierungssensibel" kritisiert, auch weil rechte Verlage wieder geduldet würden.
Buchmesse hält an rechten Verlagen fest
Verlage auf der Buchmesse verbieten? Geschäftsführer Juergen Boos hat dazu eine klare Meinung. "Wir sind ein Platz, auf dem ich mich frei äußern kann. Dieses wichtige Gut müssen wir schützen", sagte Boos im Vorfeld der Messe dem hr. "Wir sind weder Polizei noch Richter – wir sind Messeveranstalter."
Kathrin Grün, Sprecherin der Buchmesse, hatte Ende September erklärt, dass grundsätzlich alle Aussteller, gegen die strafrechtlich nichts vorliege, auch die Möglichkeit hätten, auf der Frankfurter Buchmesse auszustellen." Nicht alles, was als illegitim empfunden wird, ist auch illegal", sagte Grün.
Auf ihrer Webseite erklärt die Buchmesse, dass sie jede Form von Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung verurteile. Aufgrund ihrer "Monopolstellung als größte internationale Leitmesse" müsse sie aber aus "kartellrechtlichen Gründen" alle Aussteller zulassen , die "nach deutschem Recht nicht verboten seien".
Sendung: hr-iNFO, 17.10.2022, 12.20 Uhr
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