"Casablanca Art School" Frankfurter Schirn zeigt eine fast vergessene Kunstbewegung
Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt zeigt eine Kunstbewegung, die in Europa bislang kaum beachtet wurde: die sogenannte Casablanca Art School, die im postkolonialen Marokko entstanden ist. Die Werke verweben Pop Art und Bauhaus mit lokalen kulturellen Einflüssen.
Von den Wänden der Schirn Kunsthalle in Frankfurt leuchten intensive Farben. Großformatige Bilder erinnern an Pop Art – und doch ist etwas anders.
Die rund 100 Arbeiten, die seit diesem Wochenende zu sehen sind, sind Ausdruck einer kulturellen Bewegung, die in westlichen Ausstellungsräumen bislang kaum Beachtung fand und selbst in ihrem Herkunftsland Marokko fast in Vergessenheit geraten ist: die "Casablanca Art School".
Kulturelle Einflüsse treffen auf Moderne
Gerade erobert die Kunstbewegung Europa. In der Schirn werden die Werke von 22 Künstlerinnen und Künstler gezeigt – abstrakte und großformatige Malerei, Kunsthandwerk, aber auch Grafiken, Teppiche und ein Architekturmodell.
Zwar sind Einflüsse und Ideen aus der westlichen Moderne wie eben Pop Art zu erkennen. Die "Casablanca Art School" hebt sich aber dadurch hervor, dass sie sich auf ihre einheimischen, kulturellen Praktiken zurückbesinnt und die lokalen kulturellen Einflüsse mit der Moderne verwebt.
Avantgardistische Bewegung
Die Kunsthochschule von Casablanca wurde bereits 1919 gegründet – noch zur Zeit des französischen Protektorats. Schon wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Marokkos richtete sich die Kunsthochschule neu aus, öffnete sich beispielsweise für Frauen.
Eine der treibenden Kräfte war der damalige Direktor Farid Belkahia. Unter ihm entstand in den Jahren 1962 bis 1987 eine avantgardistische, postkoloniale Bewegung.
Von westlicher Lehre verabschiedet
In der Lehre wurden Ideen aus der Bauhaus-Bewegung mit der Erforschung des afrikanischen und amazighischen Erbes verknüpft: abstrakte Kunst mit Elementen traditioneller Teppiche, Schmuck, Kalligrafie oder Deckenmalerei der Region.
Die Dozenten verabschiedeten sich von der westlichen Lehrmethode der Staffeleimalerei und wandten sich bewusst Elementen aus dem lokalen Kulturerbe zu. Dafür wurden Materialien wie Kupfer, Lederhäute, Holz und Wolle kombiniert und neue Muster und eine neue Formensprache entwickelt.
In der Zeit der Dekolonisation schlug sich auch politische Aktivismus in der Kunst nieder. In der Schirn zeigen das zum Beispiel Plakate gezeigt, die sich inhaltlich mit anderen Ländern solidarisierten: zum Beispiel mit Chile zum Ende des Allende-Regimes, mit Angola zu Bürgerkriegszeiten oder mit der palästinensischen Bevölkerung.
Kunst als Teil des Alltags
Und noch etwas wird in der Ausstellung deutlich: In Marokko ist die Kunst – angelehnt an die Bauhaus-Bewegung – Teil des Alltags. Das zeigen zum Beispiel Zeitschriften-Cover und Wandmalerei. Die Zusammenarbeit mit Architekten hatte zum Ziel, Kunst im öffentlichen Raum unterzubringen. So ist die Bildsprache mitunter sehr zugänglich.
Auch in der Schirn soll "Casblanca" für ein möglichst breites, internationales Publikum zugänglich sein. Die Ausstellungstexte gibt es daher in gleich drei Sprachen: deutsch, englisch und arabisch.
Sendung: hr2, 12.07.2024, 8.30 Uhr
Redaktion: Susanne Reininger, Anna Lisa Lüft