Neues Historisches Museum Frankfurt Stadtgeschichte ohne Staub, aber mit Schneekugel
Modern, kreativ, unterhaltsam: Das von Grund auf erneuerte Historische Museum zeigt die Frankfurter Stadtgeschichte komplett entstaubt. Der Direktor verspricht: "Wir sind ein Museum für alle."
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Historisches Museum - klingt fast ein bisschen zu steif für das Feuerwerk an Kreativität, das Museumsdirektor Jan Gerchow gemeinsam mit seinem Team am Saalhof in der Frankfurter Altstadt gezündet hat. Das von Grund auf neu errichtete und neu gestaltete Haus präsentiert die Geschichte Frankfurts von der mittelalterlichen Stauferpfalz über die Zeit der stolzen Reichsstadt bis zur gegenwärtigen europäischen Finanzmetropole in einer Mischung aus historischen Stücken, Kunstobjekten und jeder Menge Multimedia-Möglichkeiten - staubige Stadtgeschichte war gestern.
Man habe tatsächlich darüber nachgedacht, das Museum zur Wiedereröffnung umzubenennen, berichtet Gerchow: Stadtmuseum oder Frankfurtmuseum waren in der Diskussion. Letztlich habe man es beim alten Namen Historisches Museum Frankfurt (HMF) belassen: "Wir heißen schließlich schon sein 140 Jahren so."
Aber die Richtung des neuen Konzepts sei damit vorgegeben gewesen, sagt der Direktor: "Die Stadt ist das einzige Thema in unserem Haus. Wir sind jetzt ein Museum für die Leute und nicht ein Museum über ein Thema."
Gesichter der Stadt in einer riesigen Schneekugel
Die "Langeweile eines chronologischen Aufbaus" habe man vermeiden wollen, betont Gerchow bei der Pressebesichtigung der neuen Ausstellung am Mittwoch. Auch die "Dauerausstellungsfalle" wollte das Museumsteam umgehen.
Also präsentiert es die Stadtgeschichte in verschiedenen Themenkomplexen wie "Schneekugel", "Stauferhafen", "Frankfurt einst?" und "Frankfurt jetzt!". Die übermannshohe Schneekugel ist eine multimediale Inszenierung von acht Frankfurter "Gesichtern": mal als kriminelle Stadt, mal als Bankenstadt, als ewige Baustelle, als Ort jüdischen Lebens.
Bei der Schneekugel können die Besucher die "Frankfurter Gesichter" selbst auswählen. Ein Industrieroboter hebt auf Knopfdruck die künstlerisch gestaltete Installation in die Kugel mit drei Metern Durchmesser, an den umgebenden Wänden laufen Projektionen mit Informationen zum Thema. Das ist spannend, interessant und hat man so noch nirgendwo gesehen.
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Klobürsten, Spritzen und eine Mausefalle formen Frankfurt
In der Abteilung "Frankfurt heute!" besticht das Stadtmodell des niederländischen Künstlers Hermann Helle. Er hat gemeinsam mit 16 Helfern in zehn Monaten auf 70 Quadratmetern ein Modell konstruiert, das zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, dafür aber umso bunter und ausgefallener ist.
Um ein Bild von der Stadt zu bekommen, ließ Helle 1.200 Frankfurter befragen, was in ihrem Stadtteil wichtig ist. So entstand ein subjektives Modell, das der Künstler mit unüblichen Modellbau-Materialien umsetzte: Besen, Bürsten, Spritzen, die Uni besteht aus Büchern, das Preungesheimer Gefängnis ist eine Mausefalle, der Verkehrsknoten aus Seilen ist wörtlich zu nehmen. Eine bunte und schrille Stadtansicht, an der man sich kaum satt sehen kann.
Klassische historische Aspekte neu aufbereitet
Wer etwa eine Abteilung über die NS-Geschichte der Stadt sucht oder die für die Internationalität Frankfurts so wichtige Migrationsgeschichte, der wird vergeblich suchen. "Das haben wir bewusst nicht gemacht, eine Betonung ist immer gleichzeitig auch eine Ausgrenzung", erklärt Gerchow.
Stattdessen finden sich diese Aspekte überall dort in der neuen Ausstellung, wo sie eben thematisch passen. Mit Führungen, die jetzt "Themenspuren" heißen, kann man sie quer zu den großen Themenblöcken aufspüren.
In der Abteilung "Frankfurt einst?" findet sich auf 2.000 Quadratmetern in fünf verschiedenen Galerien Stadtgeschichte, gegliedert nach Eigenschaften, die Frankfurt damals wie heute prägen. Viele Abspielstationen für Text und Film und Medienstationen zeigen die Exponate im neuen Licht. Oft kommen die Exponate ganz ohne Sprache aus, so soll das Museum auch internationale Touristen mühelos ansprechen. "Wir sind jetzt ein Museum für alle Menschen: die, die wenig Zeit oder Möglichkeiten haben, komplexe Inhalte aufzunehmen, und die, die es ganz genau wissen wollen - alle werden bedient."
Bagger stolpert über historischen Hafen
Weniger bunt, aber mindestens ebenso spektakulär ist der Stauferhafen aus dem 12. Jahrhundert. Und er ist dem Museum quasi in den Schoß gefallen, denn er wurde erst 2012 bei den Grabungsarbeiten für den Neubau zufällig entdeckt und freigelegt. Tatsächlich ist er der einzig bekannte erhaltene Flusshafen mit Hafenkai.
Er diente als Anlegestelle für Personenschiffe. Damals war der Main noch deutlich breiter als heute. Die Entdeckung des Stauferhafens verzögerte die Sanierung um eineinhalb Jahre, verhalf dem neuen Museum aber zu einem unverhofften Herzstück. Animationen lassen das Leben am Fluss im Mittelalter auf großen Bildschirmen entstehen.
Wer eintauchen will in die neue bunte Stadtgeschichte Frankfurts, hat dazu am kommenden Wochenende erstmals Zeit. Am Samstag öffnen sich erstmals für alle Bürger die Türen zur neuen Ausstellung. Es gibt kostenlose Führungen im Halbstundentakt.