Fossile Schatzkammer Grube Messel: Von der Müllkippe zum Weltnaturerbe
Seit 30 Jahren ist die Grube Messel Unesco-Weltnaturerbe und eine der bedeutendsten Fossilienfundstätten der Welt. Um ein Haar wäre das schief gegangen: In den 1970er Jahren sollte sie zur Mülldeponie werden.
Etwa 20 Kilometer südlich von Frankfurt liegt die Grube Messel. Vor rund 47 Millionen Jahren befand sich hier ein Kratersee, entstanden durch vulkanische Aktivität. In diesem See lagerten sich über Jahrmillionen feinste Sedimente ab, die ein einzigartiges Archiv der Erdgeschichte bewahrten.
Denn früher gab es hier einen tropischen Regenwald mit riesigem Artenreichtum. Und der lagert nun fein konserviert im Ölschiefer. "Was Pompeji für die Archäologie ist, ist Messel für die Paläontologie", schwärmen Experten.
Geburtsstunde der Säugetiere
Seit vielen Jahrzehnten finden Forscher in den Schichten der Grube Messel spektakuläre Fossilien: Fische, Krokodile, Schildkröten, Fledermäuse, Schlangen, Libellen, Insekten - und vor allem Säugetiere. Besonders berühmt ist das Urpferdchen "Propalaeotherium", das Wissenschaftler hier fast vollständig erhalten aus dem Ölschiefer schnitten.
Die Funde geben eine Momentaufnahme in das sogenannte Eozän, in eine Epoche, in der sich das Leben auf der Erde nach dem Aussterben der Dinosaurier neu formiert hat. Nicht umsonst gilt die Zeit, die in der Grube Messel konserviert wurde, als "Geburtsstunde der Säugetiere".
Der Alligator im Ölschiefer
Bevor die Grube Messel als fossile Schatzkammer entdeckt wurde, hatte sie eine ziemlich bewegte Geschichte. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in dem ehemaligen See erst Raseneisenerz und dann Ölschiefer zur Gewinnung von Erdöl abgebaut.
Schon 1876 entdeckte man dabei ein perfekt erhaltenes Alligatorenskelett. Doch trotz des spektakulären Fundes ging der Ölschieferabbau jahrzehntelang weiter, bis die Grube 1971 endgültig stillgelegt wurde.
Messeler Müllgrube?
Die Grube klaffte fortan als riesiges Loch in der Landschaft - ohne großen wirtschaftlichen Nutzen. Der Landkreis Darmstadt-Dieburg kam darum auf die Idee, die Grube Messel als Deponie für Hausmüll, Industrieabfälle und Giftstoffe zu nutzen, um sie zu versiegeln. So hätten sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen lassen: Loch und Müll wären einfach weg.
Diese Pläne stießen schnell auf Widerstand. Eine breite Koalition aus Bürgerinitiativen, Wissenschaftlern und Naturschützern war gegen die Deponie und reichte eine Reihe von Klagen ein. Zeitgleich starteten sie Grabungen, um zu retten, was noch zu retten ist.
Denn dass da ein ungehobener Schatz verborgen lag, zeigte sich relativ schnell, als immer mehr Hobbyausgräber erstaunliche Funde aus der Grubbe wegtrugen. Experten und vor allem private Fossiliensammler - jeder, der wollte - konnte unbeschränkt Fossilien aus dem Gestein herausholen. Wissenschaftler sollen sich sogar einige Präparationsmethoden von den "Raubgräbern" aus der Grube Messel abgeschaut haben. Zur offiziellen Ausgrabungsstätte wurde Messel dennoch nicht. Noch nicht.
Deponie oder nicht Deponie
Auch wenn zu Beginn der 1980er Jahre mit der Partei Die Grünen und vielen Bürgerinitiativen die neue Debatte über Umweltschutz aufkam: 1981 wurden per Planfeststellungsverfahren erst einmal die Errichtung und der Betrieb einer Mülldeponie in der Grube Messel genehmigt. Die Bauarbeiten begannen ein Jahr später.
Doch schon 1986 sorgte die rot-grüne Regierung dafür, die Inbetriebnahme der Deponie wieder auszusetzen. Joschka Fischer, der damals im hessischen Kabinett Minister für Umwelt und Energie war, setzte sich zusammen mit einer Bürgerinitiative aus Messel dafür ein, die Grube für die wissenschaftliche Nutzung zu erhalten.
Bürokratie rettet historische Bio-Diversität
1991 kam schließlich die finale Wende: Die 47 Millionen Jahre alte fossile Bio-Diversität der Grube Messel wurde von der deutschen Bürokratie gerettet. Das Bundesverwaltungsgericht stoppte die geplante Deponie wegen eines Formfehlers endgültig. Der jahrzehntelange Kampf hatte sich also gelohnt. Joschka Fischer sorgte schließlich dafür, dass die Grube Messel im selben Jahr durch das Land Hessen angekauft wurde.
So stellte Fischer auch die Weichen dafür, dass die Grube am 8. Dezember 1995 als erstes deutsches Naturdenkmal in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen wurde. Den Dank dafür bekam er 2004: Ein im Ölschiefer gefundenes Fossil wurde nach ihm benannt. Es heißt Palaepython Fischeri - ausgerechnet eine Riesenschlange.