Frieda Riess und Yva Opelvillen Rüsselsheim zeigen Pionierinnen der Fotografie

Die Fotografinnen Frieda Riess und Yva porträtierten die Gesellschaft der Weimarer Republik. Als die Nazis an die Macht kommen, muss Riess fliehen, Yva stirbt im Vernichtungslager. Die Opelvillen Rüsselsheim widmen den beiden jüdischen Künstlerinnen jetzt eine eigene Ausstellung.

Riess und Yva: Fotografien in den Opelvillen
Frieda Riess: Margo Lion bei "Die Linie der Mode", Berlin 1923 Bild © Das Verborgene Museum
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Berlin in den 1920er und 30er-Jahren: Das Leben tobt, es gibt Revuen und Bälle, die Kleider werden kürzer und die Frauen selbstbewusster. Die Fotografinnen Frieda Riess und Yva alias Else Ernestine Neuländer repräsentieren genau diesen Frauentypus.

Beide sind selbständig und betreiben ihre eigenen Ateliers. Frieda Riess eröffnet ihr erstes schon 1917, mit gerade mal 27 Jahren, auf dem Kurfürstendamm. Sie verbindet Elemente der Malerei mit Fotografie, nutzt gemalte Hintergründe und inszeniert ihre Modelle mal schlicht, mal in theatralischen Posen.

Riess und Yva: Fotografien in den Opelvillen
Frieda Riess: Grit Hegesa, Tänzerin, 1919 Bild © Das Verborgene Museum

Schnell entwickelt sich Frieda Riess zur gefragten Gesellschaftsfotografin, von der jede und jeder gerne abgelichtet werden möchte. Sie wird bekannt als "Die Riess". Das Who is Who aus Kultur und Politik gibt sich bei ihr die Klinke in die Hand. Anfangs sind es vor allem Schauspielerinnen, Tänzerinnen und Sängerinnen aus den Varietés und Revuen. Riess portraitiert zum Beispiel Margo Lion im Jahr 1923 beim Singen ihres Chansons "Die Linie der Mode".

Die erste Ausstellung einer Fotografin

Alfred Flechtheim, einer der wichtigsten Kunsthändler und Sammler der Weimarer Zeit, hat den richtigen Riecher: Er widmet Frieda Riess 1925 eine eigene Ausstellung und hebt ihre Fotografien damit in den Rang der Künste. 177 Bilder sind damals zu sehen, darunter viele Künstler der Galerie Flechtheim. Eine Sensation war das, sagt Beate Kemfert. Sie ist Kuratorin der Ausstellung "Frieda Riess und Yva. Fotografien 1919-1937", die ab dem 19. Februar in den Opelvillen zu sehen ist.

Ein paar der Bilder hängen jetzt in den Opelvillen, wie Portraits von Marc Chagall oder Martel Schwichtenberg, die – für diese Zeit ebenfalls eine Sensation – in Anzug und Hose abgelichtet ist. Aber auch Fotos von Gottfried Benn und Gerhard Hauptmann. Die Fotos von Frieda Riess erscheinen in der Presse und in Zeitschriften, die das große Interesse an Unterhaltung befriedigen wollen.

Riess und Yva: Fotografien in den Opelvillen
Yva: Futuristisches Sselbstbildnis, Mehrfachbelichtung, Berlin, 1926 Bild © Das Verborgene Museum

Auch die zehn Jahre jüngere Yva alias Else Ernestine Neuländer unterhält ein gut gehendes Atelier in Berlin, auch sie portraitiert viel, aber sie verkörpert einen anderen Stil als Riess, sagt Kuratorin Kemfert. Yva habe sich für die Fotografie an sich interessiert. "Sie experimentierte mit Mehrfachbelichtungen, um auch surreale Motive zu schaffen", so die Kuratorin.

Zwischen surrealer Kunst und Werbefotografie

Yva betrachtet sich selbst als Gebrauchsfotografin, lichtet Schmuck und Porzellan ab oder makellose Modells, die suggerieren, dass Creme Mouson Falten verschwinden lässt. Yva habe sich für die Gebrauchsfotografie und Werbung geöffnet und habe diese letztlich auch geprägt, sagt Kuratorin Kemfert.

Riess und Yva: Fotografien in den Opelvillen
Yva: Ohne Titel (Creme Mouson), um 1937 Bild © Das Verborgene Museum

Niemand geringeres als der berühmte Fotograf Helmut Newton geht als junger Mann bei Yva in die Lehre. "Für ihn war Yva eine Göttin", sagt Kemfert. "Er mochte ihre Anmutung, er empfand sie als schönste Frau und als talentierteste Fotografin überhaupt." Die Erinnerungen von Helmut Newton hätten sicher dazu beigetragen, dass Yva nicht in Vergessenheit geraten ist.

Denn die Machtergreifung der Nationalsozialisten bedeutet für die Jüdin Yva erst Berufsverbot und schließlich den Tod. Während Newton rechtzeitig vor den Nationalsozialisten fliehen kann, wird Yva 1942 mit ihrem Mann ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.

Großformatige Nachdrucke und Original-Abzüge

Auch Frieda Riess ist Jüdin. Sie geht schon vor der Machtergreifung nach Paris, wo sie eine Weile durch die Beziehung zu einem französischen Diplomaten geschützt ist. Die Nationalsozialisten beschlagnahmen schließlich ihr restliches Vermögen und Frieda Riess stirbt krank und verarmt Mitte der 1950er-Jahre.

Die Werke von beiden Fotografinnen werden weitgehend vernichtet. Umso bemerkenswerter ist, dass die Opelvillen Rüsselsheim einige Fotografien zeigen können. Das Museum profitiert dabei von der Arbeit des Fotografie Forums Monschau, das vom Ullstein-Verlag Lizenzen erworben und die Bilder großformatig hat nachdrucken lassen. Nur zwei Bilder in der Ausstellung sind Original-Abzüge und stammen aus Privatsammlungen.

Weitere Informationen

"Frieda Riess und Yva. Fotografien 1919-1937"

Die Ausstellung läuft vom 19. Febraur bis zum 3. Juni 2023 in den Opelvillen Rüsselsheim.

Ein digitaler Ausstellungsguide "DigiGuide" bietet Einblick und Hintergründe zur Arbeit der beiden Fotografinnen.

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Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 17. Februar 2022, 12.55 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Anne Heigel