Ehrenamtliches Engagement Bürger retten ihre Büchereien

Wenn es darum geht, Geld zu sparen, schließen Gemeinden ihre Büchereien gerne als Erstes. In Ranstadt und Egelsbach haben Bürger ihre Büchereien durch Ehrenamtsarbeit gerettet - sie sind jetzt schöner als je zuvor.

Mann steht neben einem Bücherregal
Der Literaturwissenschaftler Steffen Wallach hat die Bücherei in Egelsbach wiederbelebt. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr
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Die Gemeindebücherei in Egelsbach (Offenbach) liegt mitten im Ortszentrum in einem Backsteinbau von 1909. Die schwere Holztür der ehemaligen Wilhelm-Leuschner-Schule steht weit offen.

Es gibt mehr als 13.000 Bücher und Hörbücher zur Ausleihe und ein gemütliches Café mit selbstgebackenem Kuchen. Dort treffen sich Jugendliche zum Hausaufgaben-Machen.

Blick aus der Froschperspektive, im Vordergrund Narzissen.
Die Bücherei liegt im Zentrum von Egelsbach. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr

Heimeliges Ambiente in Egelsbach 

Das war nicht immer so. Die Bürger von Egelsbach haben für ihre Bücherei gekämpft, als die Gemeinde das Haus 2012 kurzerhand aufgrund zu hoher Kosten schloss.

Die Bürgerinitiative "Freunde der Gemeindebücherei" legte daraufhin ein Konzept für eine neue Ausrichtung der Bücherei auf den Tisch. Weniger, dafür gut ausgewählte Bücher, ein schönes Café und vor allem ein "warmes Ambiente".  

Kulturstandort und Begegnungsort 

So beschreibt Steffen Wallach den Plan. Er hält mittlerweile die Gesamtorganisation der Gemeindebücherei in den Händen. "Heute arbeiten hier regelmäßig mehr als 40 Menschen – alle zu 100 Prozent ehrenamtlich", sagt der Literaturwissenschaftler, der selbst auch Lesungen hier hält.  

"Wir hatten das Glück, dass die richtigen Leute mitmachen wollten", sagt Wallach. In diesem Jahr feiert die Bücherei ihr zehnjähriges Bestehen. "Das ist für uns ein Zeichen, dass alles gut gelaufen ist und so weitergehen kann." Das Projekt ist mittlerweile ausgezeichnet worden, man schmückt sich mit dem Deutschen Bürgerpreis.  

Bücherregale, an einem hängen Luftballons mit der Zahl 10.
Die Bücherei Egelsbach feierte gerade den 10. Geburtstag. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr

"Kulturstandort" nennt Wallach die Bücherei formell. Wichtiger ist ihm, hier in den vergangenen zehn Jahren einen Begegnungsort geschaffen zu haben: "Hier kann man sich echt wohlfühlen. Die alte Schule hat gleich so einen gewissen nostalgischen Charme."

700 Erwachsene besitzen mittlerweile einen Leseausweis, 500 Kinder und Jugendliche sind als Lesende registriert. Und: Die Bücherei ist immerhin an vier Tagen in der Woche ist geöffnet.  

Zeichnung "Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad"
Ein Buchcover von Bettina Nutz als Wandtattoo in der Bücherei Egelsbach. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr

Während die Politik in vielen deutschen Städten die Finanzierung der Gemeindebüchereien streicht, gibt es gerade im ländlichen Bereich eine große Initiative, um dem stillen, von der Öffentlichkeit oft unbemerkten Bibliothekensterben entgegenzuwirken.

Kleines Bildungsunternehmen in Ranstadt 

In der kleinen Kommune Ranstadt (Wetterau) ist die Bücherei 2022 in den Neubau des Bildungs-, Begegnungs- und Brandschutzzentrums eingezogen. Sie liegt in einem lichtdurchfluteten modernen Raum besonders günstig im Erdgeschoss. Offene Fenster und Türen ziehen das Publikum auf der neuen Piazza des Zentrums direkt in die Bücherstube.

13 Frauen betreiben sie ehrenamtlich wie ein kleines Bildungsunternehmen. Unter ihnen: die 84-jährige Renate Wahl. Sie nennt sich selbst "Mädchen für alles" und weiß: Hier muss man auf die Menschen zugehen, sie direkt ansprechen.

Zwei Frauen am Empfang der Bücherei
Ehrenamtliche sorgen dafür, dass die Bücherei in Ranstadt dreimal in der Woche geöffnet werden kann. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr

"Das Miteinander, das Soziale, ist ein ganz wichtiger Punkt", sagt Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel (SPD). Aber noch dringender ist der Bürgermeisterin zu betonen, welche wichtige Rolle die Bücherei im Bildungsplan der Hessischen Landesregierung spiele. Das ist eine Herkulesaufgabe, die zu 80 Prozent die Kommunen allein stemmen müssten.

Ständig im Austausch 

In diese Lücke springen die Frauen der Bücherei "Lesezeit" und leisten Arbeit, zu der eigentlich der Staat verpflichtet ist. Drei Mal in der Woche ist die Bücherei geöffnet, der Bestand umfasst 2.700 Bücher. Die Lektüre ist neu und aktuell.  

Das Bücherei-Team steht im ständigen Austausch mit seinen Leserinnen über Buch-Wunschlisten. Man kann persönliche Buch-Bestellungen aufgeben, die bei den monatlichen Neuanschaffungen berücksichtigt werden.  

Regelmäßige Bildungsarbeit 

Das Augenmerk der Bücherei liegt hier klar auf dem Buch und auf Hörspielen für Kinder, den so genannten Tonies, die derzeit besonders beliebt sind. Wer will, kann gleich vor Ort in einer der gemütlichen Leseecken lesen.

Regal mit bunten Kinder-Figuren
Die Hörspiele für Kinder sind besonders gefragt in der Bücherei in Ranstadt. Bild © Natascha Pflaumbaum/hr

Wöchentlich Krimi-Lesungen für Erwachsene, eigene Nachmittage für Kinder: Die Frauen des Ranstädter Bücherei-Teams engagieren sich jährlich hunderte von Stunden.

Es gibt Kooperationen mit Kindergärten und Schulen, regelmäßig einmal pro Woche kommen die Vorschulkinder der Kitas der Gemeinde zu Besuch. Das ist Leseförderung an der Basis. Eigentlich eine Pflichtaufgabe des Staates, die hier Ehrenamtliche übernehmen - weil sie es wollen, nicht weil sie müssen.  

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, Kultur, 30.03.2024, 18.30 Uhr

Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

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Quelle: hessenschau.de