Lebendiges Immaterielles Weltkulturerbe Flößer schippern 200 Kilometer über die Weser

Zwei Tage Bauzeit, vier Tage auf dem Fluss: Mit zwei selbst gebauten Flößen transportieren die Weserflößer aus Reinhardshagen Holz über die Landesgrenze bis nach Minden. Fast ganz ohne Motor, dafür mit viel Tradition.

Weserflösser
Aus 15 Baumstämmen wird ein Floß - wie schon vor hunderten Jahren. Bild © Arne Pollmann (hr)

"Biber Ahoi" - mit diesem Ruf begrüßen acht Männer und zwei Jungs auf den Flößen die Nager am Ufer der Weser. Am Donnerstagmorgen haben sie bei Sonnenaufgang abgelegt, Nebel wabert über den Fluss.

Videobeitrag

Von Reinhardshagen bis Minden – per Floß auf historischen Spuren

hs 25.04.2025
Bild © hessenschau.de
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Vor dem Ablegen haben die Weserflößer aus Reinhardshagen (Kreis Kassel) die letzten Proviantkisten an Bord gehievt und sind über einen schmalen, wackeligen Balken aufs Floß balanciert. Mit Stöcken haben sie sich vom Ufer abgestoßen. Ihr Ziel: Minden in Nordrhein-Westfalen. Hier wollen sie am Sonntag ankommen.

Bloß nicht daneben treten 

Mit dabei ist Till. Der Zehnjährige beäugt den Boden des Holzfloßes. Zwischen den einzelnen Baumstämmen schwappt das Wasser. "Man muss aufpassen, dass man da nicht reintritt", sagt er. Ein unbedachter Schritt, und die Füße sind erst mal nass.

Zwei Tage zuvor haben die Weserflößer - ein Verein mit rund 20 Mitgliedern - die beiden schwimmenden Untersätze aus nebeneinanderliegenden Baumstämmen gebaut, gemeinsam mit einem befreundeten Verein aus Schiltach im Schwarzwald. Die Stämme - 15 pro Floß - wurden erst auf eine Länge gebracht, ins Wasser gerollt und hier miteinander vertäut.

Foto: vorne links ein hölzernes Floß. In der Mitte der Blick in einen nebelverhangenen Fluss.
Viel Nebel, wenig Sicht: Die Weser am Donnerstagmorgen. Bild © Petra Bühler (hr)

Natur pur 

Der Vereinsvorsitzende Eckhard Meyer ist nicht das erste Mal dabei, aber immer wieder genießt er die Stille, die Natur und das langsame Dahingleiten. "Das ist Natur pur", sagt er.

Die Biber-Begrüßung ist zwar kein offizielles Kommando, kann aber stellvertretend für die Naturverbundenheit der Flößer stehen. "Es gibt nichts Schöneres", sagt Vereinsmitglied Klaus Schellenberger, schlecht sei nur das frühe Aufstehen. Damit alle wach sind und keiner von Bord geht, wird auf dem Fluss Kaffee gekocht - wie früher. 

Nahaufnahme eines Alukanne, die auf einem Gaskocher steht. Daneben ein Windschutz und ein Schild mit der Aufschrift "W. Waßmuth Gieselwerder"
Frischer Kaffee und eine Erinnerung an den Weserflößer Willi Waßmuth. Er starb 2015. Bild © hessenschau.de

Immaterielles Welterbe

Die Weserflößer machen das Ganze nicht nur zum Spaß. Mit ihrem Engagement wollen die Vereinsmitglieder das Wissen und die Tradition der Flößer am Leben erhalten. Dazu fühlen sie sich verpflichtet - immerhin ist die Weserfloßfahrt immaterielles Unesco-Weltkulturerbe.

Bis in die 1960er Jahre wurde Holz aus dem Reinhardswald auf diese Art und Weise nach Minden oder sogar bis nach Bremen verschifft. Damals waren die Flöße 40 Meter lang und transportierten mehrere Lagen Holz.

Früher Axt und Muskelkraft - heute Motorsäge 

Vor der Leistung der Menschen von damals ziehen die Flößer ihren Hut. Heute zerteile man die Stämme schnell mit einer Kettensäge, früher mussten die Menschen mit Schrotsäge und Axt ran, erzählt Meyer.

Ein Teil der Crew wird während der Tour an Bord übernachten, so wie früher. Die kostbare Fracht darf nicht unbeobachtet bleiben.

Foto: vorne ein hölzernes Floß. In der Mitte der Blick in einen nebelverhangenen Fluß. Schwäne fliegen auf das Floß zu.
Zu Wasser und in der Luft: Begegnung mit Schwänen. Bild © Dana Skowrnowski (hr)

Außenbordmotor für den Notfall 

Die Weser fließt so gemächlich dahin, Steuermann Kurt Kummert am Heck hält das Floß in der Mitte des Flusses. Wenn Hindernisse kommen, muss es schnell gehen, erklärt er: "Wir müssen auf die Buhnen und auf das Geröll achten, das von den Hochwassern in den Uferbereich getrieben wurde."

Zwei Schlepper an den Seiten halten das Floß mit langen Rudern zusätzlich auf Kurs. Für den Notfall sorgt ein Außenbordmotor für den nötigen Schub.

Transportmittel und Fracht in einem 

Zwei Männer mit Rudern aus Holz stehen auf einem Floß. Planken liegen auf den dicken, runden Stämmen. Im Hintergrund weitere Menschen.
Zwei Schlepper halten das Floß auf Kurs. Bild © Arne Pollmann (hr)

Die Flöße sind dabei Transportmittel und Ware in einem. Bei der Ankunft im Sägewerk werden sie wieder auseinandergebaut. Deshalb dürfen keine langen Nägel verwendet werden, die sich im Zweifel nicht lösen lassen. Denn dann können die Stämme nicht weiterverarbeitet werden.

Deshalb müssen die Vereinsmitglieder schon beim Aufbau an den Abbau denken. Am Sonntag haben die Flöße ihren Zweck erfüllt. Die Flößer reisen zurück nach Nordhessen - statt mit dem Floß dann mit gängigen Verkehrsmitteln.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de