Kampagne "Clubs are culture" Wie die Clubszene um Unterstützung kämpft

Seit Jahren ist von einem flächendeckenden Clubsterben die Rede. Durch Pandemie und Inflation hat sich die Lage vieler Betreiber noch verschlechtert. Mit einem Aktionstag in Frankfurt wollen sie auf ihre Lage aufmerksam machen - und die Politik zum Handeln zwingen.

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Erst Corona, dann die Inflation: Für die Clubszene waren die vergangenen Jahre ein regelrechter Überlebenskampf. Und auch die Zukunftsaussichten sind alles andere als rosig. "Die kleinen Erholungseffekte, die es im vergangenen Jahr gab, sind mittlerweile wieder rückläufig", sagt Matthias Morgenstern, Betreiber des "Tanzhaus West" im Frankfurter Gutleutviertel.

Immer häufiger müssten bestehende Clubs Wohnneubauten weichen, Neueröffnungen seien "wegen der ganzen Bürokratie, den Vorschriften und Kosten" fast nicht mehr umsetzbar, so Morgenstern.

Durch die Inflation wird anders gefeiert

Die Inflation habe nicht nur seine Kosten um bis zu 30 Prozent erhöht, sondern auch das Verhalten der Gäste geändert. "Das sogenannte Party-Hopping, was es früher gegeben hat, ist eigentlich nicht mehr da", sagt Morgenstern, der auch Vorsitzender des Netzwerks "Live in Hessen" für hessische Clubs, Livespielstätten und Festivals ist.

Im Moment verzeichne er Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent. Durch die Inflation hätten die Besucherinnen und Besucher weniger Geld zur Verfügung. "Dann sind sie auch weniger bereit, es in einem Club auszugeben", sagt er. Lange könne ein Club das nicht aushalten.

Tanzhaus West
Die Bauministerkonferenz kam 2022 zu dem Schluss, dass Clubs als Vergnügungsstätten zu betrachten seien. Bild © Sarah Dussa

Frankfurt macht den Auftakt

Der Club-Betreiber pocht deshalb seit längerem auf politische Unterstützung - unter anderem als einer der Köpfe hinter der Kampagne "Clubs are culture".

Dafür haben sich die Bundesstiftung "Live Kultur", der "Chaos Computer Club" sowie der Bundesverband der Musikspielstätten "Live Musik Kommission" und seine Mitgliedsverbände - darunter "Live in Hessen" - zusammengeschlossen.

Gemeinsam fordern sie Förderprogramme und Gesetzesänderungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Mit einem Aktionstag in Frankfurt am Freitag wollen sie sich Gehör verschaffen.

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Aktionstag in Frankfurt

Am Freitag nimmt der Landesverband "Live in Hessen" beim Kampagnen-Auftakt sowohl die Landes- als auch die Bundesebene in den Blick. In einer Diskussionsrunde im Frankfurter MOMEM kommen unter anderem die hessischen Bundestagsmitglieder Armand Zorn (SPD) und Deborah Düring (Grüne) sowie DJ und Produzentin Dana Ruh und dem Betreiber des Leipziger Kult-Clubs "Distillery", Steffen Kache, zusammen. Im "Tanzhaus West" findet ein Panel-Talk mit anschließender Clubnacht statt. Auch in anderen Bundesländern sind Aktionen geplant, zum Beispiel eine Rave-Demo auf der A100 in Berlin.

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Kultur- statt Vergnügungsstätte

Das wichtigste Ziel: Clubs rechtlich zu Kulturstätten zu machen. Bisher gelten die nämlich als Vergnügungsstätten, was sie auf eine Stufe mit zum Beispiel Sex-Kinos und Spielhallen stellt.

"Diese Änderung ist aus unserer Sicht längst überfällig", sagt Klaus Bossert, Vereinsvorsitzender der Frankfurter "Milchsackfabrik" und Vorstandsmitglied von "Live in Hessen".

Früher habe die Einstufung als Vergnügungsstätte vielleicht noch eine Daseinsberechtigung gehabt. "Aber mittlerweile sehen wir uns doch als Kulturbetriebe, als Orte, an denen Livemusik und kuratiertes Programm stattfindet", meint Bossert.

Tanzhaus West
Kuratiertes Programm und Nachwuchskünstler: Clubs sehen sich als kulturelle Institution. Bild © Sarah Dussa

Mehr als nur eine Image-Frage

Das sieht auch Matthias Morgenstern so. Im Gegensatz zu klassischen Diskotheken, die in der Regel ein breites Musikprogramm spielten und für kommerzielle Unterhaltung zuständig seien, würden Clubs auch Nachwuchskünstlern eine Chance bieten. "Das ist Kultur-Basisarbeit."

Die Definition als Kultur- oder Vergnügungsstätte ist dabei mehr als eine Image-Frage. Sie hat zum Beispiel baurechtliche Folgen: In bestimmten Gebieten, etwa Wohn- und Gewerbegebieten, sind Vergnügungsstätten verboten oder nur in Ausnahmefällen zugelassen.

Das hat auch Auswirkungen auf den Lärmschutz. "Im Moment werden wir praktisch mit Industrielärm gleichgesetzt", erklärt Morgenstern. "Da gibt es keine Differenzierung."

Bundestag forderte bereits 2021 Anpassung

Für kulturelle Einrichtungen wie Konzertsäle, Opernhäuser und Theater gelten weniger Einschränkungen. Um Clubs ihnen rechtlich gleichzustellen, ist unter anderem eine Anpassung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) im Bundes-Immissionsschutzgesetz notwendig.

Bereits im Mai 2021 forderte der Bundestag die damalige Regierung dazu auf, die BauNVO so anzupassen, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden.

Umgesetzt wurde der Beschluss bisher aber nicht - weder von der alten Bundesregierung noch von der neuen. Dabei hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, die TA Lärm modernisieren und in Schallschutz investieren zu wollen, um so auch Clubs in Wohngebieten und Innenstädten zu ermöglichen.

Das Bild zeigt ein Mischpult in einem Club. Es ist rot angeleuchtet.
Der Geräuschpegel, der von Musikclubs ausgeht, wird derzeit nicht von Industrielärm unterschieden. Bild © picture-alliance/dpa

Novelle noch in dieser Legislaturperiode

Auf Nachfrage von hessenschau.de teilte das Bundesbauministerium mit, man beabsichtige noch in dieser Legislaturperiode "eine umfassende Novelle des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung". In diesem Zusammenhang wolle man auch eine Sonderregelung für Clubs in einzelnen Baugebieten vorschlagen.

Wegen der TA Lärm stehe man zudem im Austausch mit dem zuständigen Bundesumweltministerium. Sobald eine interne Verständigung innerhalb der Bundesregierung dazu erfolgt sei, würden beide Ministerien auf die Länder zugehen.

Land Hessen sieht keinen Änderungsbedarf

Neuerungen der BauNVO und der TA Lärm muss nämlich auch der Bundesrat - und damit die Bundesländer - zustimmen. Da könnte es durchaus Diskussionen geben: Das hessische Wirtschaftsministerium erklärte gegenüber hessenschau.de, "bei allem Verständnis für die Probleme der Musikclubbetreiberinnen und -betreiber" keinen Änderungsbedarf zu sehen.

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Stattdessen verweist das Ministerium auf einen Beschluss der Bauministerkonferenz aus dem März 2022. Die Fachkommission Städtebau hatte damals Hinweise für Gemeinden vorgelegt, wie die bauplanungsrechtliche Situation von Musikclubs verbessert werden kann, ohne am Status Vergnügungsstätte zu rütteln.

Zusammenarbeit mit anderen Kulturbetrieben

"Clubs are culture" möchte das Thema durch den Aktionstag in Frankfurt und die bundesweite Kampagne erneut in den Fokus rücken. Klaus Bossert erhofft sich außerdem einen Schulterschluss mit anderen Kultureinrichtungen.

Die Corona-Pandemie habe den Austausch mit anderen Sparten des kulturellen Lebens verstärkt. Man sei enger zusammengerückt und müsse auch in Zukunft gut zusammen funktionieren, sagt das Vorstandsmitglied von "Live in Hessen".

Wie das gelingen kann? Zum Beispiel, in dem man die Nutzungsszenarien von klassischen Kulturbetrieben und Clubs vermische, meint Bossert. "Das macht ja auch ein vielfältiges, urbanes Leben aus."

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Sendung: hr-iNFO, 25.08.2023, 12.50 Uhr

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Quelle: hessenschau.de/Anna Lisa Lüft, Natascha Pflaumbaum, Elen Schmidt