Debatte um Roger-Waters-Konzert Wie umgehen mit der Geschichte der Frankfurter Festhalle?

Am Sonntag wird Ex-Pink Floyd-Musiker Roger Waters in der Frankfurter Festhalle auftreten. Kritiker finden das angesichts der Antisemitismus-Vorwürfe gegen Waters unangemessen. Sie verweisen auf die Geschichte der Festhalle und ihre Rolle in der Reichspogromnacht.

Festhalle Frankfurt von außen
Die Frankfurter Festhalle ist regelmäßig Ort für große Veranstaltungen. Bild © Imago Images
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Für viele Menschen ist ein Besuch der Frankfurter Festhalle ein Event, auf das sie sich schon wochenlang freuen. Zum Beispiel, wenn hier internationale Stars auftreten wie Robbie Williams oder demnächst Iron Maiden. Trotz der manchmal unterirdischen Akustik – die Festhalle ist einer der beliebtesten Veranstaltungsorte Frankfurts.

Umstrittenes Waters-Konzert

Doch nun steht ein Konzert bevor, über das im Vorfeld heftig gestritten wurde: Der ehemalige Pink Floyd-Musiker Roger Waters wird am Pfingstsonntag in der Festhalle im Rahmen seiner "This is not a drill"-Tour auftreten.

Kritiker werfen dem 79-Jährigen Antisemitismus vor, unter anderem wegen seiner Unterstützung der BDS-Bewegung. Dass ein mutmaßlicher Antisemit ausgerechnet in der Festhalle auftreten darf - für sie ein Affront.

Entwürdigende Szenen während des Novemberpogroms

Denn 1938 wurden während des Novemberpogroms über 3.000 jüdische Männer in das Gebäude verschleppt und von dort aus in Konzentrationslager deportiert. Heike Drummer ist Kuratorin für Zeitgeschichte beim Jüdischen Museum Frankfurt und hat Berichte von Zeitzeugen ausgewertet.

"Sie sind mit Bussen in die Festhalle gebracht und lächerlich gemacht worden. Sie mussten stundenlang auf dem Boden herumkriechen, sind teilweise ohnmächtig geworden oder mussten sich übergeben. Das Erbrochene wurde mit ihren Kleidern aufgewischt und sogar mit ihren Bärten", weiß Drummer.

Danach habe man die Männer mit Bussen an den Südbahnhof gebracht, wo die Züge nach Buchenwald und Dachau bereitstanden. Heute erinnert eine Gedenktafel an der Festhalle an das schreckliche Ereignis.

Geschmacklos, aber nicht justiziabel

Angesichts dieser Episode sei es unzumutbar, die Festhalle an "einen der reichweitenstärksten Antisemiten der Welt" zu vermieten, hatten das Land Hessen und die Stadt Frankfurt als Gesellschafter der Messe vor Gericht argumentiert. Sie wollten den Vertrag mit Waters kündigen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt entschied dagegen: Waters' Auftreten und seine Bühnenshow seien möglicherweise geschmacklos, aber nicht justiziabel. Die Nutzungsbedingungen der Festhalle ließen kein Verbot zu, so die Richter. Bleibt also die Frage, ob und wie die Politik die Würde des Ortes schützen kann.

Nicht das Gebäude schuldig, sondern die Menschen

Wolfgang Voigt, ehemals beim Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt und freier Architekturhistoriker, hat sich mit der Frage befasst, ob Gebäude überhaupt schuldig sein können. Er möchte sich zum Roger Waters-Konzert nicht direkt äußern, sagt aber generell: "Gebäude sind nie schuld. Es sind immer die Menschen, die etwas gemacht haben."

Historische Ansicht der Festhalle
Die Festhalle Frankfurt um 1936. Bild © Friedrich Lauffer/Historisches Museum Frankfurt (Ph11572)

Trotzdem gebe es die Vorstellung, dass Gebäude immer eine Botschaft aussendeten, gerade im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus, so Voigt. "Aber dass diese Botschaft immer dieselbe bleibt, da habe ich meine Zweifel."

Feste Rolle der Festhalle im Frankfurter Wirtschaftsleben

Auch Volker Eichler hat darüber nachgedacht, wie man mit Gebäuden mit einer speziellen Geschichte umgeht. Er ist im Vorstand der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen. "Man sollte Gebäude so nutzen, wie sie nutzbar sind", sagt er.  "Aber wenn sie eine Rolle gespielt haben bei der Verfolgung, dann verdient das in jedem Fall einen gewissen Respekt."

Bei der Festhalle sei es schwierig, weil sie zwar 1938 als Gefängnis und zur Demütigung der dort zusammengepferchten Juden missbraucht worden sei, aber ansonsten im Frankfurter Wirtschaftsleben eine Rolle gespielt habe und weiterhin spiele.

Jüdische Gemeinde fordert Widmungszweck für die Festhalle

Bisher gibt es keine Kriterien, was an diesem Ort angemessen ist und was nicht. Michaela Fuhrmann von der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sagt, man wolle einen Widmungszweck für die Festhalle erarbeiten, welcher der Geschichte mehr Rechnung trage. Erste Gespräche hätten schon stattgefunden.

Auch die Frankfurter Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) fordert, eine Art neue Nutzungsauflage zu erarbeiten, "um künftig einen würdigen Umgang mit dem historischen Ort sicherzustellen", wie Kolja Huth von der DIG sagt.

Porträtaufnahme
Heike Drummer hat sich mit der Geschichte der Festhalle beschäftigt. Bild © Norbert Miguletz

Stadt und Land teilten mit, sie würden als Gesellschafter "die Möglichkeiten prüfen, die Richtlinien zur Vergabe der Festhalle als Veranstaltungsort zu überarbeiten, um die besondere Geschichte der Festhalle im Zusammenhang mit der Verschleppung und späteren Ermordung von rund 3.000 jüdischen Männern angemessen zu berücksichtigen."

Heike Drummer vom Jüdischen Museum Frankfurt meint, das Konzert von Roger Waters sei ein guter Anlass, darüber nachzudenken, welche Veranstaltungen künftig in der Festhalle stattfinden. "Dieser Ort ist in der Geschichte Frankfurts mit dem Novemberpogrom verbunden und das sollte uns Anlass genug sein, darüber nachzudenken, was wir hier hören und sehen wollen in Zukunft."

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Die Geschichte der Festhalle

Die Frankfurter Festhalle ist über hundert Jahre alt. 1909 eröffnete Kaiser Wilhelm II. die Eisenkonstruktion mit ihrem charakteristischen Kuppelbau mit einem Sängerwettstreit feierlich, noch im gleichen Jahr strömten eineinhalb Millionen Besucher zur Internationalen Luftschiff-Fahrt-Ausstellung.

Eigentlich sollte die Festhalle ein noch größeres Ensemble werden, die Stadt war aber hoch verschuldet, sodass der Münchner Architekt Friedrich von Thiersch seine Pläne für einen Turm auf dem Gelände nicht vollenden konnte. Stattdessen entstanden nach und nach praktische Bauten um das Kerngebäude herum.

Während der Weltkriege wurde die Halle immer wieder zweckentfremdet, als Soldatenquartier oder Munitionslager. Das Nazi-Regime nutzte sie für Großkundgebungen, 1930 trat zum ersten Mal Adolf Hitler dort auf. 1940 wurde sie bei Luftangriffen beschädigt und brannte aus. 1950 wurde sie wieder aufgebaut. Seither ist sie Ort für Messen, Konzerte und Sportveranstaltungen.

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Sendung: hr-iNFO, 26.05.2023, 8.15 Uhr

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Quelle: Alexandra Müller-Schmieg, hessenschau.de