Von der Millionenstadt aufs Land Diese Nachwuchsautorin findet ihre Inspiration in Wolfhagen

Auf dem Land zu leben, ist nicht für jeden etwas. Doch die Jungautorin Lina Thiede schöpft genau daraus jede Menge Ideen. Im Moment ermöglicht ihr ein Stipendium eine Kreativzeit in Nordhessen - die bereits Früchte trägt.

Lina Thiede
Lina Thiede vor dem Fachwerkhaus, in dem sie in Wolfhagen wohnt. Bild © hr/Sina Philipps
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Raus aus der Anonymität der Millionenstadt Köln, rein in die Heimeligkeit der Kleinstadt Wolfhagen (Kassel). Seit Anfang Oktober lebt die junge Autorin Lina Thiede in einem alten Fachwerkhaus nahe der Wolfhager Innenstadt. "Das ist perfekt hier, ich habe schon lange nicht mehr so viel geschrieben", sagt die 25-Jährige.

Noch bis Ende November wird Thiede in der 14.000-Einwohner-Stadt leben und sich kreativ entfalten. Ermöglicht wird ihr das durch ein Stipendium des Hessischen Literaturrats. Jedes Jahr erhalten drei vielversprechende Autoren die Möglichkeit, sich zwei Monate lang auf ihr Schreiben zu konzentrieren und sich mit der Kultur vor Ort zu beschäftigen. Voraussetzungen sind zum Beispiel Volljährigkeit, ein Bezug zu Hessen und dass es bereits mindestens eine Publikation gibt, die sich mit Hessen beschäftigt.

Das mit 5.000 Euro dotierte Stipendium gibt es seit 2017 und wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert. Es ist Teil des Programms "Land in Sicht – Autorenresidenzen im Ländlichen Raum".

Alleine auf über 100 Quadratmetern

Ursprünglich kommt Lina Thiede aus Gießen. Für ihren Master in Theorien und Praktiken professionellen Schreibens ist sie nach Köln gezogen. In diesem Jahr hat sie bereits zum zweiten Mal den hr2-Literaturpreis gewonnen. Ausgezeichnet wurde ihre Geschichte "Vier Damen". Das ist nur ein Preis von vielen, Thiede war bereits mehrfach unter den Preisträgern des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen. Doch für sie ist es das erste Stipendium, vom Schreiben kann sie (noch) nicht leben.

Nun wohnt sie seit kurzem in Wolfhagen. Das Haus sei ihr zunächst so groß erschienen, erinnert sie sich. In Köln habe sie zusammen mit ihrem Freund in einer 56 qm großen Wohnung gelebt. Das Fachwerkhaus in Wolfhagen bietet mindestens die doppelte Wohnfläche - für sie allein.

Es habe sich zu Beginn leer angefühlt, aber das habe sich verändert: "Seit ich viel schreibe, füllt es sich. Seitdem hier viele Gedanken herumschwirren, geht es", schildert Thiede. Das Haus inspiriere sie: "Es ist wie so eine kleine andere Welt, die man betritt, da ist es nicht so schwierig, zu schreiben."

Lina Thiede
Im Lesezimmer verbringt Lina Thiede die meiste Zeit. Bild © hr/Sina Philipps

Stadt und Landkreis profitieren von Autorenresidenz

Normalerweise werde das Gebäude als Ferienhaus vermietet, sagt Harald Kühlborn. Der Sprecher des Landkreis Kassel erklärt, dass sie als Autorenresidenz ein Haus gesucht hätten, das zentral in Wolfhagen liegt. Da sei das Haus aus dem 17. Jahrhundert wie gerufen gekommen.

Generell sei es schön, Standort für das Stipendienprogramm zu sein. "Für uns ist das eine tolle Gelegenheit, auch mal eine kulturelle Sparte, die im ländlichen Raum nicht so häufig vertreten ist und den kreativen Prozess selbst in so einen Ort wie Wolfhagen zu holen", betont Kühlborn.

Bei Agentur unter Vertrag

Die zentrale Lage des Hauses solle es Thiede ermöglichen, sich gut in ihre Umgebung einzufinden. Und das funktioniere, bestätigt die Autorin. Sie habe sich bereits mit der Buchhändlerin zu einem Tee getroffen. Außerdem sei sie spontan bei einem Stricknachmittag gewesen, erzählt sie: "Es war so unglaublich nett. Der Stricknachmittag wird auch demnächst in einem Text verarbeitet."

Während ihrer ersten Zeit in Wolfhagen hat sich schon viel ereignet. Thiede hat inzwischen eine Agentur, bei der sie unter Vertrag steht. Auf der Buchmesse in Frankfurt hat sie eine Lesung gehalten und hofft nun, bald ihr neues Romanprojekt verlegen zu können.

In den kommenden Wochen plant sie außerdem einen Schreibworkshop mit den achten Klassen der Walter-Lübcke-Schule in Wolfhagen. Neben all dem arbeitet sie natürlich auch an neuen Texten. Bereits in den ersten Wochen hat sie zwei Rohfassungen geschrieben, in denen es um Generationenkonflikte und Wissensweitergabe geht.

Oma inspiriert und fördert sie

So kommt ihre Oma auch in einigen ihrer Texte vor. Die Oma begleitet ihr Schreiben schon von klein auf: In ihrem Garten startete Thiede ihre ersten Schreibversuche. Eine klare Vorgabe, was sie jetzt während der zwei Monate schreiben soll, gibt es nicht. Es wird lediglich erwartet, dass sie die Zeit nutzt und schreibt, sich von der Landschaft inspirieren lässt und sich mit Wolfhagen auseinandersetzt.

Das bedeutet gleichzeitig auch Druck für sie: "Ich fühle mich geehrt, dass ich hier sitzen darf. Und man möchte natürlich am Ende etwas abliefern, das zeigt, dass ich die richtige Wahl war."

Ideenkiste Natur

Inspiration finde sie vor allem draußen, sagt sie: "Spazieren ist für mich runter kommen, Ideen sammeln und eine Stimmung finden. Natur ist Erholung, eine Ideenkiste, man muss aber auch rausgehen, um zu spüren, wie es ist, wenn der Wind übers Gesicht weht." Sie genieße den ländlichen Raum und die schöne Umgebung sehr.

Edersee von Brücke Asel Lina Thiede
Bei einem Ausflug zum Edersee hat Lina Thiede dieses Foto von der Brücke Asel aus geschossen. Bild © Lina Thiede

Auf ihren Spaziergängen notiere sie sich Ideen, Situationen und Gefühle. Mit Hilfe von Fotos halte sie besonders schöne Momente fest, um später damit arbeiten zu können. Am liebsten schreibe sie an einem kleinen Tisch im ersten Stock des Hauses. Über was genau sie alles schreibt, wird sich spätestens am Ende ihres Aufenthalts in Wolfhagen zeigen, denn am 25. November hält Thiede dort eine Abschlusslesung in einer Buchhandlung.

Weitere Informationen

Sendung: hr2, 21.10.2022, 08.11 Uhr

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Quelle: hessenschau.de