Literatur wird diverser Was die Buchmesse für queere Menschen bietet
Mit der Verleihung des Buchpreises an eine non-binäre Person hat die Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr ein Statement für Sichtbarkeit der queeren Community gesetzt. Was ist davon übrig geblieben? Unsere Autorin hat sich auf der diesjährigen Messe auf die Suche gemacht.
Was, wenn Aschenputtel nicht den Prinz geheiratet hätte, sondern die gute Fee? Wenn sich Romeo nicht in Julia verliebt hätte, sondern in Tybalt?
Die größten Romanzen unserer Zeit sind heterosexuell geprägt. Und ich liebe sie. Trotzdem habe ich mich in meiner Jugend gefragt, wieso es abseits von diesen Liebesgeschichten nichts in den Bücherregalen gibt. Keine Protagonistinnen, mit denen ich mich komplett identifizieren konnte, keine Vielfalt.
Im vergangenen Jahr hat die Frankfurter Buchmesse ein Statement für queere Stimmen gesetzt. Der Buchpreis ging an "Blutbuch" von Kim de l’Horizon und damit zum ersten Mal an eine non-binäre Person. Wie sieht es ein Jahr später auf der Buchmesse aus? Finde ich weitere queere Stimmen und Geschichten, die ich in meiner Jugend in den Buchhandlungen vermisst habe?
Steigende Nachfrage nach queerer Literatur
Beim Stöbern durch die langen Reihen Bücher fällt mir ein Stand auf, der sehr nach Lovestorys aussieht - bunte Buchrücken schlagen mir hier entgegen. Sie gehören zum Verlag One, der zur Verlagsgruppe Bastei Lübbe und vor allem im Young-Adult-Bereich ein großes Angebot an queerer Literatur bietet.
Dem verlegerischen Vorstand Simon Decot ist in den letzten drei Jahren eine steigende Nachfrage aufgefallen. Das lasse sich zum einen damit begründen, dass aktuelle gesellschaftliche Debatten viele Themen präsenter machten. Er erklärt das wachsende Angebot aber auch durch soziale Netzwerke.
"Auf Social Media können sich junge Leserinnen und Leser austauschen und ihre eigenen Interessen stärker sichtbar machen", so Decot. Dadurch erfahre der Verlag, was gefragt ist und könne sich an diesen Interessen bedienen. Dass die Nachfrage da ist, zeigt auch ein Blick auf etwa die Spiegel-Bestsellerliste, auf der queere Bücher immer öfter vertreten sind.
"Die Themen sollen sich leicht anfühlen"
Der Charme der Bücher des Verlags One bestehe darin, dass queere Themen nicht als Probleme gesehen werden, betont Decot. Leserinnen und Leser erlebten durch die Lektüre alltägliche Lebenssituationen, mit denen sie sich identifizieren könnten.
Autorin Alicia Zett schreibt genau solche Geschichten. "Es gibt so viele queere Geschichten, in denen jemand stirbt, es sehr viel Drama gibt", sagt sie. Ihre Bücher seien anders. "Wohlfühlbuch ist ein Wort, das oft im Zusammenhang mit meinen Büchern fällt. Ich möchte Menschen gerne eine warme Umarmung schenken."
Messe setzt erneut Awareness-Team ein
Damit sich Menschen nicht nur beim Lesen, sondern auch während ihres Messebesuchs wohlfühlen, gibt es wie im Vorjahr wieder ein Awareness-Team. Dort arbeiten Mitarbeitende des Bundes für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit.
Mit einem eigenen Stand im Foyer von Halle 4.1 und Rundgängen über die Messe wollen sie den Raum für Gespräche öffnen und bei möglichen diskriminierenden Erfahrungen eingreifen. Außerdem können sie an weitere Beratungsstellen vermitteln.
Viele Besucherinnen und Besucher fühlten sich auf dem Messegelände oftmals schon durch das Wissen sicherer, dass es überhaupt Ansprechpartner gebe, so eine Mitarbeitende des Awareness-Teams. Es geht also - wie so oft - um Sichtbarkeit.
Austausch mit Autorinnen und Autoren möglich
Sichtbarkeit, Austausch - darum geht es auch bei Signierstunden mit Autorinnen und Autoren queerer Literatur, die viele Verlage während der Besuchertage anbieten, und Lesungen auf den kleinen Bühnen zwischen den Verlagsständen.
Autorin Myriam Sauer etwa spricht auf einer dieser Bühnen über ihren Roman "Passage durch den reißenden Strom". Darin geht es um eine trans Frau und ihre Transition - also um den Weg einer trans Person in das richtige Geschlecht.
Sie wolle den Fokus der Thematik verschieben und zeigen, dass eine Transition nicht nur problematisch sein muss, so Sauer. "Transition ist aufregend, weil man sich in sich selbst und die Welt neu verlieben kann."
"Wir müssen als Gesellschaft weiterkommen"
Mein kleiner Buchmessen-Rundgang endet mit dem traditionellen Sektempfang des Querverlags, der sich auf LGBTQ-Literatur spezialisiert hat. Den Verlag gibt es schon so lange, wie ich auf der Welt bin: seit 28 Jahren. Seitdem kämpft er um die Präsenz seiner Themen, auch auf der Frankfurter Buchmesse.
Verlagsgründer Jim Baker freut sich darüber, dass sich mittlerweile auch größere Verlage diverser aufstellen. Das helfe, Diskriminierung zu reduzieren. "Wir brauchen immer mehr Stimmen, die sagen, es gibt nicht nur den Mainstream, es gibt auch anderes", so Baker. "Und wir haben genauso einen Platz am Tisch verdient wie alle anderen auch." Das gelte auch für die Literaturbranche.
Die Bücher, die ich meinem jüngeren Ich gewünscht hätte, habe ich auf der Buchmesse gefunden. Vor allem der Kinder- und Jugendbuchbereich bildet Diversität ab, auch große Verlage nehmen sich dieser Themen an.
Nach dem Buchpreis vom vergangenen Jahr hätte ich mir aber noch mehr Veranstaltungen gewünscht, die Diversität in der Literatur behandeln. Ich stoße beim traditionellen Sektempfang trotzdem an: darauf, dass sich der Buchmarkt langsam verändert und immer öfter vielfältige Perspektiven abbildet.