Interview mit Jazzmusiker Omer Klein "Frei und wild zu sein - das ist Jazz für mich"
Das Deutsche Jazzfestival hat in diesem Jahr bewusst junge, aufstrebende und experimentierfreudige Künstlerinnen und Künstlern nach Frankfurt eingeladen. Sie mischen Jazz mit Hip-Hop, Punk oder auch Gedichten, wie Omer Klein im Interview verrät.
Der israelische Pianist und Komponist Omer Klein (42) ist eigentlich in der ganzen Welt unterwegs. Aber Frankfurt ist seine Wahlheimat: Er ist Jazz-Artist in Residence der Alten Oper und hat zusammen mit der hr-Bigband und einer Sängerin Poesie zu Musik gemacht. Sein Liederzyklus wird am 23. Oktober um 19 Uhr das von hr2 präsentierte 55. Deutsche Jazzfestival in Frankfurt eröffnen.
hessenschau.de: Sie spielen Klavier, seit Sie sieben Jahre alt sind. Und auch den Jazz haben Sie schon ziemlich früh für sich entdeckt. Warum gerade dieses Genre?
Omer Klein: Ich hatte immer das Gefühl, ich will einfach so spielen. Ohne Plan und Regeln. Als ich etwa zwölf oder 13 Jahre alt war, habe ich zum ersten Mal Jazz gehört. Und da habe ich gedacht, das ist was für mich. Weil man hier frei sein darf. Und das macht mir einfach Spaß. Die Möglichkeit, frei und wild zu sein.
hessenschau.de: Haben Ihre Eltern Sie da beeinflusst?
Omer Klein: Ich habe diese Musik für mich selbst gefunden. Wir hatten keine Jazz-Platten zu Hause. Das war allein mein Ding als Kind.
hessenschau.de: Das ist ungewöhnlich. Immerhin gibt es das Vorurteil, dass Jazz eher Musik für alte Männer ist, vielleicht sogar etwas elitär. Trotzdem fällt gerade beim diesjährigen Deutschen Jazzfestival auf, dass viele junge Künstlerinnen und Künstler diese Musik machen. Ist Jazz also doch cool?
Omer Klein: Ich spiele diese Musik zusammen mit jungen Musikern, und wir haben auch junge Leute als Publikum. Denn Jazz erfindet sich immer neu, und viele Musiker probieren ständig etwas Neues. Der Saxophonist Sonny Rollins hat schon 1955 Popsongs aus Broadway-Shows als Jazz adaptiert. Dass junge Jazzmusiker heute Billie Eilish oder Hip-Hop spielen, gehört zu dieser Tradition.
hessenschau.de: Das heißt aber, dass Jazz auch immer in der jeweiligen Zeit verankert ist und eigentlich nie aus der Mode kommen kann?
Omer Klein: Genau. Jazz wird immer relevant sein. Und ich glaube, das ist spannend für junge Leute.
hessenschau.de: Sie selbst haben für das Jazzfestival, genauer gesagt für das Eröffnungskonzert, auch experimentiert. Was ist da herausgekommen?
Omer Klein: Unser Projekt ist mit der hr-Bigband und Becca Stevens entstanden, einer amerikanischen Sängerin. Ich habe wunderschöne Gedichte von James Joyce, William Butler Yeats und anderen genommen und Musik dazu komponiert. Das ist frisch und neu und spannend.
hessenschau.de: Das Deutsche Jazzfestival findet zum 55. Mal statt. Immer in Frankfurt. In den Nachkriegsjahren galt Frankfurt ja tatsächlich als die Jazzhauptstadt Europas. Wie ist das heute?
Omer Klein: Also, der Jazzkeller ist wirklich eine Institution. Und natürlich gibt es Jazz überall in der Stadt, in der Alten Oper, im Palmengarten. Aber ich würde sagen, heute gibt es in Deutschland fünf oder sechs Städte, wo viel Jazz gespielt wird. Das sind neben Frankfurt Hamburg, Berlin, München und Köln.