Maysiedlung, Hafen Offenbach, Hotel Lindley Darum sind Frankfurt und Offenbach zu Recht "World Design Capital"
Frankfurt gilt als Metropole der Banken und des Geldes. Mit Offenbach verbindet man Lederwaren und eine Innenstadt mit wenig Charme. Aber Design? Architekten und andere Kreative versuchen mit einem Festival und Führungen zu beweisen, dass der Titel Designhauptstadt berechtigt ist.
Mit dem Slogan "Design for Democracy. Atmospheres for a better life" hatte sich die Rhein-Main-Region um den Titel "World Design Capital" beworben und im September den Zuschlag bekommen. In Frankfurt und Offenbach hat Design eine lange Tradition und ist schon früh groß gedacht worden.
Dass ihre Region den Titel geholt hat, freut Architektin Anna Scheuermann und Grafikdesigner Felix Kosok. Beide wollen das Thema Design auch in der breiten Bevölkerung vorwärtsbringen. So engagieren sie sich beim Festival "Into Design" für ästhetisches Stadtleben, das drei Tage lang Touren zu Design-Highlights mit Kreativschaffenden der Region anbietet. Anna Scheuermann und Felix Kosok haben klare Favoriten.
Ernst May-Siedlungen – Gesellschaft architektonisch verändern
Zwischen 1925 und 30 setzten der Architekt und Stadtplaner Ernst May und viele seiner Mitstreiter ihre Vorstellungen vom sogenannten Neuen Frankfurt um: Moderne Familien-Wohnungen mit einer pragmatischen Küche und einem Garten zu erschwinglichen Preisen. Licht, Luft und Raum sollte für die Frankfurter Bevölkerung geschaffen werden.
Insgesamt wurden so 15.000 Wohnungen gebaut, unter anderem mit namhaften Architekten wie Walter Gropius. Der Kommunikations- und Grafikdesigner Felix Kosok ist in einer solchen Wohnung aufgewachsen. "Dass diese Wohnungen besondere Design-Highlights der Region sind, habe ich damals nicht verstanden." Heute sehe er das anders. "Das ist natürlich ein tolles Projekt, dass man in Frankfurt versucht hat, wirklich in allen Bereichen der Gestaltung Gesellschaft neu zu definieren. Durch Design, durch Architektur."
Offenbacher Hafen fördert Gemeinschaft
Diese Idee, das Leben mit Design zu erleichtern und das Miteinander zu fördern, ist Stadtplanern auch heute noch ein Anliegen, weiß Architektin Anna Scheuermann. Ihr bestes Beispiel: der Hafen in Offenbach, wo aus einem ehemaligen Industriegebiet ein buntes Wohnviertel geworden sei. "Das ist nicht nur zum Wohnen da, sondern bietet auch noch viele attraktive Orte am Wasser, auch um sich dort zu begegnen."
Lindley Hotel – WG-Feeling und Nachhaltigkeit
Auch einzelne Gebäude in Frankfurt verkörpern diesen Spirit der Gemeinschaft. Zum Beispiel das Lindley Hotel am Osthafen, findet Felix Kosok. "Das ist ein besonderes Design-Highlight der Stadt Frankfurt." Es gibt zum Beispiel eine Gemeinschaftsküche, die Zimmer sind individuell gestaltet, haben sogar handgefertigte Möbel und zeitgenössische Kunst an den Wänden.
Die Idee der Gemeinschaft und der Nachhaltigkeit ziehe sich durch das Design des ganzen Hauses. "Das Lindley ist wirklich vom Türknauf bis zum Gewächshaus für Kräuter und der Gemeinschaftsküche von oben bis unten aufeinander abgestimmt."
Rathaus in Offenbach – Betonbrutalismus als Statement
Ein Designhighlight der völlig anderen Art ist für Felix Kosok dagegen das Rathaus in Offenbach. Auch wenn der Brutalismus in der Architektur nicht jedermanns Sache sei, das Design passe zur Stadt Offenbach. "Weil der Bau eben kein so typisch deutsches Bild der Stadt vorgibt, sondern erst mal irgendwie so super funktional daherkommt." Das Rathaus diene bewusst nicht als repräsentatives Symbol. Da brauche Offenbach auch nicht. "Dieses brutalistische Rathaus steht da mittendrin in dem Kulturmix wie ein Pfeiler."
Kunsthandwerk – Tradition und Zeitgeist
Besonderes Design bieten Frankfurt und Offenbach natürlich auch im Kleinen. Bei Gebrauchsgegenständen zum Beispiel, betont Anna Scheuermann. Das Offenbacher Traditionshandwerk Lederwaren werde im Moment ordentlich abgestaubt und bekomme zeitgemäße Fashion-Trends verpasst. Nicht nur in Offenbach, sondern auch in Frankfurt tun sich dafür junge Designer zusammen und bringen ihre Ideen von originellen Taschenformen und praktischen Extras ein.
Auch die Tradition des Schriftsatzes blüht in Offenbach und Frankfurt neu auf: Durch die Hochschule für Design, dem Klingspor Museum und kleinen Letterpress-Läden experimentieren immer mehr Künstler und Künstlerinnen, aber auch Privatpersonen mit handgesetzten Bleilettern, manuellen Druckerpressen und Farbauftrag.
Und möglicherweise hat die traditionsreiche Porzellanherstellung im Frankfurter Stadtteil Höchst auch noch einen weiteren Design-Trend ausgelöst, meint Anna Scheuermann. "Auf dem Gebiet der Keramik haben sich viele kleine Labels selbstständig gemacht." Und diese Tassen, Schüsseln und Teller überzeugten ganze Restaurantketten mit ihrer filigranen und kreativen Gestaltung.
Sendung: hr2, 23.11.2023, 07.10 Uhr
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