Junge Talente im Frankfurter Kunstverein Darf es ein bisschen größer sein?
Große, komplexe Kunstwerke sind teuer und organisatorisch ist die Herstellung schwer zu stemmen – gerade für junge Kunstschaffende. Der Frankfurter Kunstverein ermöglicht Talenten aus der Region Werke anzufertigen, die ohne Unterstützung kaum möglich wären.
Franziska Nori, Direktorin des Frankfurter Kunstvereins, hat Nassim L’Ghoul schon vor Jahren entdeckt. An der Hochschule für Gestaltung Offenbach (HfG) lief eine seiner Videoanimationen im Loop gemeinsam mit Arbeiten von anderen Studierenden über einen einfachen Bildschirm. Nori hat sie nicht vergessen. Jetzt zeigt sie L’Ghoul auf drei riesigen Screens, zwei davon deckenhoch, im Frankfurter Kunstverein.
Für die Ausstellung "And This is Us" haben Nori und ihr Team nach den vielversprechendsten Talenten in der Region gesucht. Sie haben Lehrende und Studierende befragt, sind auf Rundgänge und Jahresausstellungen gegangen.
Erstmals Ausstellung im Großformat
90 Künstler:innen waren in der Vorauswahl, 40 wurden zum Gespräch eingeladen. Elf haben es in die finale Auswahl geschafft. Einige studieren noch an der Frankfurter Städelschule oder an der HfG, andere haben gerade ihren Abschluss gemacht. Für alle ist eine Ausstellung von diesem Format völlig neu.
"So viele Stunden habe ich noch nie am Stück gearbeitet", erzählt Jenny Sofie Kasper. Während des Corona-Lockdowns hat sie mit einer Handy-App Straßenzüge in Offenbach gescannt, leere Geschäfte oder einen gesprengten Geldautomaten. Für die Ausstellung im Kunstverein hat sie aus den Bildfragmenten digitale Räume erschaffen und sie mit Menschen aus der Kreativszene belebt.
Die Szenerie wird im Kunstverein via Virtual-Reality-Brille begehbar, läuft aber auch als Film. Außerdem hat Kasper Sperrmüll-Elemente aus Ton gefertigt, um sie als Oberflächen für Videoprojektionen zu nutzen. Kasper sagt: "Ich habe ausstellungstechnisch noch nie so viel gelernt."
Teilhabe am gesamten Produktionsprozess
Die Direktorin des Kunstvereins Nori sieht sich als Ermöglicherin. Sie versuche, die Künstler:innen zu begleiten, "während sie etwas machen, für das sie noch sehr jung sind und noch wenig Erfahrung mitbringen."
Dreieinhalb Monate lang konnten die Künstler:innen sich ganz auf ihre neuen Arbeiten konzentrieren. Der Kunstverein hat ihnen ein Honorar gezahlt, sie in den gesamten Produktionsprozess involviert und geholfen, Ideen auszuarbeiten. Viele haben ihre Ateliers in den Kunstverein verlegt.
Format der Erfahrungssammlung
Pia Ferm, Absolventin der Städelschule, hat für die Ausstellung vor Ort wochenlang einen riesigen Wandteppich getuftet: 225 mal 420 Zentimeter. So ein Format ließe sich unmöglich im eigenen kleinen Studio anfertigen.
Franziska Nori erwartet viel von ihren Talenten. Gute Ideen, große Ambitionen, auch einen sicheren Blick aufs Budget. Im Gegenzug gibt es Unterstützung, die für junge Künstler:innen andernorts undenkbar wäre. Nori nennt "And This is Us" ein Format der Erfahrungssammlung.
Mehr Kritik als an der Uni
Es habe mehr Kritik gegeben als von den Professoren an der Uni, berichtet Sonja Rychkova. Der Studentin hat das gefallen. "Kritik bringt einen ja immer weiter", sagt sie. Zuletzt war Rychkova selbst ihre größte Kritikerin. Eigentlich war sie schon fertig mit der Arbeit gewesen. Dann hat sie noch kurz vor der Eröffnung eins ihrer Bilder neu gemalt. Sie sagt, jetzt passt es.
Ihre großformatigen Ölgemälde fallen schon vor Betreten des Kunstvereins ins Auge. Durch die Fensterfront einsehbar dominieren sie den Eingangsbereich der Institution. Zu sehen sind je zwei männlich gelesene Personen – Kopf an Kopf, Arm in Arm. Über eineinhalb Etagen flankieren die Arbeiten die Treppe in den ersten Stock.
Kraft aus dem Beisammensein schöpfen
Nori hat die Bilder nicht ohne Grund der Ausstellung vorangestellt. Sie erkennt darin junge Menschen, die Kraft aus dem Beisammensein schöpfen. Ein einendes Element sei "dieses In-Resonanz-Gehen mit eigenen Emotionen und mit dem Erleben von einer Community, von Nähe, von sich gegenseitig halten."
Geprägt von Jahren der Isolation seien die Arbeiten in der Ausstellung auch Ausdruck einer inneren Gedankenwelt und des Wunschs nach Verbindung.
"And This is Us" ist eine Momentaufnahme. Da sind junge Talente, da sind ihre Themen. Sie könnten morgen vergessen sein. Doch der Kunstverein hat eine Wette auf sie abgeschlossen, deren Ausgang er zu beeinflussen weiß. Viele werden bleiben, manche könnten Stars werden.
Sendung: hr2-kultur, 30.03.2023, 06.40 Uhr
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