Frankfurter Mousonturm "Die Einsparungen wären der Genickbruch für die freie Theaterszene"

Die Bundesregierung streicht ihre Unterstützung für die freie Theaterszene zusammen. Betroffen ist auch der Frankfurter Mousonturm. Er soll 600.000 Euro weniger im kommenden Jahr erhalten. Gegen die Pläne formiert sich Widerstand.

Foto eines Gebäudes aus der Froschperspektive, an der Gebäudeecke ein Schild "Mouson".
Das Künstlerhaus Mousonturm wurde 1988 als eines der ersten Freien Produktionshäuser in Deutschland eröffnet. Es verbindet lokale und globale Kunst miteinander. Bild © IMAGO / imagebroker
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"Ich weiß gar nicht, ob ich das als Kürzung bezeichnen würde, oder als Genickbruch", sagt Susanne Zaun von der freien Frankfurter Theatergruppe "zaungäste".

Die Regisseurin bezieht sich auf den geplanten Kulturetat der Bundesregierung für das Jahr 2025, in dem an gleich zwei Stellen bei der freien Szene gespart werden soll. 

Fördertöpfe werden fast halbiert

Einmal wird in den Plänen für den Bundeshaushalt 2025 das Budget des Bundeskulturfonds, unterteilt in einzelne Töpfe etwa für Literatur, Musik, Theater und Soziokultur, von 32 Millionen auf 18 Millionen Euro fast halbiert.

Susanne Zaun bekommt für ihr nächstes Theaterprojekt noch Geld vom Fonds Darstellende Künste. Was danach kommt, ist ungewisser denn je.

Mousonturm hätte 600.000 Euro weniger

Hart und unerwartet trifft der angedrohte zweite Teil der Kürzungen den Frankfurter Mousonturm. Das Theaterhaus gehört zu den deutschlandweit sieben Häusern des "Bündnis Internationaler Produktionshäuser", neben dem Berliner Hebbel am Ufer oder dem Kulturzentrum Kampnagel in Hamburg.

Das Bündnis erhielt bisher für zukunftsweisende, internationale Projekte jährlich fünf Millionen Euro, auf den Mousonturm entfielen davon 600.000 Euro. Die sollen komplett gestrichen werden.

Koalitionsvertrag wollte Freie Szene stärken

Anna Wagner, die zusammen mit Marcus Droß den Mousonturm leitet, ist schockiert. Sie hat nicht damit gerechnet, dass die seit 2016 bestehende Zuwendung wegfallen soll.

Marcus Droß und Anna Wagner
Marcus Droß und Anna Wagner bilden die Doppelspitze des Mousonturms. Bild © Mousonturm Frankfurt

Denn im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, man wolle den Bundeskulturfonds als Innovationstreiber ausbauen und die Strukturen der Freien Szene wie eben das Bündnis der Internationalen Produktionshäuser stärken.

Kulturministerium: Fokus auf anderen Projekten

Aus dem Bundesministerium für Kultur und Medien von Ministerin Claudia Roth (Grüne) heißt es dazu auf hr-Anfrage, bei der genauen Ausgestaltung des Haushaltsentwurfs hätten "schmerzhafte Entscheidungen und Schwerpunkt-Setzungen unter Beachtung der finanziellen Realitäten getroffen werden" müssen.

Dabei ist der Bundeskulturetat sogar von 2,15 Milliarden auf 2,2 Milliarden Euro angewachsen. Im Fokus habe aber gestanden, mit den zusätzlichen 50 Millionen Euro vom Bund geförderte Einrichtungen wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz stabil zu halten, eine umfassende Film-Reform voranzutreiben und die Deutsche Welle zukunftsfest aufzustellen.

Mousonturm fürchtet um seine Rolle als Innovationstreiber

Welche Auswirkungen hätte die Kürzung für den Mousonturm? Der Bund finanziert mit 600.000 Euro einen wichtigen Teil des Programms, nämlich den, der das Haus als internationales Theater in Hessen verankert, als Innovationstreiber.

Die enge Zusammenarbeit zwischen den sieben Häusern des Bündnisses könnte nicht mehr stattfinden, erklärt Intendantin Wagner und nennt Beispiele.

Zusammenarbeit mit internationalen Künstlerinnen in Gefahr

Die Veranstaltungshäuser hätten etwa Pläne entwickelt, wie Theater nachhaltig produzieren können.

Außerdem habe das Bündnis langfristig mit außereuropäischen Künstlern zusammengearbeitet, zum Beispiel mit der philippinischen Choreografin Eisa Jocson.

Tänzerinnen mit Strohbesen
Die Künstlerinnen Eisa Jocson und Venuri Perera kooperieren mit dem Frankfurter Mouson. Bild © National Gallery Singapore/Filmstill

Keine Stelle mehr für Barrierefreiheit

Diese Zusammenarbeit könne nicht mehr fortgesetzt werden, und auch die Zusammenarbeit mit der Choreografin Wen Hui, die Wagner "die Pina Bausch des chinesischen Tanzes" nennt, wäre gefährdet.

Infrage stehe dann auch die Stelle der Koordinatorin für Barrierefreiheit, dank der der Mousonturm regelmäßig mit Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderungen arbeitet.

Kulturdezernentin schreibt Brief nach Berlin

Inzwischen regt sich Widerstand gegen die Pläne der Bundesministerin von unterschiedlichen Seiten. Die Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) hat zusammen mit ihrem Hamburger Kollegen Carsten Brosda einen Brief an Claudia Roth geschrieben.

Darin bitten sie darum, den Plan der ersatzlosen Streichung der Mittel für die Produktionshäuser und die zusätzliche Halbierung des Bundeskulturfonds noch einmal zu überdenken.

Petition mit über 32.000 Unterzeichnenden

Außerdem gibt es eine Petition unter dem Motto "An der freien Kunst sparen, kostet zu viel!" mit über 32.000 Unterzeichnenden, welche das Ministerium auffordert, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen.

Darin heißt es: "Der Fonds Darstellende Künste und die international vernetzten Produktionshäuser sind für viele freischaffende Künstler*innen lebensnotwendig."

"Kürzung im prekären Umfeld“

Auch die Frankfurter Regisseurin Susanne Zaun hat die Petition unterschrieben. Ihr ist absolut unverständlich, wie es zu den geplanten Einschnitten kommen konnte, "in einem sowieso schon prekären Umfeld, in dem viele Menschen um wenige Mittel konkurrieren."

Wenn die Kürzungen in der Form durchgesetzt würden, hätte das verheerende Auswirkungen für die ganze freie Szene.

In zwei Wochen wird in Berlin über den Haushalt beraten, solange hoffen noch alle Beteiligten darauf, dass die Kürzungen wieder zurückgenommen werden.

Redaktion: Alexandra Müller-Schmieg

Quelle: hessenschau.de