"Het Onderwater Cabaret" Wiesbadener macht Satire-Magazin gegen Nazis nach 80 Jahren öffentlich

Im Zweiten Weltkrieg gestaltete der im Untergrund lebende Jude Curt Bloch ein Satire-Magazin. Rund 80 Jahre später wird sein kreativer Kampf gegen die Nazis nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ohne das Engagement eines Wiesbadeners wäre es dazu wohl nicht gekommen.

Das Bild zeigt ein Cover des Satire-Magazins "Het Onderwater Cabaret" von 1943. Darauf ist eine Person zu sehen, die eine Gasmaske trägt und durch einen Schlauch atmet.
Das Satire-Magazin "Het Onderwater Cabaret" entstand im Untergrund. Bild © Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch
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Bild © Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch | zur Audio-Einzelseite
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"Ich bin nicht zu besiegen, wie sehr ihr’s auch probiert, ich bin nicht kleinzukriegen, ob ihr mich malträtiert", schrieb Curt Bloch 1945, nur wenige Monate vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Zu diesem Zeitpunkt lebte der in Dortmund geborene jüdische Jurist schon seit mehr als zwei Jahren im Untergrund in den Niederlanden, wo er sich unter anderem auf einem Dachboden vor den Nazis versteckte.

Blochs Gedicht "Ahasver" dürfte nicht nur ihn selbst zum Durchhalten motiviert haben, sondern auch weitere Untergetauchte: Als Teil des von ihm verfassten Satire-Magazins "Het Onderwater Cabaret" (OWC), auf Deutsch "Das Unterwasserkabarett", zirkulierte es im Widerstandsnetzwerk.

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Curt Bloch – Satirische Gedichte aus der Nazi-Zeit

hs
Bild © hr
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Wiesbadener macht Nachlass bekannt

Um sich während seiner Zeit im Versteck zu beschäftigen, produzierte Bloch zwischen 1943 und Kriegsende insgesamt 96 Hefte des "Unterwasserkabaretts". Der Name ist eine Anspielung an das Untertauchen der Verfolgten. Jetzt werden sie erstmals der Öffentlichkeit präsentiert: im Jüdischen Museum Berlin und mit einem Online-Projekt.

Dass die Welt nach fast 80 Jahren von diesem kreativen Widerstand erfährt, ist unter anderem Thilo von Debschitz aus Wiesbaden zu verdanken.

Der Kommunikationsdesigner hat gemeinsam mit Blochs Tochter, Simone Bloch, und Unterstützung von unter anderem dem Rotary Club Wiesbaden-Kochbrunnen eine Webseite gestaltet, die den Nachlass des Widerstandskämpfers zeigt, Hintergrundinformationen liefert und die Magazin-Inhalte jedem zugänglich macht - nach Jahrzehnten, in denen die Postkarten-großen Hefte in der Wohnung der Familie aufbewahrt wurden.

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Curt Bloch wurde am 9. November 1908 in Dortmund geboren. Zum Zeitpunkt der Machtergreifung 1933 arbeitete er als Gerichtsreferendar. Als Hitler ein Arbeitsverbot für alle jüdischen Staats- und Rechtsanwälte verhängte, floh in die Niederlande und lebte dort zunächst von Gelegenheitsjobs. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht 1940 tauchte er unter und versteckte sich unter anderem auf einem Dachboden in Enschede. In dieser Zeit verfasste er "Het Onderwater Cabaret". Seine Mutter und Schwester folgten ihm in die Niederlande, wurden aber entdeckt und im Vernichtungslager Sobibor umgebracht. Nach dem Krieg lernte Bloch seine spätere Ehefrau Ruth kennen, selbst Überlebende des KZ Auschwitz. 1948 emigrierten sie in die USA, wo Bloch 1975 starb. Seine Witwe und Tochter leben in New York.

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Kontaktaufnahme über Facebook

Als Kind habe sie die Magazine mit Zeichnungen von Adolf Hitler oder Joseph Goebbels darauf als einschüchternd und unheimlich empfunden, sagte Bloch der englischen Zeitung "The Guardian". Erst Jahre später habe sie verstanden, dass sie für den Kampf ihres Vaters gegen den Holocaust stünden.

Das Bild zeigt ein Cover des Satire-Magazins "Het Onderwater Cabaret" von 1943. Darauf ist eine Karrikatur von Adolf Hitler zu sehen.
Für die Cover des "Onderwater Cabaret" zeichnete Bloch teilweise auch Karrikaturen. Bild © Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch

Auf von Debschitz sei sie über ein von ihm gestaltetes Buch über den jüdischen Arzt Fritz Kahn aufmerksam geworden. Sie kontaktierte ihn auf Facebook. "Sie hat gefragt, ob ich ihr helfen kann, den kreativen Nachlass ihres Vaters nach Europa zu bringen", sagt der Wiesbadener.

"Ein kleines Kunstwerk"

Als er die Hefte zum ersten Mal gesehen habe, sei er "fast vom Glauben abgefallen, dass man so einen Schatz fast 80 Jahre später überhaupt noch heben kann". Bloch thematisiert darin auf ironische Art unter anderem Kriegsereignisse, Nazipropaganda, seine Situation im Versteck und das Schicksal seiner Familie.

Seine Gedichte sind auf Niederländisch und Deutsch verfasst, teilweise auch Englisch. Für die Cover gestaltete er Collagen aus Zeitungsausschnitten und zeichnete Karikaturen. "Er hat sein eigenes kleines Kunstwerk geschaffen mit Schere, Leim und den Illustrierten, die ihm seine Helfer gebracht haben", erklärt der Designer.

Das Bild zeigt ein Cover des Satire-Magazins "Het Onderwater Cabaret" von 1943. Die Zeichnung zeigt eine Person, die sich ein rotes Buch vors Gesicht hält. Darauf steht: Het Onderwater Cabaret.
Jahrzehntelang bewahrte die Familie Bloch die Magazine in ihrer New Yorker Wohnung auf. Bild © Jüdisches Museum Berlin, Konvolut/816, Sammlung Curt Bloch, Leihgabe der Charities Aid Foundation America dank der großzügigen Unterstützung der Familie von Curt Bloch

Satire als Waffe

Seine Freunde im Widerstand reichten das neueste Magazin untereinander weiter. Sobald jeder der rund 30 Menschen es einmal gelesen hatte, kam es zurück zu Bloch - der in der Zeit schon die nächste Ausgabe gestaltet hatte.

Sich mit einem solchen Satireheft erwischen zu lassen, sei lebensgefährlich gewesen, weiß von Debschitz. "Auf Spottgedichte auf Adolf Hitler, auf Joseph Goebbels, stand in jedem Fall die Todesstrafe."

Bloch habe Satire als eine Waffe genutzt. Man könne aus seinen Gedichten aber auch seine Verzweiflung herauslesen, die Sorgen, die er sich um die Zukunft seiner Familie machte, sagt von Debschitz.

Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt einen Mann, eine ältere und eine junge Frau vor einem Haus. Sie lächeln in die Kamera.
Curt Bloch mit seiner Mutter Paula und seiner Schwester Helene in Enschede. Bild © Familie Bloch

Ausstellung in Berlin

Um Blochs Vermächtnis noch präsenter zu machen, stellte der Designer einen Kontakt zwischen Simone Bloch und dem Jüdischen Museum Berlin her.

Im Rahmen der Ausstellung "Mein Dichten ist wie Dynamit" werden dort ab Freitag alle Ausgaben von "Het Onderwater Cabaret" mit insgesamt 483 handgeschriebenen Gedichten sowie weitere Schriften Blochs ausgestellt. Sie wurden dafür aufwendig restauriert. Ergänzend bietet ein Online-Feature Einblick in drei ausgewählte Hefte.

Themen weiterhin aktuell

Am 3. April 1945, zwei Tage nach der Befreiung von Enschede, erschien die letzte Ausgabe des "Onderwater Cabaret". Blochs Hefte seien eine großartige Wiederentdeckung, sagt von Debschitz. "Der Inhalt ist nach wie vor sehr aktuell: Es geht um Frieden, um Gerechtigkeit und den Kampf gegen Antisemitismus und Faschismus."

Aus der Vergangenheit könne man auch etwas für die heutige Zeit mitnehmen, heißt es auf der Webseite: Wenn man die Geschehnisse der Vergangenheit besser verstehe, könne man sich jeglicher Form der Diskriminierung in der Gegenwart entgegenstellen.

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"Onderwater Cabaret" in Kelkheim

Um Blochs Nachlass und seine Bedeutung für die heutige Zeit soll es auch bei einem Vortrag an der Eichendorffschule in Kelkheim (Main-Taunus) gehen: Simone Bloch und Thilo von Debschitz wollen dort am 20. Februar ab 19 Uhr mit Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften und allen Interessierten ins Gespräch kommen.

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Sendung: hr2, 08.02.2024, 16.40 Uhr

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Quelle: hessenschau.de