400.000 Euro vom Bund Alte ESOC-Bodenstation im Odenwald wird zum Museum

30 Jahre wurden in Michelstadt Daten aus dem Weltraum verarbeitet und Satellitenbilder empfangen. Seit 2008 steht die ehemalige ESOC-Station leer. Jetzt soll ein kultureller Erinnerungs- und Lernort daraus werden.

Das Bild zeigt die leerstehende ehemalige ESOC-Bodenstation in Michelstadt: eine große leere Halle mit Graffiti an den Wänden. Auf dem Boden liegen Müll und zurückgelassene Kartons.
Die ehemalige Bodenstation ist seit dem Rückzug der ESOC aus Michelstadt verlassen. Bild © Max Kleemann (hr)
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An den Wänden der Halle befinden sich Schmierereien. Auf dem Boden liegt alter Elektroschrott, in der Ecke türmen sich Metallrahmen. Und mitten im Raum: ein Stahlgehäuse.

Architektin Kerstin Schultz vermutet, dass sich darin die großen Server des europäischen Raumflugkontrollzentrums (ESOC) befunden haben. "Es ist wie eine Art Abschirmung gegen die Außenwelt, um störungsfrei zu arbeiten. So lässt sich auch das ganze Gebäude verstehen", sagt Schultz.  

Ein einzigartiges Artefakt

Die alte Bodenstation der ESOC schlummert in einem kleinen Tal zwischen Michelstadt-Rehbach und Bad-König-Zell (Odenwald). 1975 entstand hier die europaweit erst zweite Bodenstation der Europäischen Weltraumagentur (ESA), die durch das europäische Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt gesteuert wurde.

Ihre Aufgabe war es, geostationäre Satelliten der ESA zu kontrollieren und zu beobachten. An elf Satellitenmissionen war die Bodenstation beteiligt, auch die ESA-Mission "Hipparcos" wurde in Michelstadt mitkontrolliert: die erste Weltraummission, die die Entfernungen, Bewegungen und Helligkeiten von Sternen vermaß.

Das Bild zeigt vier eingescannte Bilder der ehemaligen ESOC-Bodenstation in Michelstadt. Darauf zu sehen sind mehrere Parabolantennen sowie das Gebäude aus der Vogelperspektive.
Aufnahmen aus der Zeit, in der die ESOC-Bodenstation noch Satellitenmissionen kontrollierte. Bild © privat

Doch als das Stationennetz europaweit ausgebaut wurde, verlor die Bodenstation ihre Pionierrolle und Relevanz. Nach und nach wurden drei der vier großen Antennen abgebaut. Zum 1. Januar 2002 verließ die ESOC schließlich die Bodenstation. Das Büro der "Nachrichtentechnischen Systementwicklungsgesellschaft" (NTS) blieb noch sechs weitere Jahre, bevor das Gelände endgültig geräumt wurde.

Einst Pionier der europäischen Raumfahrt

Die 15 Meter hohe Parabolantenne, die aus der 50 Hektar weiten Wiesen- und Feld-Landschaft in die Höhe ragt, erinnert heute noch an die Arbeit der Bodenstation. Von der damaligen Technik zur Weltraum-Überwachung ist nichts mehr übrig. Bis 2019 befanden sich zurückgelassene Computer und Akten von NTS in den Räumen der Bodenstation, mittlerweile wurde der alte Schrott entfernt.

Das Bild zeigt eine große Satellitenschüssel auf dem Gelände der ehemaligen ESOC-Bodenstation in Michelstadt.
Die Parabolantenne erinnert noch heute an die Arbeit der Bodenstation. Bild © Max Kleemann (hr)

Für Kerstin Schultz, die auch Vorsitzende des Naturschutzzentrum Odenwald (NZO) ist, ist die Bodenstation ein beeindruckendes und in der Region einzigartiges Artefakt. "Diese Technik mitten in der Landschaft war mal ein Kontrast", sagt sie. Mittlerweile habe sich eine Symbiose entwickelt. "Die Natur hat die Station überwuchert, dadurch ist ein spannendes Miteinander entstanden."

Fördermittel aus Denkmalschutz-Programm

Tatsächlich sind die Antenne und das angrenzende Gebäude seit Jahren baufällig und von Vandalismus gezeichnet. Inzwischen ist das ganze Gelände abgesperrt und videoüberwacht. Seit 2023 gilt es als Industriedenkmal und steht unter Denkmalschutz.

Das Bild zeigt die leerstehende ehemalige ESOC-Bodenstation in Michelstadt, noch ungezeichnet von Vandalismus. 2019 befand sich sogar noch zurückgelassene Technik der Firma "NTS" in der Bodenstation: Im Hintergrund ist unter anderem ein Computer zu sehen.
2019 befand sich in den Räumlichkeiten noch zurückgelassene Technik. Bild © Lostplacepictures

Im Juli wurde bekannt, dass die ESOC-Bodenstation 400.000 Euro aus einem Denkmalschutz-Sonderprogramm des Bundes erhält. Mit dem Geld will das Architekturbüro von Kerstin Schultz das Gelände mit Rücksicht auf die Natur sanieren und neu zum Leben erwecken.

Bis 2028 soll aus dem ehemaligen Kontrollzentrum ein kultureller Begegnungsort und ein Ausflugshighlight werden. Bereits im nächsten Jahr sollen die Dächer und Fassaden des Gebäudes saniert werden. Das Gelände bleibt während der Arbeiten videoüberwacht.

Das Ziel: ein Begegnungsort für Jung und Alt

Auf den rund 650 Quadratmetern des Gebäudes sollen demnach Seminar-, Forschungs- und Ausstellungsräume entstehen, die Technik mit Natur und Umweltschutz verbinden. Die Antenne soll als Artefakt erhalten bleiben. "Das Kulturdenkmal bietet die Chance, einen attraktiven Ort der Identität, des Authentischen und der Baukultur mit den Bedarfen der heutigen Stadt- und Landgesellschaft zu verbinden", so Schultz.

Das Bild zeigt eine Skizze, wie das Museum in der ehemaligen ESCO-Bodenstation aussehen soll. Zu sehen sind Menschen, die links am Bildrand einen Weg entlang gehen. In der Mitte des Bildes ist Parabolantenne abgebildet, rechts davon ein Gebäude, das aus zwei länglichen Gebäuden im Bungalow-Stil besteht und einem rechteckigen Turm.
So könnte das Kulturzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Bodenstation aussehen. Bild © Liquid Architekten

Neben Ausstellungstafeln, Filmen oder Workshops stellt sich die Architektin ein Tagescafé in dem noch leerstehenden Servergehäuse vor. "Kinder können kartieren lernen, wie man eine Wetterinformation auf einen geografischen Ort projiziert oder Klimadetektive spielen", sagt sie. "Und der Weltraum liefert uns dabei die Daten und Prognosen."

Die große Parabolantenne strahle aus – sie sende aber auch, findet Schultz. "Und diese Energie, das Verlangen der Menschheit, Kontakt mit dem Weltall aufzunehmen, spürt man hier vor Ort." In Michelstadt könne man auch beim Blick in die Vergangenheit von der Zukunft träumen.

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Redaktion: Anna Lisa Lüft

Sendung: hr2, 09.08.2024, 7.20 Uhr

Quelle: hessenschau.de