Interview zum Film "Stille Post" Schauspieler Khanjanpour über Kriegserlebnisse und manipulierte Bilder
Moderne Kriege sind auch Kriege der Bilder: Welche Videos sind echt, welche manipuliert? Davon erzählt der Spielfilm "Stille Post". Hauptdarsteller ist der Offenbacher Schauspieler Hadi Khanjanpour. Er konnte eigene, schmerzhafte Erfahrungen in die Rolle einbringen.
Es ist eine Geschichte vor dem Hintergrund wahrer Ereignisse: Der Spielfilm "Stille Post" (Kinostart am 15. Dezember) erzählt von dem Grundschullehrer Khalil, der kurdische Wurzeln hat und mit seiner Freundin Leyla in Berlin lebt. Sie ist Journalistin und will einen Beitrag über die kurdische Stadt Cizre in der Türkei machen, die offenbar von der türkischen Armee bombardiert wird.
Als Leyla Khalil Handyvideos aus seiner alten Heimatstadt zeigt, glaubt er darin seine tot geglaubte Schwester zu erkennen. Er versucht, über die kurdische Gemeinschaft mit ihr Kontakt aufzunehmen und sie in Sicherheit zu bringen. Auch soll die Öffentlichkeit alles über den brutalen Krieg erfahren. Doch die Medien sind zunächst nicht interessiert - bis Leyla und Khalil Videos manipulieren.
Die Hauptrolle in dem Debüt des Regisseurs Florian Hoffmann spielt Hadi Khanjanpour, der zuletzt für Guy Richie vor der Kamera stand. Khanjanpour kam 1982 in der iranischen Hauptstadt Teheran zur Welt, wuchs nach der Flucht seiner Eltern aber in Offenbach auf. Im Interview erzählt er, warum er erst nicht zum Casting gehen wollte, was seine Lebensgeschichte mit der der Hauptfigur zu tun hat - und warum er unbedingt zurück nach Offenbach ziehen möchte.
hessenschau.de: Herr Khanjanpour, Regisseur Florian Hoffmann sagte in einem hr-Interview, er habe eigentlich einen kurdischstämmigen Schauspieler für die Hauptrolle in "Stille Post" casten wollen. Am Ende sind Sie es geworden. Wie haben Sie ihn überzeugt?
Hadi Khanjanpour: Ich wollte gar nicht zum Casting, weil ich als Persisch sprechender, iranischer Schauspieler in Deutschland für einen Kurden angefragt wurde. Ich bin dann auch nicht mit einem gelernten Text zu diesem Casting gegangen, weil ich Wut im Bauch hatte. Ich bin erst einmal nur hingegangen, um zu erfahren, warum ein Deutscher einen kurdischen Konflikt auf die Leinwand bringen möchte, und das mit einem iranischen Schauspieler.
hessenschau.de: Dann kam es anders.
Khanjanpour: Dann hat mir Florian Hoffmann sehr gut erklärt, dass es ihm hauptsächlich darum ging, jemanden zu finden, der diese Figur versteht, der sie fühlt und der seine Emotionen auf die Leinwand packen kann. Und tatsächlich gab es Schnittpunkte mit meinem Leben, die ich in diese Figur hineinpacken konnte. Das macht man als Schauspieler nicht immer, aber der türkisch-kurdische Konflikt ist ein realer Konflikt, und da wollte ich so authentisch wie möglich spielen.
hessenschau.de: Was teilen Sie mit der Hauptfigur?
Khanjanpour: Was wir teilen sind Kriegserlebnisse. Meine erste Erinnerung überhaupt ist Sirenengeheul, das uns in den Bunker in Teheran gerufen hat. Und Raketen, die über uns wegflogen. Auch Erinnerungen an meine Mutter, die uns beruhigte, indem sie sagte, dass das Lichter von einem Fest sind. Mir war das lange nicht bewusst, aber solche Traumata kommen häufig erst später an die Oberfläche.
Ich habe außerdem wie die Hauptfigur eine große Schwester, der ich sehr nahe stehe. Daraus haben wir für den Film sehr viel geschöpft.
hessenschau.de: Sie haben große, auch internationale Schauspiel-Erfahrung, wie weit konnten Sie die mit einbringen?
Khanjanpour: Florian Hoffmann und ich haben bis zuletzt am Drehbuch gearbeitet und uns gegenseitig gepuscht, um zu sehen was die Figuren in welchen Szenen sagen müssen, aber auch, wo wir kürzen können, was man also spielen kann, ohne es auszuformulieren oder auszusprechen. Darüber reden wir nach wie vor oft. Ich habe andererseits viele Kenntnisse über diesen Konflikt mitgenommen, der mir so leider auch nicht bekannt war. Die Geschehnisse von Cizre sind komplett unter meinem Radar gelaufen. Ich wusste nichts über den Militäreinsatz dort.
Was ich aber vor allem mitgenommen habe, ist ein enger Kontakt zur kurdischen Gemeinde. Es ist eine Community, die ich in der Form bis jetzt noch nicht erlebt habe. Eine, die offen ist und gleichzeitig zusammenhält, eine, in der Frauen in besonderen Positionen sind, was nie in Frage gestellt wird. Besonders ist auch ihr Umgang mit Tod und Krieg. Das ist immer ein großer Teil ihres Lebens, selbst beim Feiern, sie gehen mit einer außergewöhnlichen Leichtigkeit damit um, die ich nicht vergessen werde.
hessenschau.de: Ein weiteres Thema des Films ist Medienkritik, die Manipulation von Bildern und die Frage, wie weit Menschen im Kampf gegen Unrecht gehen dürfen. Das sind Themen, die bei den aktuellen Iran-Protesten auch eine Rolle spielen.
Khanjanpour: Diese Fragen haben mich über den Iran tatsächlich schon immer sehr beschäftigt, auch aktuell wieder. Ich bekomme über meine Familie einerseits viele Informationen von vor Ort. Andererseits sehe ich, dass es bis auf einen keine Korrespondenten der Öffentlich-Rechtlichen Medien dort gibt. Die sind dann angewiesen auf Informationen aus den Sozialen Medien, die aber nicht verifizierbar sind.
Das heißt: Ich frage mich, wie auf die Demonstrationen angemessen aufmerksam gemacht werden kann, da habe ich aber selbst noch keine Lösung. Wie sollen die Medien also mit Videos von iranischen Aktivistinnen und Aktivisten aus den sozialen Medien umgehen, denn diese sind wegen der Qualität der Bilder zum Teil sehr leicht manipulierbar?
hessenschau.de: Ist Ihre Familie dort vom aktuellen Konflikt betroffen?
Khanjanpour: Meine Eltern und meine Schwester leben in Deutschland, der größte Teil der Familie lebt aber im Iran und wie viele Iraner haben auch sie Geschichten mit diesem Regime. Cousins von mir tragen Metallplatten im Körper, nur weil sie auf der Straße Fußball gespielt haben. Ich habe Cousinen, die ihrer Arbeit nicht nachgehen dürfen. Da gibt es viele Geschichten.
hessenschau.de: Emotionale Geschichten, die Sie auch wiederum in "Stille Post" unterbringen konnten?
Khanjanpour: Wir haben alle eine Riesenverantwortung gespürt, während des Drehs und auch danach. Alle hatten das Gefühl, dass wir für Leute kämpfen, die kein Sprachrohr haben. Deswegen war es am Set ohnehin sehr emotional. Oft haben wir auch länger gearbeitet, Crewmitglieder wollten wichtige Bilder abschließen. Das hatte ich vorher auch noch nicht.
hessenschau.de: Filmnachwuchs wie Florian Hoffmann unterstützen Sie auch über Ihre Jury-Arbeit in der Förderanstalt Hessenfilm und Medien. Wie kam es dazu?
Khanjanpour: Ich habe auch schon Regiearbeiten gemacht, vor allem am Theater, aber auch eine Kurzfilmarbeit. Dadurch kam ich in Austausch mit einer Frankfurter Produktionsfirma, die mit der Hessenfilm sehr vernetzt war. Sie hatte mich für eine Jurymitgliedschaft vorgeschlagen, zunächst als Stellvertreter. Seit einem Jahr bin ich nun als Jurymitglied im Nachwuchsbereich aktiv, auch um einen anderen diversen Blick in diese Jury reinzubringen. Es macht mir sehr viel Spaß.
hessenschau.de: Das heißt auch, Sie pendeln oft von Berlin nach Hessen?
Khanjanpour: Meine Eltern leben im Kreis Offenbach. Tatsächlich sind wir auf der Suche, um auch zurückzukommen. Ich bin im Offenbacher Nordend aufgewachsen, habe dort Abi gemacht, bei der Behindertenhilfe meinen Zivildienst abgeleistet - ich fühle mich durch und durch als Offenbacher. Ich bin aber auch in Frankfurt verwurzelt, wo ich an den Landungsbrücken Theater spiele. Auch meine Freunde sind noch dort. Jedes Mal, wenn ich mit dem Zug einfahre, geht mein Herz auf.
hessenschau.de: Dann bleibt noch die Frage: Eintracht oder Kickers?
Khanjanpour: (lacht) Ich bin glühender Eintracht-Fan und habe sogar einen Fanclub für Filmschaffende gegründet - und das, obwohl ich bei den Kickers Handball gespielt habe. Auch damals war ich schon Eintracht-Fan, habe es aber niemandem gesagt.
Das Gespräch führte Sonja Fouraté.
Sendung: hr-iNFO, 15.12.2022, 9.55 Uhr
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