Deutschlandstipendium vergeben Süd-Nord-Gefälle bei Kunst-Stipendien
In Offenbach erhalten 45 Kunst- und Designstudierende ein Deutschlandstipendium, in Kassel sind es dieses Jahr nur zwei. Warum Förderung im Kunststudium besonders wichtig ist – und warum die Kunsthochschule Kassel damit ein Problem hat.
Jasper Bamberger hatte Glück: Gleich zwei Mal hat er während seines Bildhauerei-Studiums an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung (HfG) das Deutschlandstipendium erhalten - so wie heute (Donnerstag) wieder 45 seiner Mitstudierenden.
Als Corona kam, sei das "ein echter Lifesaver" gewesen, erzählt er. Da hatte er gerade den Mietvertrag für sein erstes eigenes Atelier unterschrieben.
Zwei seiner Mitmieter mussten abspringen, weil sie ihre Jobs in der Pandemie verloren und keine Miete mehr zahlen konnten. Durch sein Stipendium hatte er 300 Euro zusätzlich im Monat, von denen er die Miete bezahlen konnte. "Ich weiß nicht, ob danach alles so gelaufen wäre, wenn ich in diesem Moment nicht dieses Glück gehabt hätte."
300 Euro für ein Experiment mit Silikon
Der 28-Jährige kann sein Leben zwar weder durch sein Stipendium noch durch seine Kunstverkäufe finanzieren – das ganze Studium über hat er BAföG bekommen und nebenbei gearbeitet – aber er genießt die Freiheit, die ihm das zusätzliche Stipendium bietet.
Denn im Kunststudium können viele zusätzliche Kosten entstehen, zum Beispiel, um einen Atelierraum anzumieten. Viele Leute könnten sich kein Atelier leisten und arbeiteten in ihren WG-Zimmern, weiß Bamberger: "Und denen fällt die Decke auf den Kopf, weil sich die Keilrahmen unterm Bett stapeln."
Außerdem gehe es im Kunststudium viel ums Ausprobieren, und auch das kann viel Geld kosten: "Ich konnte einfach losfahren in den Baumarkt und für 300 Euro Silikon kaufen – ohne die Sorge, dass vielleicht nichts daraus wird."
"Stipendien sind Freiräume"
Freiräume seien für die Kunststudierenden besonders wichtig, sagt auch Eva Claudia Scholtz. Nur so könnten Reflexion und Selbstbewusstsein gefördert werden – Voraussetzungen für gute Kunst.
Die Geschäftsführerin der Hessischen Kulturstiftung fördert in ihrem Stipendienprogramm Künstlerinnen und Künstler, die ihr Studium schon abgeschlossen haben. Prominente Beispiele für den Erfolg des Programms sind die Künstlerinnen Anne Imhof, Zuzanna Czebatul oder Haegue Yang, die als ehemalige Absolventin inzwischen Professorin an der Städelschule ist.
Mangelnde Anerkennung
Bei der Auswertung ihrer Bewerbungen ist ihr aufgefallen, dass besonders wenige mit einem Abschluss von der Kunsthochschule der Universität Kassel kommen.
Scholtz' Einschätzung: Den Absolventen fehle ein routiniert-selbstsicheres Auftreten und das hängt ihrer Meinung nach auch mit einem Mangel an Förderung während des Studiums zusammen. Ein Stipendium bedeute schließlich auch Anerkennung.
"Ich würde mir das so wünschen, dass sich ein paar Menschen zusammentun und Stipendien für die Kunsthochschule Kassel ermöglichen", sagt Scholtz. "Die Hochschule hat Tradition und macht gute Arbeit". Dabei gehe es noch nicht mal um große Summen.
Kasseler Kunststudierende erhalten weniger Förderung
Tatsächlich ist es für Studierende an der Kunsthochschule der Universität Kassel besonders schwierig an Förderung zu kommen. Im Vergleich zu den 45 Kunst- und Designstudierenden, die am Donnerstag (7. November) in Offenbach das Deutschlandstipendium erhalten, sind es an der Kunsthochschule der Universität Kassel nur zwei.
Wie an der HfG in Offenbach gibt es zwar eine Förderung für Abschlussarbeiten, aber in den letzten Jahren seien einige Stipendien und Förderungen weggefallen, z.B. von der Otto-Braun-Stiftung oder vom Rotary Club, heißt es von der Kunsthochschule Kassel.
Insgesamt ging damit eine Förderung von 20.000 Euro verloren, die direkt an die Absolventen ausgezahlt wurde.
Keine Förderer für Förderverein
Schwierig sei es für die Kunsthochschule auch, einen Förderverein ins Leben zu rufen. "Dafür braucht es tatkräftige und finanzstarke Unterstützung von Privatpersonen und Institutionen in Kassel und darüber hinaus", teilt die Hochschule auf Anfrage mit.
Und die fehlt, gerade im Vergleich zu den südhessischen Kunstschulen, der HfG in Offenbach und der Städelschule in Frankfurt, die von allen dreien am besten ausgestattet ist.
"Junge Menschen auf ihrem Weg begleiten"
Entscheidend hierfür seien das wirtschaftliche Umfeld und die Freude an der Unterstützung für Kunst und Kultur, sagt Eva Claudia Scholtz: "Es hängt davon ab, ob sich Menschen oder auch Wirtschaftsunternehmen finden lassen, die ein Interesse daran haben, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten."
In Nordhessen, so scheint es ihr, sei das eher schwierig.