Ambitioniertes Vorhaben Büdinger bauen Mittelalter-Burg nur mit Werkzeugen und Techniken von damals
Marko Appel und sein Verein haben ein ambitioniertes Vorhaben: In Büdingen eine Mittelalter-Burg mit mittelalterlichen Werkzeugen bauen. Die Stadt steht hinter dem Projekt - und hat jetzt beschlossen, dafür eine Fläche zu kaufen.
Matthias Alts Gesicht läuft in kräftigem Rot an, er wischt den Schweiß mit dem Ärmel von seiner Stirn, während er einen Baumstamm mit einem Haubeil bearbeitet. In voller mittelalterlicher Handwerker-Montur steht er an einem windigen Nachmittag da: gelbliches Wollhemd, Lederlatschen, Wollmütze, alles selbstgemacht, selbst die Nähnadel für seine Gewänder.
"Die Kleidung ist nicht bequemer als normale. Sie ist... anders. Sehr atmungsaktiv", sagt Alt. Dann prügelt er weiter auf den Holzstamm ein. Der wird eine Bohle werden, ein Teil einer Tischplatte. Die kommt dann auf zwei Böcke, die er schon gefertigt hat, und zusammen ergibt das dann einen simplen Tisch nach mittelalterlichem Vorbild.
Vereinsvorsitzender ist selbst Mittelalter-Enthusiast
"Ich lege mich da zeitlich bewusst nicht fest. Die Technik hat sich in den tausend Jahren weitgehend nicht geändert", erklärt der Handwerker. Alt ist Mittelalter-Enthusiast und damit gut aufgehoben im Verein "Burg Hofraite" aus Büdingen (Wetterau). Der Verein will eine Mittelalter-Burg bauen, und zwar ohne motorisierten Kran oder Betonmischer – ganz mit dem, was um das Jahr 1.000 nach Christus bekannt und vorhanden war. Selbst die Werkzeuge wie Hammer und Axt sollen selbst hergestellt werden.
Zu der Idee ist der Vereinsvorsitzende Marko Appel vor einigen Jahren gekommen, seit 2022 besteht der Verein. "Man wacht nicht einfach morgens auf und sagt: ‘Heute baue ich eine Burg’", witzelt er. Er sei immer geschichtsinteressiert gewesen, Mitglied im lokalen Mittelalter-Verein.
"Irgendwann ist dann die Idee gekommen zu fragen: Wie war das eigentlich damals, wie schwierig, so eine Burg zu bauen?", erzählt Appel. Die Frage beantwortet sich am besten, wenn man es selbst ausprobiert, dachte er. So wuchs die Idee für ein Mammutprojekt, für eine Burg in einer Stadt, die bereits ein Schloss und einen mittelalterlichen Kern hat.
Arbeitsgruppen sind bereits eingeteilt, Verein hat wissenschaftliche Begleitung
Doch wider Erwarten "bin ich bei der Stadt mit der Idee offene Türen eingerannt." Denn der Unterschied zum Schloss Büdingen, das sich in privater Hand befindet, soll vor allem darin bestehen, dass die Burg von Ehrenamtlichen selbst gebaut und jeder Winkel auch rund um die Uhr betreten werden kann. Der Bürgermeister ist überzeugt von der Idee, tritt selbst dem Verein bei. Mittlerweile ist dieser auf rund 150 Mitglieder angewachsen.
Die Idee ist weitab von abstrakten Phantasien: Es haben sich Arbeitsgruppen gebildet, zum Beispiel für den Bau, für die Produktion von Gewändern aus der Mittelalter-Zeit oder auch für die Betreuung von Tieren, die auf dem Hof gehalten werden sollen.
Und: Es gibt einen wissenschaftlichen Beirat aus Archäologen, die dafür sorgen sollen, das die Burg möglichst originalgetreu gebaut wird. Gar nicht so einfach, schildert Appel, während er über die Wiese läuft, auf der die Burg mal stehen soll.

Denn die Burg wird gänzlich aus Holz bestehen. "Wir wollen vor allem den Anfang einer Burganlage darstellen", erklärt Appel. Überreste von holzbasierten Anlagen finden sich aber selten, meist kann man nur Stümpfe abgerissener Holz-Burgen finden.
Burg soll Bauernhof beherbergen und praktische Workshops anbieten
Neben über 80 wissenschaftlichen Texten und Büchern, die die Arbeitsgruppe Bau schon angehäuft hat, helfen Exkursionen, etwa zum Geschichtspark Bärnau-Tachov, die mindestens einmal im Jahr gemacht werden. Oder auch, das Ganze schonmal in klein vorzubauen: Ein Modell vom höchsten Gebäude der Anlage, der Burgfried, ein massiver Turm, existiert bereits – im Maßstab 1:4.
Drei Meter ist er hoch und steht an diesem Nachmittag in Appels privater Hofeinfahrt. Sichtlich stolz lehnt der an dem Wachturm, an ihm prangt der hölzerne Schriftzug, "Wir bauen eine Burg".
Die Anlage soll neben dem Turm, der auf einem eigens hierfür aufgeschütteten Hügel stehen wird, einen Bauernhof als Herzstück beherbergen. Hier werden unter anderem Pferde, Schafe oder Schweine gehalten, wenn die Anlage die Unterbringung zulässt. Davor sollen einige Gärten mit Kräutern und Gemüse liegen, die geerntet werden sollen.

Um den Hof herum werden Wirtschaftsgebäude, wie etwa eine Schmiede, entstehen. All das soll von den Besuchern selbst genutzt werden. Sie sollen in der "Turmhügelburg" selbst zu schmieden lernen, zu töpfern, zu gärtnern oder Möbel zu bauen – alles nach mittelalterlichem Vorbild. Die ersten Workshops soll es lange vor Fertigstellung der Anlage geben, schon im kommenden Jahr.
Bau soll 15 Jahre dauern und 13 Millionen Euro kosten
Mit dem Bau der Anlage lässt sich der Verein nämlich Zeit: 15 Jahre sind veranschlagt. Bis zu 13 Millionen könnte das alles kosten - 20 Prozent davon sind Materialkosten, denn Holz ist vergleichsweise günstig und Maschinen im modernen Sinn braucht es nicht. Der Löwenanteil wird für Personalkosten draufgehen. Rund 20 hauptamtliche Mitarbeiter müssen bezahlt werden, allen voran ein Bauleiter, im besten Fall ein Zimmermann.
Doch das ist noch Zukunftsmusik. Zuerst muss die Stadt die Fläche kaufen, was die Stadtverordneten bereits beschlossen haben. Die Fläche liegt südlich des Stadtgebiets, ein Landwirt wird sie für 80.000 Euro verkaufen. "Wir sind jetzt daran, ein Flächennutzungskonzept vorzulegen", erklärt Appel, "danach kommt dann ein Fauna-Flora-Habitatgutachten." Dieses prüft, ob der Burgbau auch keinen geschützten Tier- oder Pflanzenarten ins Gehege kommt.
Wenn die Bürokratie bewältigt ist, soll es in einem Jahr mit dem Bau losgehen. Auch eine Förderung durch die Bundesrepublik ist bereits zugesagt. Dann hofft Appel auf großzügige Sponsoren. Und auf fleißige ehrenamtliche Helfer. Willkommen sind Profis wie Laien, jeder kann sich zu jeder Jahreszeit am Bau der Burg irgendwie einbringen.