Wiesbadener Filmbewertungsstelle fürchtet um ihre Zukunft Bald kein "Prädikat wertvoll" mehr für Filme?
"Prädikat wertvoll" - für manche Cineasten ist das ein entscheidendes Kriterium bei ihrer Filmauswahl. Doch die Wiesbadener Institution, die das Gütesiegel vergibt, bangt um ihre Zukunft. Es geht vor allem ums Geld.
Das Prädikat "wertvoll" oder "besonders wertvoll" soll Kinobesuchern und Streamerinnen die Qual der Wahl erleichtern: Wenn ein Film dieses Gütesiegel erhält, dann ist er bei der Stoffauswahl, der Form und der filmischen Gestaltung gut gelungen - zumindest nach Meinung der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).
Die Entscheidung, wer sich mit dem Prädikat schmücken darf, treffen die Mitglieder einer Jury, deren Arbeit von der FBW mit Sitz in Wiesbaden koordiniert wird. Es ist eine Einrichtung mit Behördenstatus, deren Zukunft jetzt - fast 74 Jahre nach Gründung - infrage steht.
Für die Vergabe der Siegel kommt 18 mal im Jahr eine fünfköpfige ehrenamtliche Jury zusammen. Die Bundesländer entsenden dafür insgesamt 85 Expertinnen und Experten in einen Juroren-Pool: Regisseurinnen und Produzenten, Filmverleiher, Filmwissenschaftler und -kritikerinnen, Kinobetreiber und Festivalmacherinnen.
Jeweils fünf von ihnen begutachten die Filme, die von Filmemachern oder Verleihern eingereicht wurden, und entscheiden, ob das Prädikat "wertvoll" oder "besonders wertvoll" vergeben wird.
So arbeitet die Jury
Für die Vergabe der Siegel kommt 18 mal im Jahr eine fünfköpfige ehrenamtliche Jury zusammen. Die Bundesländer entsenden dafür insgesamt 85 Expertinnen und Experten in einen Juroren-Pool: Regisseurinnen und Produzenten, Filmverleiher, Filmwissenschaftler und -kritikerinnen, Kinobetreiber und Festivalmacherinnen.
Jeweils fünf von ihnen begutachten die Filme, die von Filmemachern oder Verleihern eingereicht wurden, und entscheiden, ob das Prädikat "wertvoll" oder "besonders wertvoll" vergeben wird.
"Stiftung Warentest für Filme"
"Uns geht es darum, Filme an ihrem Anspruch zu messen", sagt FBW-Direktorin Bettina Bucheler über die Arbeit ihrer Institution: Das Gütesiegel bekämen Filme mit herausragendem Anspruch und sehr guter Qualität in ihrem jeweiligen Genre, also nicht nur Arthouse-Filme, sondern genauso potentielle Blockbuster.
"Eine Art Stiftung Warentest für Filme" hat die FAZ die Institution genannt. Aktuell kann sich beispielsweise Sönke Wortmanns Komödie "Der Spitzname" mit dem "Prädikat wertvoll" schmücken, ebenso das Coming-of-Age-Drama "Leben ist jetzt - die Real Life Guys".
"Prädikat wertvoll" als Kriterium für Filmförderung
Bisher waren die Prädikate der FBW vor allem im Bereich der staatlichen Filmförderung relevant: Im jetzt auslaufenden Filmförderungsgesetz (FFG) waren sie neben Zuschauerzahlen und Filmpreisen ein Kriterium dafür, ob eine Produktion mit Steuermitteln unterstützt wurde.
Diese direkte Verknüpfung mit den Auszeichnungen der Filmbewertungsstelle ist im neuen Filmfördergesetz der Bundesregierung nicht mehr enthalten - faktisch eine Abwertung der FBW.
Landesbehörde mit sieben Beschäftigten
Sie ist ein Grund dafür, weshalb die FBW nun um ihre Existenz fürchtet. Zwar arbeiten die Mitglieder der Jury alle ehrenamtlich, doch die Filmbewertungsstelle selbst als obere Landesbehörde mit sieben Beschäftigten kostet im Jahr rund 400.000 Euro an Personalkosten.
Diese organisieren nicht nur die jährlich 18 Sichtungswochen für die Jury, sondern kümmern sich auch um medienpädagogische Programme wie die Kurzfilm-Edition mit ausgewählten Filmen und Arbeitsmaterial für Kinder an Kitas und Grundschulen.
Gebühren reichen nicht mehr aus
Finanziert werden soll diese Arbeit eigentlich durch die Gebühren, die Antragsteller bei der Einreichung eines Filmes zahlen müssen - zwischen 200 und 2.000 Euro pro Film. Das hat viele Jahrzehnte auch funktioniert, doch seit 2007 decken die Einnahmen nicht mehr die Kosten, erklärt Direktorin Bucheler.
Das Land Hessen hat seither mehrere 10.000 Euro im Jahr zugeschossen - und will diese Summe jetzt nicht mehr allein tragen. Da es sich um eine länderübergreifende Einrichtung handele, sollten sich auch die Anderen beteiligen, so die Forderung.
Keine Einigung mit anderen Bundesländern
Ein erster Entwurf für eine neue Verwaltungsvereinbarung war im Herbst von der Kulturministerkonferenz abgelehnt worden - obwohl Hessen angeboten habe, bei einer Reform der FBW weiterhin den größten Anteil der notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, wie das Ministerium von Timon Gremmels (SPD) auf hr-Anfrage mitteilte.
Das Land habe daraufhin die bestehende Vereinbarung gekündigt. "Über die Zukunft der FBW werden derzeit Gespräche geführt, insbesondere mit der Direktorin", teilte das Kunstministerium weiter mit.
Solidarität aus der Filmbranche
Die Zukunft der "Deutschen Film- und Medienbewertung" ist also offen. Für ihren Erhalt haben sich nicht nur die 85 ehrenamtlichen Mitglieder der Jury eingesetzt, sondern auch viele Branchenvertreter, angeführt von Regisseur Volker Schlöndorff.
"Wir weisen in unserem Kino auf die FBW-Prädikate hin, weil sie Neugier für Filme wecken, die trotz ihrer gesellschaftlichen und filmischen Relevanz in der Öffentlichkeit nicht so präsent sind", sagt beispielsweise Uwe Stellberger von der Wiesbadener Filmbühne Caligari.
"Einzigartiges Angebot für Kinder und Jugendliche"
Julie Kania von der Stiftung "Kuratorium junger deutscher Film" lobt das bundesweit einzigartige Angebot für Kinder und Jugendliche.
So auch Jutta Feit und Julia Peters von der Frankfurter Produktionsfirma jip film & verleih: "Die FBW-Jugend Filmjury spielt eine zentrale Rolle für uns als Filmverleih, da ihr Siegel die Perspektive junger Zuschauer*innen widerspiegelt", heißt es in ihrem Unterstützer-Statement.
"Filmische Karriere beflügelt"
Die Hanauer Regisseurin Isabel Gathof verweist schließlich auf die Bedeutung der FBW-Prädikate für junge Filmemacher. Sie erhielt das Prädikat "besonders wertvoll" für ihren Debütfilm "Moritz Daniel Oppenheim".
"Es war nicht nur eine große Anerkennung für die Arbeit an dem Film", sagt sie. "Es hat dem Projekt zu einer besonderen Sichtbarkeit verholfen, die meine filmische Karriere beflügelt hat."