Internationales Folklore-Festival Darum feiern drei Mittzwanziger beim Trachtenfest in Schlitz

Volkstanz und jahrhundertealte Tracht, damit kann man auch heute noch viele Menschen begeistern. Drei junge Leute erzählen, warum sie sich auf das traditionsreiche Schlitzer Trachtenfest freuen - und warum Harry Styles für sie keine Alternative ist.

Trachtenfest Schlitz Tänzer in Tracht
Luisa Otterbein, Luis Otterbein und Luisa Schmier (von links) fiebern dem Trachtenfest mit Musik, Tanz und vielen kulturellen Eindrücken entgegen. Bild © Jörn Perske (hr)
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Mehr als 60.000 Menschen werden am Wochenende beim Trachtenfest in Schlitz (Vogelsberg) erwartet. Das Internationale Musik- und Folklore-Festival, das abgesehen von einer Corona-Pause alle zwei Jahre stattfindet, läuft seit Freitag und endet nach viertägigem Feier-Marathon in der Nacht zum Dienstag.

In dieser Zeit herrscht Ausnahmezustand in der Burgenstadt im Vogelsberg. Weitgereiste Gäste-Gruppen aus Mexiko, Schottland und ganz Europa sind dabei. Und mittendrin sind Luisa Schmier (26) sowie Luisa (23) und Luis Otterbein (21) aus Schlitz.

Trachten-Outfits sind ein Schatz

Das Trio feiert mit, zeigt auch traditionelle Tänze auf den Bühnen und trägt dabei die Schlitzerländer Tracht, die althergebrachte Bekleidung. "Wir lieben das Trachtenfest. Unsere weltweit einmalige Tracht tragen wir aus Tradition und mit großem Stolz. Wir wollen helfen, dies alles auch für kommende Generationen zu bewahren", berichten sie im hr-Interview in bester Botschafter-Manier und versprühen dabei große Begeisterung.

Trachtenfest Schlitz Tänzer in Tracht
Luisa Schmier in Schlitzerländer Tracht. Bild © Jörn Perske (hr)

Tracht zu tragen bei Festen und Auftritten ist für die 26 Jahre alte Juristin Luisa Schmier eine große Freude und Selbstverständlichkeit. Die traditionelle Bekleidung, die seit hunderten von Jahren im Schlitzer Land getragen wird, ist für sie eine Kostbarkeit.

"Was ich an habe, dürfte weit über 1.000 Euro kosten und ist ein Stück weit unersetzbar. Es ist alles Handarbeit." Einige Teile habe schon ihre Großmutter getragen. "Deswegen passe ich beim Feiern in großen Menschenmengen gut darauf auf, damit es keine Flecken oder Brandlöcher gibt."

Tanz-Socken ohne Dämpfung

Die Schlitzer Tracht hat viele Besonderheiten. "Es gibt keinen Einheits-Look. Niemand trägt exakt das Gleiche. Röcke und Schürzen sind individuell", sagt Schmier. Auffällig sind die Schuhe, die sogenannten Firwes. Es sind hohe Wollsocken mit einer dünne Kunststoffsohle. "Da merkt man jeden Stein auf der Straße. Und beim Tanzen wird es ohne Dämpfung irgendwann hart."

Am Wochenende müssen Schmier und ihre Freunde tapfer sein. Denn bei mehr als 30 Grad werden eine lange Unterhose, drei Röcke übereinander und eine Schürze sie zum Schwitzen bringen. "Früher wollte halt niemand von schlanker Statur sein. Wer etwas mehr zu bieten hatte, körperlich oder mit Kleidung, galt als gut genährt und wohlhabend", weiß Schmier.

Die Kleider bei Frauen und Männer sind voller Details. Schmiers Freundin Luisa Otterbein trägt ein Schürze, an der Pailletten aus Zuckerperlen angebracht sind. "Die kann man nicht bei jedem Wetter anziehen. Im Regen würden sie sich auflösen", sagt sie. Männer, die noch nicht vergeben sind, tragen ein rotes Halstuch.

"Lieber Trachtenfest als Harry-Styles-Konzert"

Trachtenfest Schlitz Tänzer in Tracht
Luisa Otterbein tanzt in Schlitzerländer Tracht. Bild © Jörn Perske (hr)

Trotz der alles andere als leichten und luftigen Tracht und mehr als 30 Grad Hitze am Wochenende will Luisa Otterbein tanzen, so lange die Kondition mitmacht. Auch die Tänze folgen einer alten Tradition: Die Männer wirbeln die Frauen herum, bis sie zu fliegen beginnen. Die Tänzerinnen und Tänzer treffen sich jeden Freitag zu einer Übungsstunde und trainieren dafür.

"Gerade das Tanzen verbindet die Menschen", findet Otterbein. "Man braucht nicht viele Worte, bewegt sich einfach miteinander und hat Spaß. Das Trachtenfest würde ich jederzeit einem Konzert von Harry Styles vorziehen. Die Vielfalt an Musik, Tänzen und kulturellen Eindrücke ist unbezahlbar." Vorgeführt werden Rund- und Formationstänze mit Polka- und Sprungschritten. Hier und da sind auch Walzer-Elemente dabei.

Tanzen, bis die Füße glühen

Und manchmal wird getanzt, bis nichts mehr geht, wie Luisa Otterbein berichtet: "Wir hatten mal eine Gruppe aus Chile dabei. Einige Frauen haben für neugierige Blicke gesorgt, weil sie Kokosnuss-Schalen als BH getragen haben und oben sonst nichts. Sie haben stundenlang in der Sonne wie wild getanzt, auf einer Bühne mit dunklem Boden. Danach hatten sie fette Brandblasen, die in Wassereimern gekühlt werden mussten."

Schlitzer Tracht
Luis Otterbein trägt Schlitzerländer Tracht mit einer Mütze aus Biberfell, Hosenträger mit gesticktem floralen Muster und einem roten Halstuch als Zeichen für den Junggesellen. Bild © Jörn Perske (hr)

Luis Otterbein, der Cousin von Luisa, liebt es, viele Menschen aus anderen Ländern und Kulturen kennenzulernen. Er ist in diesem Jahr Betreuer für die Gruppe als Slowenien, hat aber auch schon Gäste aus Belarus und Griechenland gehabt.

Tanzen verbindet

"Nicht alle können Englisch. Da findet die Verständigung mit Händen und Füßen statt. Aber es entsteht schnell eine große Verbundenheit und Dankbarkeit. Man kennt sich gerade mal eine halbe Stunde und hat schon das Gefühl, neue Freunde fürs Leben kennengelernt zu haben." Diese verbindende Wirkung kenne er nur vom Trachtenfest. Nicht ohne Grund heiße das Motto: 'Die Welt zu Gast bei Freunden'.

Für alle drei steht die Musik, das Tanzen und die Völkerverständigung im Fokus bei dem Fest. "Es ist eine riesige Party, zu der einfach jeder willkommen ist. Alle paar hundert Meter gibt es auf Bühnen mit anderer Musik und Vorführungen etwas Neues zu entdecken", erzählt Luis Otterbein. Klingt wie eine Empfehlung für einen Besuch.

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Die Highlights beim Trachtenfest

Am Samstag gibt es den ganzen Tag Musik, Tanz und Partys auf verschiedenen Bühnen rund um den Marktplatz in der historischen Altstadt. Am Sonntag gibt es einen Festumzug (14 Uhr). 25.000 Zuschauer werden erwartet. 30 Festwagen werden vorgeführt, die von Tier-Gespannen gezogen werden. Rund 20 Musikkapellen und weitere Fußgruppen präsentieren auf der vier Kilometer langen Strecke ihr Brauchtum. Am Sonntagabend (22.45 Uhr) wird ein Feuerwerk abgebrannt. Am Montag geht es weiter mit dem Festprogramm, ehe in der Nacht zum Dienstag (1 Uhr) die Abschlusszeremonie abgehalten wird - beim Trachtenfest pflegt man zu sagen: Montag, 25 Uhr.

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Sendung: hr1, 07.07.2023, 11.45 Uhr

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Quelle: hessenschau.de