Anime- und Manga-Messe Connichi in Kassel Riesenhammer, rote Augen und japanische Pop-Kultur
Je schriller, desto besser: In Kassel treffen sich am Wochenende tausende Fans japanischer Comics, Filme und Serien, viele in aufwändigen Kostümen. Nach zwei Jahren Corona-Pause ist die Connichi zurück.
Über der Schulter trägt sie einen riesigen Hammer, in der linken Hand ein Fantasie-Stofftier in Tropfenform, dazu eine Perücke. So läuft Vickie Behrens über den Bebelplatz in Kassel. Die Sonne scheint, auf den Bänken sitzen Menschen und schauen ihr nach. Behrens ist 32 Jahre alt, Krankenschwester und Cosplayerin. Das Wort "Cosplay" leitet sich aus dem englischen "Costume" für Verkleidung und "Play" für Spiel ab.
Vickie hat sich als Figur aus dem Konsolenspiel Dragon Quest verkleidet und ist auf dem Weg zur Connichi. Auf der größten ehrenamtlich organisierten Convention Deutschlands treffen sich Liebhaber japanischer Comics, Zeichentrickfilme und -serien, viele in schrillen Outfits.
Figuren aus fremden Welten
Sie alle stellen Figuren aus japanischen Animes und Mangas dar, aber auch Charaktere aus den Comic-Universen von Marvel und DC oder Videospielen. Typisch für das Genre sind kindliche Figuren mit übergroßen Augen, zierlichen Stupsnasen und phantasievollen Kostümen.
So wie bei Sailor Moon, Vickies Lieblingsserie aus Kindertagen. Mit 13 oder 14 habe sie die erste Convention besucht, erinnert sie sich. Seitdem liebe sie es, sich zu verkleiden und so dem Alltag zu entfliehen. Sie wird in den nächsten Tagen Gleichgesinnte treffen, neue Leute kennenlernen und Fotos für ihren Instagram-Account machen, aber vor allem die Gemeinschaft genießen.
Drei Tage japanische Popkultur
Seit 2003 verwandelt sich der Kasseler Stadtteil Vorderer Westen einmal im Jahr in ein Mekka der japanischen Popkultur. 300 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben nach zwei Jahren Corona-Pause das Programm der dreitägigen Veranstaltung auf die Beine gestellt. Neben Bühnenshows gibt es Vorträge, Workshops und verschiedene Wettbewerbe.
2019 besuchten 27.000 Menschen die Convention in Kassel. In diesem Jahr können aus Hygieneschutzgründen etwas weniger Japan-Fans im Kongress Palais feiern; wenn es eng wird, ist die Maske Pflicht. Die Fan-Szene bleibe der Convention dennoch treu, sagt Michael Drewing, einer der Organisatoren. Man hoffe in diesem Jahr auf über 25.000 Menschen.
Keine Nischenszene mehr
Drewing, seine Frau Stephanie und Jan Meister sind vom veranstaltenden Verein Animexx. Ziel des Vereins sei es, die japanische Pop-Kultur in Deutschland bekannter zu machen, erklärt Drewing. Das sei gelungen, mittlerweile könne man nicht mehr von einer Nischenszene reden, das Genre sei in der Gesellschaft angekommen.
Dazu gebe es eine große Schnittmenge zur K-Pop-Welle, die vor fünf Jahren nach Deutschland geschwappt sei. Dass man mit koreanischer Pop-Musik Menschen erreicht, hatte sich erst im Mai in Frankfurt gezeigt: Dort hatten 70.000 Fans gefeiert.
Kein Einlass ohne Kostüm- und Waffencheck
Djanna ist vom Feiern noch etwas entfernt. Sie hat sich beim Waffencheck angestellt. Alle Waffen und Kostüme werden beim Einlass kontrolliert. Die phantasievollen Verkleidungen dürfen einen Durchmesser von 1,50 Metern nicht überschreiten, scharfkantige Nieten sind verboten.
Bei den Waffen gibt es noch strengere Regeln. Schusswaffenimitationen, Pfeile, aber auch überdimensionale Hieb- und Stichwaffen aus Holz und Kunststoff dürfen nicht mit rein in die Halle.
Sicher feiern
Djanna muss ihr Schwert abgeben. Es ist zwar stumpf, aber recht schwer. Nach der Convention bekommt sie es wieder. Traurig ist sie nicht: "Es ist für mich okay, das Schwert jetzt abzugeben, denn wir wollen ja eine sichere Connichi haben und wir wollen, dass sie auch weiterhin so stattfinden kann. Dennoch gehören Waffen einfach zu unseren Kostümen dazu".
Vickies Hammer misst keine zwei Meter und ist aus Pappe und Schaumstoff. Trotzdem wird sie ihn nicht mit reinnehmen. Denn sie wird zunächst die Atmosphäre genießen und Fotos von anderen Cosplayern machen, sie in ihren Kostümen wie die Original-Figur posieren lassen. Um dann in die Welt ihrer Kindheit einzutauchen, als Sailor Jupiter ihre Heldin war.
Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 07.10.2022, 16.45 Uhr
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