Kasseler Flusslandschaft Wie Caspar David Friedrich noch nach 250 Jahren verblüfft

Es ist von beiden Seiten bemalt, sollte aber nur von einer betrachtet werden: das Mondscheintransparent von Caspar David Friedrich. Durch Schaben und Kratzen hat der Künstler ein Werk geschaffen, das bis heute Menschen in seinen Bann zieht – und Geheimnisse in sich trägt.

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Spektakuläres Detail an Gemälde von Caspar David Friedrich in Kassel

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Von hinten beleuchtet, offenbart das Kasseler Mondtransparent die Sehnsucht in der Ferne: die Stadt und die Berglandschaft. Bild © hr
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Auf den ersten Blick zeigt Caspar David Friedrichs "Flusslandschaft" ein ödes Tal. Die Sonne scheint fahl durch einen dichten Nebel und hüllt den Fluss und die Uferhänge in ein gelbliches, monochromes Licht.

Caspar David Friedrichs Flusslandschaft erscheint in hell und dunkel sehr unterschiedlich
Bei Licht von vorn unspektakulär und trostlos: Die Kasseler Flusslandschaft erzeugt erst bei Dunkelheit und Beleuchtung von hinten seinen Zauber. Bild © hr

"Die Vorderseite ist eigentlich erstmal unspektakulär, aber das ist Teil einer Inszenierung", sagt Kunstforscherin Christiane Lukatis, die Leiterin der Graphischen Sammlung von Hessen Kassel Heritage, ehemals Museumslandschaft Hessen Kassel. Erst als sie das Licht im Raum dimmt, entfaltet das Gemälde, das im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe aufbewahrt wird, seine Magie.

Das Licht macht das Gemälde komplett

Von vorn nur leicht und von hinten sehr stark beleuchtet, wird aus dem Tag eine Nacht, sichtbar werden zugleich die entfernten Umrisse einer Stadt vor einer hügeligen Landschaft. Oder wie es Lukatis ausdrückt: Beim Durchscheinen "lüften sich die Nebel auf mirakulöse Weise und es erscheint als Ziel der Sehnsucht eine Stadt mit ihren Türmen", schwärmt sie von dem Gemälde, das Caspar David Friedrich zwischen 1810 und 1830 geschaffen hat.

Seit über 25 Jahren betreut Lukatis die grafische Sammlung im Schloss Wilhelmshöhe, darunter auch das seltene Transparent von Caspar David Friedrich. Der bekannteste deutsche Romantiker würde dieses Jahr 250 Jahre alt – ein Anlass, zu dem Hessen Kassel Heritage nun die neuesten Forschungsergebnisse zu dem besonderen Transparent teilt.

Eine Modeerscheinung der Romantik

Friedrichs hügelige "Flusslandschaft" existiert nicht real, wurde aber von der Elbe, von der Landschaft in Böhmen und der damaligen Elbmetropole Dresden inspiriert.

Mondscheintransparente wie dieses waren eine Modeerscheinung, die etwa 1780 in England aufkamen. Wie ein Lauffeuer hätten sie sich über Europa verbreitet.

Caspar David Friedrichs Flusslandschaft erscheint in hell und dunkel sehr unterschiedlich
Gerade die Brücke der Stadt im Hintergrund der Flusslandschaft erinnert an die sächsische Landeshauptstadt Dresden. Bild © Hessen Kassel Heritage

Für den privaten Rahmen gedacht

Caspar David Friedrich beschäftigte sich ab etwa 1808 mit der Transparentmalerei. Dass auf dem Kasseler Werk auf der Vorderseite zunächst so wenig zu sehen sei, habe er sich ganz genau überlegt, schließt Lukatis.

Der Effekt sei im abgedunkelten Raum dadurch nämlich umso spektakulärer gewesen. "Vermutlich fertigte er sie zunächst aber nur für den privaten, familiären Bereich an", sagt Expertin Lukatis. Auch die Kasseler Flusslandschaft habe er nie verkauft. Sie stammt aus seinem Besitz.

Nächtliches Schwarz auf der Rückseite

Für die Forscher sei besonders die Rückseite faszinierend gewesen. Für die dunkle Nachtlandschaft färbte Friedrich das gesamte Transparent blauschwarz ein. Danach schabte er die Farbe an einigen Stellen ab. Beim Schaben dünnte Friedrich an ein paar Stellen sogar das Papier aus, damit das Licht besser hindurchdringen konnte.

Dabei beeindruckt vor allem der Detailreichtum: etwa in Wasserspiegelungen, winzigen Lichtern auf Büschen oder in der Stadt. Sogar Grashalme sind bei genauem Hinsehen erkennbar. Wie penibel der Maler seine Arbeit vorbereitet hatte, zeigt auch das Infrarotlicht. Damit fanden die Wissenschaftler heraus, dass unter der Farbe noch Bleistiftvorzeichnungen existieren.

Caspar David Friedrichs Flusslandschaft erscheint in hell und dunkel sehr unterschiedlich
Das Team von Christiane Lukatis hat das Mondscheintransparent im vergangenen Jahr genauer unter die Lupe genommen. Bild © hr

Schäden durch Gebrauch und Restaurierung

Die hellste Stelle, den Mond, habe Friedrich sogar ausgeschnitten und mit dünnerem Papier ersetzt. Seine filigrane Technik und der Gebrauch von Öllampen machen das Bild auch anfälliger für Schäden, wie Lukatis erklärt.

Caspar David Friedrichs Flusslandschaft erscheint in hell und dunkel sehr unterschiedlich
Durch Restaurierungen in den 1950er-Jahren ist die Rückseite des Mondscheintransparents entstellt. Bild © hr

Wenn die Rückseite frontal beleuchtet wird, lassen sich die Risse deutlich erkennen, die sich durch das Bild ziehen und die durch die ersten Restaurierungen noch deutlicher hervortreten.

Wie genau das Transparent einst präsentiert werden sollte, ist bis heute nicht bekannt. Heute wird das Bild aber sicher im Schloss Wilhelmshöhe verwahrt und nur zu besonderen Zwecken herausgeholt.

Weitere Informationen

Friedrichs Flusslandschaft in der Neuen Galerie Kassel

Ab dem 8. Mai 2024 werden bis zum Jahresende die neusten Forschungsergebnisse zu Caspar David Friedrichs Flusslandschaft in der Neuen Galerie in Kassel vorgestellt – mitsamt des wertvollen Gemäldes. Hessen Kassel Heritage habe einen Weg gefunden, das empfindliche Original unter Berücksichtigung der konservatorischen Vorgaben auszustellen.

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Sendung: hessenschau, hr-fernsehen, 19.04.2024, 19.30 Uhr

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Quelle: Lara Shehada, hessenschau.de