Auch dämliche Witze sind von der Kunstfreiheit gedeckt
Der Komiker Luke Mockridge hat in einem Podcast Witze über die Paralympics gerissen, die für viele Menschen verletzend sind. Die Gastgeber, Nizar Akremi und Shayan Garcia, haben mitgescherzt. Sollte ihr Podcast deswegen abgesetzt werden?
Seine Witze über Menschen mit Behinderungen haben Folgen für den Komiker Luke Mockridge: Seine geplante neue Fernsehsendung wurde gestrichen, Auftritte reihenweise abgesagt - auch die von seinem Komiker-Kollegen Nizar Akremi, in dessen Podcast Mockridge zu Gast war.
Und jetzt? Bedauern oder Entschuldigungen? Nicht bei Nizar und seinem Wiesbadener Co-Host Shayan Garcia. Die holen am Mittwoch in einem Video zum Gegenschlag aus: "Wir werden uns bei der Cancel Culture niemals entschuldigen." Kernaussage: Der Humor in ihrem Podcast "Die Deutschen" muss nicht jedem gefallen.
Die Reaktionen, vor allem im Internet, seien maßlos. Die beiden sehen hier einen vielleicht misslungenen Witz, gegen sie habe sich aber ein Mob formiert, der nicht nur seinem Hass gegen die Komiker freien Lauf lässt, sondern dazu auffordert, ihre Existenz zu zerstören.
Haben Nizar und Shayan einen Punkt?
Ich lasse jetzt mal meinen Geschmack und persönlichen Humor völlig beiseite und frage mich: Haben sie einen Punkt? Die Antwort ist: Ja, haben sie. Ihr Podcast und ihre Live-Auftritte bieten ein bewusst hemmungsloses, auch aggressives Scherzen über alles und jeden - oft demonstrativ in dem Bereich, wo es weh tut. Über Frauen und Männer, über Migranten und die eigene Familie, über die Woken und Grünen, und halt auch über alle möglichen Minderheiten. Und immer mit der Ansage - seht ihr, es trifft alle!
Das kann man generell so unlustig und schlimm finden wie vielleicht Mario Barth (der bei Nizar schon öfter grinsend im Publikum gefilmt wurde). Aber verboten ist das nicht. Oder, wie es die beiden in ihrem Video sagen: "Ihr müsst nun mal akzeptieren, dass es Leute gibt, die so etwas feiern, und gegen die könnt ihr nichts machen."
"Macht euch bereit, Woke Bubble"
Wie weit man gehen darf, ist schon beim Hiphop ein Dauerthema. "Sexistisch und diskriminierend" sagen die einen. "Versteht ihr nicht, ist eigentlich nicht so gemeint, gehört dazu", sagen die Fans. Auch bei Nizar und Shayan ist die Provokation Teil der Botschaft.
Sie kündigen den Podcast mit Luke Mockridge so an: "Macht euch bereit, Woke Bubble. Wie es sich für einen Kobold gehört, habe ich eine ganz ekelhafte Seite rausgekitzelt. Ich freue mich auf das Rumgeheule."
Gibt es gar keine Grenzen?
Aber ist das okay? Gibt es gar keine Grenzen? Natürlich gibt es die: Volksverhetzung, Aufstachelung zum Hass gegen Bevölkerungsgruppen. Nizar hat diese Grenze schon mal erreicht, als er über "Juden aus Israel" gescherzt hat, "original mit so Löckchen und Hakennasen".
Aber die schlechten Paralympics-Witze und der Rest des Podcasts fallen kaum darunter, so schmerzhaft sie sein mögen. Die Satirezeitschrift Titanic hat in den 1990ern einen Querschnittsgelähmten satirisch attackiert, der zur Bundeswehr wollte. Die Klage des Betroffenen ging bis zum Bundesverfassungsgericht - wohl, weil er persönlich angegriffen wurde.
Titanic bekam in den 1990ern recht
Dort bekam die Titanic in der Sache Recht: Die Meinungs- und Kunstfreiheit ist eben ein hohes Gut. Sie umfasst auch Äußerungen, bei denen sich vielen Menschen die Haare sträuben.
Die Äußerungen können wir hart kritisieren, wir können uns auch empören - aber die Forderung, die Urheber aus der Öffentlichkeit zu verbannen und ihrer Existenz zu berauben, ist anmaßend. Man kann über Nizar und Shayan denken, was man will - in diesem Punkt haben sie einfach recht.