K.I.Z. in Kassel Ein Abriss zwischen Wahnsinn und Wortwitz
Laut, provokant, politisch: K.I.Z. haben in Kassel eine krasse Show abgeliefert. Dazu gab es klare Texte - gegen Rechtsextremisten, Spießertum und für den Wahnsinn des Lebens. Doch wo endet Satire und wo beginnt Provokation? Die Fans sind sich einig.
Auf der Bühne ragt ein beleuchteter, weißer Kristall wie ein Monolith in die Höhe, rechts und links davon zwei weitere kleinere. Ein Phallus-Symbol? Die Vermutung liegt nahe bei einer Band, die als Logo den Notenständer im wörtlichen Sinne nutzt.
Aus den Boxen dröhnen die ersten Takte von "Frieden". Lichter zerreißen die Dunkelheit - dann stehen K.I.Z. ganz in Weiß auf der Bühne der Nordhessen Arena in Kassel. Dort, wo sonst die EC Huskies den Puck übers Eis jagen, feiern am Dienstag 4.500 Fans eine wilde Party mit ihrer Lieblingsband.
Fan-Liebe für die Band
So wie Johanna, ihr "Brudi" und Anna. Sie haben K.I.Z. schon als Jugendliche gehört und live erstmals 2016 auf dem Open Flair in Eschwege (Werra-Meißner) gesehen: "Das war mega." Seitdem halten sie den Jungs die Treue.
"Die haben mit jedem Album einen Banger gelandet", schwärmt Johanna. Dabei habe die Band niemals "nur so eine Aggro-Schiene getrieben" - "deswegen liebe ich die von damals bis heute".
Satire, schwarzer Humor und Gesellschaftskritik
Nico Seyfrid, Tarek Ebéné und Maxim Drüner sind K.I.Z. - und das schon seit mehr als 20 Jahren. Die Band steht für provokanten Hip-Hop, der irgendwo zwischen Satire, schwarzem Humor und Gesellschaftskritik schwankt.
Gegründet hat sich die Band Anfang der 2000er in Berlin. Seit dem Ausstieg von DJ Kraft 2018 mischen Tarek, Maxim und Nico zu dritt den deutschen Hip-Hop auf.

Die Band hat eine eingeschworene Fanbase, die ihnen immerhin 1,9 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer auf Spotify sichert. Und damit mehr als genreverwandten Künstlern wie Kool Savas (1,8 Millionen), Marteria (1,6 Millionen), Casper (1,2 Millionen) oder Kollegah (knapp 800.000).
Seit Ende Februar touren sie mit ihrem Album "Görlitzer Park" durch Deutschland. Auch Wien und Zürich stehen auf dem Tourplan. Höhepunkt sind drei Konzerte Ende August in Berlin, zuvor treten sie am 28. und 29. März in der Frankfurter Festhalle auf.
Görlitzer Park-Tour: Mehr Melancholie, weniger krass
Im Gegensatz zum letzten Album "Rap über Hass" (2021) findet man auf "Görlitzer Park" weniger verstörende und brachiale Texte. K.I.Z. stimmen hier deutlich düstere und melancholische Töne an.
Es geht um Gewalt, Rassismus, Frieden und eine schlechte Politik für die Schwächeren der Gesellschaft. Und so ist der Album-Leadsong "Görlitzer Park" ein Highlight des Abends, auch wenn man hierzu weder feiern oder sich im Moshpit austoben kann.
Der Text handelt vom wohl berüchtigtsten Park Berlins, in dem Drogen vertickt werden, während weniger Meter weiter Kinder auf dem Spielplatz spielen. Der ganze Song mutet an wie ein Sightseeing: Man ist live dabei bei einem Trip durch den Park, von dem laut K.I.Z. "selbst Leute vom anderen Ende der Stadt sagen: 'Ach krass, ist ja doch nur ein Park.'"

Und auch wenn ihre Songs fürs Radio vielleicht eher untauglich sind, auf der Bühne funktionieren sie. Flow und Texte sitzen - auch bei den Fans. Das ist auch gut so, denn leider ist der Sound nicht gut an diesem Abend. Wer die Texte nicht kennt, ist schnell verloren in einem Brei aus sonst so fein gewählten Worten.
Überzeichnet oder doch schon problematisch?
Die Band scheut in ihren Texten keine politische Provokation. In ihren Songs greifen sie häufig Themen wie Rechtsextremismus, Kapitalismuskritik oder soziale Ungerechtigkeit auf. Während Fans Kontroversen und Ironie feiern, sorgen die Lyrics immer wieder für Diskussionen: Sind sie einfach überzeichnet oder doch problematisch?
Oft wird ihnen Sexismus und Gewaltverherrlichung vorgeworfen. Tarek, Maxim und Nico selbst sehen es als künstlerische Überspitzung. Gerade in Bezug auf die frauenfeindliche Interpretation ihrer Texte argumentieren sie, dass sie stereotype Rollenbilder satirisch überhöhen, um auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen.
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Eine rote Linie gibt es dabei nicht. "Keiner soll sich sicher fühlen vor uns", sagte Maxim in einem Interview mit Simon Vogt von "Deutschrap ideal" (ab Minute 24:56). Mit politischen Statements jenseits der Songtexte halten sie sich an dem Abend jedoch zurück.
K.I.Z. gegen Rechtsextremismus - klare Kante in "Rap über Hass"
Die Fans feiern sie für Texte, die hart an der Grenze sind, oder gerne auch mal darüber. Zeilen wie "Ist eine Frau nicht nackt, dann beschmeiß' ich sie mit Scheine - Macht sie sich dann nackt, dann beschmeiß' ich sie mit Steine" (aus "Ein Affe und ein Pferd", 2011) werden an dem Abend ebenso lauthals mitgegrölt, wie direkte Ansagen gegen Rechtsextremismus. "Ich ficke Nazis wie Sophia Loren", heißt es in "Rap über Hass" von 2021.

Schon lange bezieht die Band politisch Stellung, doch auf ihrem Album "Rap über Hass" (2021) wurde die Kritik an der AfD besonders deutlich. Die Reaktionen auf die Texte sind gespalten: Während Fans die klare Haltung feiern, sorgen die Provokationen regelmäßig für Empörung - auch von rechter Seite.
Von Gegnern kritisiert, von Fans geliebt
Sind sie einfach überzeichnet - oder ein Grund, die Band künftig nicht mehr zu hören? Fragt man ihre Anhänger, ergibt sich ein eindeutiges Bild. Janina ist mit ihrer Clique für K.I.Z. aus Nordrhein-Westfalen nach Kassel gekommen. Das Besondere an der Band sei die Gesellschaftskritik auf humorvolle Art, findet sie.
Ihre Freundin Emma findet "voll cool, dass sie so heftig übertreiben". Bei den Texten stecke "übelst krass viel dahinter", worüber sie nachdenke oder einfach nur heule und schreie, erzählt Larissa.

Wofür K.I.Z. steht
Übrigens: die Bedeutung der Buchstaben K.I.Z. lässt viel Raum für Spekulationen. Selbst die Band hat sich nie klar dazu geäußert, wofür die drei Buchstaben stehen. Im Netz finden sich mögliche Bedeutungen wie "Kannibalen In Zivil" oder "Kapitalismus Ist Zauberhaft".
In Nordhessen steht das Akronym seit dem Dienstagabend wohl eher für "Kassel Inszeniert Zerissenheit" – als Anspielung auf die gesellschaftliche Spaltung, die K.I.Z. immer wieder thematisieren. Oder - wer es etwas poetischer wünscht - für "Kassel Implodiert Zärtlich" - als Metapher für die krasse Musik mit tiefgründigen Emotionen.
Apropos Emotionen - die verspürt Julian aus der NRW-Clique durchaus. Bühnenshow, Songauswahl, die Band - all das hat ihn an dem Abend in Kassel begeistert und so lässt er sich noch kurz vor der Heimfahrt zu einer Liebeserklärung hinreißen: "K.I.Z. begleiten mich seit 20 Jahren - ich bin einfach in love mit den Jungs".