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Kein Goethe im Abi - "Faust" macht Pause

Collage: Das Porträt von Goethe von Tischbein, dazu Reclam-Hefte des "Faust"; darüber ein Play-Pause-Button, auf den ein Finger tippt

Seit 2008 ist Goethes "Faust" für Gymnasiasten in Hessen Abi-Pflichtlektüre. Für den Jahrgang 2026 gilt das nicht, stattdessen steht Kafkas "Der Prozess" auf dem Lehrplan. Ist Goethe etwa out?

Für die zukünftigen Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2026 gilt nicht: "Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!" Vielmehr dürfte das Motto lauten: Fuck you, Goethe! Denn für das Landesabitur 2026 fliegt Johann Wolfgang Goethes "Faust. Erster Teil" aus der Liste der prüfungsrelevanten Literatur.

Der Grund: Zu viel Drama im gemeinsamen Themen-Pool der Bundesländer für das Deutsch-Abitur. Man habe sich dort auf das Kleist-Drama "Der zerbrochene Krug" festgelegt, erklärt das hessische Kultusministerium.

Kafka statt Goethe

Mit Georg Büchners "Woyzeck" wird außerdem das verpflichtende Themenfeld soziales Drama und politisches Theater abdeckt. Mit "Faust" hätte es ein weiteres Drama gegeben - eines zu viel. Deshalb: Leider keine Rose für den gelehrten Junggesellen mittleren Alters.

Stattdessen wurde Franz Kafkas Roman "Der Prozess" benannt und sorgt laut Ministerium neben dem Roman "Heimsuchung" von Jenny Erpenbeck für eine Ausgewogenheit in den literarischen Gattungen.

Schülerin: "Wahnsinnig viel Inhalt"

Bei manchen Schülerinnen und Schülern mag der Abschied vom "Faust" für Erleichterung sorgen. Abiturientin Emilia von der Malsburg, die gerade am Gymnasium Elisabethenschule in Frankfurt ihr Abitur abgelegt hat, findet die Entscheidung dagegen unpassend.

Sie hat sich in der Oberstufe mit dem Klassiker beschäftigt und ist begeistert: "Es ist ein Werk, in dem wahnsinnig viel Inhalt gebündelt ist", findet die 19-Jährige.

Als junger Mensch befasse man sich bei der Lektüre von "Faust" mit einer ganz anderen Weltsicht als heutzutage, einer ganz anderen Norm. Dazu sei die Geschichte des Gelehrten Faust einfach spannend.

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Weniger Goethe an deutschen Schulen

In mehreren Bundesländern ist der "Faust" in den vergangenen Jahren von der Pflichtlektüreliste gestrichen worden, zuletzt 2021 in Nordrhein-Westfalen und 2022 in Bayern. In Niedersachsen ist das Drama seit 40 Jahren nicht mehr verpflichtend.

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Wie Shakespeare für England oder Dante in Italien

Anne Bohnenkamp-Renken, Direktorin des Frankfurter Goethe-Hauses, hat sich mit dem "Faust" auch nicht in der Schule befassen müssen. Als Germanistin habe sie ihn allerdings später sehr wohl gelesen und sie findet: "Wichtig ist, dass man ihn überhaupt liest."

Aus ihrer Sicht ist Goethes Faust nicht nur ein faszinierendes Sprachwerk, aus dem allerlei Redewendungen in unsere Alltagssprache übernommen wurden. Es sei eines der am meisten gelesenen Werke der letzten 200 Jahre und eines der am meisten übersetzten.

"Faust" sei in anderen europäischen Ländern etwa mit der Rolle von Shakespeares "Hamlet" oder mit Dantes "Göttlicher Komödie" zu vergleichen.

Etwas, das uns verbindet

Die Entstehung unserer modernen Gesellschaft spiegele sich in dem Text auf einzigartige Weise wider. "Es gibt sonst keinen Text, an dem ein großer Dichter so lange und gerade in denjenigen Jahrzehnten gearbeitet hat, in denen sich unsere Zeit formt" sagt sie. Goethe nahm die Bearbeitung des "Faust"-Stoffs über 60 Jahre immer wieder neu auf.

Gleichzeitig greife Goethe in seinem "Faust" zeitlose Fragen auf, erklärt Bohnenkamp-Renken. Es seien fundamentale Fragen wie: Was ist der Mensch? Was kann er wissen? Wonach strebt er? Was ist der Sinn des Lebens?

Ein Textmarker und eine Ausgabe "Faust - Der Tragödie erster Teil" liegen auf einem Schreibblock.

Literarischer Kanon verbindet

Die Literaturwissenschaftlerin sieht auch Vorteile in einem nicht zu starren Bildungskanon. Nichtsdestotrotz biete ein Kanon auch viele Vorteile für eine Gesellschaft, besonders vor dem Hintergrund, dass Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft sei.

"Der Kanon ist etwas, was uns verbindet, worüber wir uns austauschen können", erklärt sie - auch wenn es um sprachlich anspruchsvolle Texte gehe. "Niemand würde in England auf die Idee kommen zu sagen, wir lesen nicht mehr Shakespeare, weil uns die Texte zu schwierig sind."

Comeback für "Faust" spätestens 2028

Dass Goethe jetzt aus dem Abiturerlass 2026 geflogen ist, liegt laut dem Kultusministerium nicht an der unzugänglichen Sprache. Und es sei auch nicht geplant, ihn komplett zu streichen. Das Ministerium verweist auf die Oberstufen-Themenfelder "Sturm und Drang" und "Weimarer Klassik", in der Goethe sehr wohl seinen Platz habe.

Und auch für den Klassiker "Faust" steht das Comeback schon vor der Tür: Vermutlich bereits zum Landesabitur 2027, spätestens aber 2028 soll er wieder auf die Leseliste und somit in den Abiturerlass aufgenommen werden.

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