Frankfurter Buchmesse Friedenspreisträger Salman Rushdie sieht Demokratie in Gefahr

Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat sich der diesjährige Friedenspreisträger Salman Rushdie am Freitag in Frankfurt den Fragen von Journalisten gestellt. Der Autor, der im vergangenen Jahr ein Attentat nur knapp überlebte, zeigte sich dabei nachdenklich.

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Bild © picture-alliance/dpa| zur Audio-Einzelseite
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Seinen Humor hat Salman Rushdie nicht verloren. Gefragt, wie er seine Zeit in Frankfurt verbringt, ob er etwa Angst hat, auf die Straße zu gehen, antwortet er: "Meine Zeit in Frankfurt verbringe ich exklusiv mit Journalisten, was könnte es Besseres geben?" Rushdie lacht und scherzt weiter: "Und am Sonntag freue ich mich darauf, in die Kirche zu gehen. So einen Satz haben Sie von mir auch noch nicht gehört."

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für Rushdie

Am Sonntag wird Rushdie, dezidierter Religionskritiker, in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt. Für den 76-Jährigen ist der Preis "das Sahnehäubchen, das große Ausrufezeichen" am Ende der Frankfurter Buchmesse.

Freunde von ihm hätten die prestigeträchtige Auszeichnung schon erhalten, er sei sehr glücklich, nun selbst auf der Liste zu stehen, sagt er am Freitag bei einem Vorgespräch zur Preisverleihung.

"Attentat war ein wichtiges Thema für mich"

Vor zehn Tagen habe er sein Buch über das Attentat beendet, bei dem er im vergangenen Jahr schwer verletzt wurde und seit dem er auf einem Auge nicht mehr sehen kann. Das geplante Buch mit dem Titel "Knife: Meditations After an Attempted Murder" (auf Deutsch etwa: Messer: Gedanken über einen versuchten Mord) soll nach Angaben seines Verlags am 16. April veröffentlicht werden.

Salman Rushdie auf der Pressekonferenz in Frankfurt. Die Fotografen müssen fünf Meter Abstand halten. Das Bild zeigt die Fotografen von hinten, wie sie Ihre Objektive auf Rushdie richten.
Mit Sicherheitsabstand: die Pressekonferenz mit Salman Rushdie auf der Buchmesse. Bild © Sonja Fouraté (hr)

Ob es von Anfang an klar war, dass er dieses tragische Erlebnis literarisch verarbeiten werde, wird Rushdie weiter gefragt: "Naja, es war irgendwie ein wichtiges Thema für mich", antwortet er grinsend, "es wäre absurd gewesen, über etwas anderes zu schreiben." 

"Schreiben ist eine Art Optimismus"

Rushdie will auch angesichts des Krieges in Nahost zuversichtlich bleiben. "Schreiben ist eine Art von Optimismus", sagt er. Er sei jedoch erfüllt von Schrecken über das, was die Hamas Israel angetan habe und auch dem, wie Israel nun reagieren könnte. Generell habe er keine wirklich originelle Meinung dazu, er sei schlicht dagegen, dass Unschuldige sterben.

Dass der Verein Litprom die LiBeraturpreisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli verschoben hat, kritisiert Rushdie. "Ich kenne ihre Arbeit nicht", sagt er, "ich habe aber Empathie für sie". Er hoffe, dass "Verschiebung" kein Euphemismus sei für "Absage" und die Ehrung bald nachgeholt werde, "zum Beispiel morgen", wie er scherzt.

"Ich bin übertrieben optimistisch"

Für die Tatsache, dass er selbst nie aufgegeben habe zu schreiben, gibt er zwei Gründe an: "Ich bin übertrieben optimistisch." Und: "Was sollte ich denn sonst mit meiner Zeit machen, ich kann nichts anderes als Schreiben?" Nachdem er kürzlich in einem Interview in Zweifel zog, dass die "Satanischen Verse" heutzutage noch einen Verleger finden würden, spricht er jungen Schriftstellern dennoch Mut zu. 

"Jeder sollte über alles schreiben können", betont er. Die einzige einschränkende Frage sollte sein, ob das Geschriebene gut oder schlecht sei, so Rushdie. Alles andere sei der "Tod der Kunst". Dabei dürfe die Literatur keine vorgefertigte Rolle haben. "Bücher sollen den Menschen nicht sagen, was sie zu denken haben - sie sollen zum Denken anregen."

"Riskante Zeit für die Demokratie"

Das sei es auch, was Bücher so gefährlich für Diktaturen und autoritäre Regime mache: Literatur könne zeigen, wie reich und komplex die Welt sei - das sei das Gegenteil der engstirnigen oder bigotten Weltsicht von Autokraten. Dass Schriftsteller etwa in Italien oder Indien vor Gericht kämen, weil sie die Regierung kritisierten, sei skandalös. Es sei weltweit generell "eine riskante Zeit für die Demokratie". Nicht nur in den USA verließen manche Parteien die demokratischen Pfade und entwickelten einen Personenkult.

Der indisch-britische Autor wird seit Jahrzehnten von religiösen Fanatikern verfolgt. Wegen seines Romans "Die satanischen Verse" rief der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini im Jahr 1989 dazu auf, den Schriftsteller zu töten. Sein Auftritt unter strengen Sicherheitsvorkehrungen war erst der dritte öffentliche seit dem Angriff im Sommer 2022.

Rushdie spricht auf großer Literaturgala

Wer Salman Rushdie auf der Frankfurter Buchmesse live erleben möchte, muss jetzt schnell sein: Der einzige öffentliche Auftritt des diesjährigen Friedenspreisträgers neben der Preisverleihung ist bei der großen Literaturgala am Samstag (21. Oktober), zu der Buchmesse, ARD, ZDF und 3sat einladen. Tickets dafür gibt es hier.

Dabei wird Rushdie über sein neues Buch "Victory City" sprechen - nach Angaben des Verlags ein epischer Roman über Macht, Liebe und was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

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Sendung: hr-iNFO, 20.10.2023, 17.20 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Katrin Kimpel