Interview zu Ausstellung im Museum für Kommunikation "Was wäre, wenn wir in der Klimakrise nicht scheitern?"
Die Klimakrise ist eine Überlebensfrage für die Menschheit. Doch das Reden darüber versetzt viele Menschen oft in eine lähmende Panik. Eine Ausstellung im Frankfurter Museum für Kommunikation sucht nach Wegen aus der Schockstarre.
Wie kann man positiv über die Klimakrise reden? Wie können Medien und Wissenschaft Handlungsperspektiven aufzeigen? Die Ausstellung "Klima_X" im Frankfurter Museum für Kommunikation will Mut machen, wie Timo Gertler im Interview erzählt. Gertler gehört zum Kuratoren-Team der Schau, die vom 13. Oktober 2022 bis 28. August 2023 zu sehen ist. Wie wichtig die richtige Kommunikation ist, veranschaulicht Gertler am Beispiel eines gefährdeten Tieres.
hessenschau.de: Der einsame Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle ist zum Symbol für die Klimakrise geworden. Er steht am Anfang Ihrer Ausstellung. Was sagt uns dieser Eisbär über unseren Umgang mit dem Thema Klima?
Timo Gertler: Dieser Eisbär ist tatsächlich ein zweischneidiges Schwert. Der Eisbär kam in den 2000er Jahren als Symbol auf und hat sich tatsächlich zu einer Ikone der Klima-Kommunikation entwickelt. Der Eisbär lenkt Aufmerksamkeit auf das Thema, was sehr wichtig ist, ohne Frage.
Gleichzeitig sorgt dieser Eisbär aber auch dafür, dass zum Thema Klimawandel eine Distanz aufgebaut wird. Der ist so weit weg von unserer Lebensrealität und kann dafür sorgen, dass die Problematik in eine entfernte Zukunft verlagert und an anderen Orten lokalisiert wird.
hessenschau.de: Es gibt aber immer mehr Auswirkungen der Klimakrise bei uns. Die Flutkatastrophe im vergangenen Jahr, die Hitzesommer, die wir jetzt Jahr für Jahr erleben. Haben Sie den Eindruck, dass das in der Kommunikation und in der Wahrnehmung des Themas schon etwas verändert hat?
Gertler: Ja, tatsächlich. Es ist wichtig, dass wir begreifen, dass der Klimawandel hier und heute stattfindet und uns bereits jetzt in unserer Lebensführung betrifft. Wir haben in Deutschland das große Glück, dass es uns gesundheitlich noch nicht ganz so nahe geht, wie es in anderen Teilen der Welt bereits der Fall ist. Aber diese Erfahrung zu machen ist, glaube ich, ganz wichtig dafür, dass wir es schaffen, endlich ins Handeln zu kommen.
hessenschau.de: Sie versuchen das ja mit der Ausstellung anzustoßen - auch mit einer Achterbahn der Gefühle, die die Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung durchmachen. Gibt es negative Emotionen, die einen vom Handeln abhalten oder auf der anderen Seite positive Emotionen, die einen auch dazu bringen, aktiv zu werden?
Gertler: Wir haben sehr schnell festgestellt, dass Emotionen sowohl handlungshemmend als auch handlungsleitend sein können. Wenn wir riesige Angst haben, dann neigen wir dazu, uns zu verschließen. Dann stecken wir lieber den Kopf in den Sand. Wenn wir aber ein gewisses Maß an Angst verspüren, dann kann uns das durchaus dazu bringen, in die Handlung zu kommen.
Jeder Mensch kann wirksam werden im Rahmen seiner Möglichkeiten. Politik und Wirtschaft können die großen Hebel bewegen. Trotzdem haben wir alle die Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen.
hessenschau.de: Sie zeigen die unterschiedlichen emotionalen Reaktionen auf die Klimakrise in Form von Comic-Tieren. Was wollen Sie damit ausdrücken?
Gertler: Wir haben diese Tiere entwickelt, weil wir festgestellt haben, es fällt uns unglaublich schwer, über unsere Emotionen zur Klimakrise zu reden. Mit den Tieren wollen wir das leichter zugänglich machen. Wir haben beispielsweise den Gorilla, der echt wütend ist, was da gerade passiert. Wir haben den Vogel Strauß, der den Kopf in den Sand steckt, der gar nichts wissen möchte davon. Wir haben aber auch die fleißigen Bienen, die schon ganz aktiv sind und versuchen, ein ganzes Bienenvolk dazu zu bringen, ganz emsig weiterzumachen.
hessenschau.de: Zum Weitermachen anregen könnten auch die Stationen, an denen sie gelungene soziale Bewegungen der vergangenen 100 Jahre präsentieren.
Gertler: Wir fragen: Was hat eigentlich zum Erfolg von bestimmten gesellschaftlichen Kampagnen geführt, die wir vorher gar nicht für möglich gehalten haben? Wer hätte es zum Beispiel vor 20 Jahren für möglich gehalten, dass man ohne Zigarettenrauch im Restaurant sitzt?
hessenschau.de: Am Ende der Ausstellung gibt es die Möglichkeit, die Zukunft zu telefonieren. Wen erreiche ich da am anderen Ende der Leitung?
Gertler: Sie erreichen vier verschiedene Personen, die im Jahr 2045 leben. Das können beispielsweise Jugendliche dieser Zeit sein. Oder Personen, die eine Migrationsgeschichte hinter sich haben, weil ihre Heimat unerträglich heiß geworden ist oder vom steigenden Meeresspiegel bedroht ist. Und diese Personen erzählen Geschichten aus ihrem Alltagsleben im Jahr 2045.
Das sind keine grün gewaschenen Geschichten, sondern Geschichten einer positiv realistischen Zukunft, eine Zukunft, die wir noch erreichen können. Dahinter steht die Frage: Was wäre eigentlich, wenn wir nicht scheitern? Wir könnten es schaffen. Wir wollen hier einen positiven Ausblick geben und motivieren, an dieser Zukunft auch zu arbeiten.
Das Gespräch führte Christoph Scheffer.
Sendung: hr2-kultur, 13.10.2022, 6 Uhr
Ende der weiteren Informationen