Kraftakt Denkmalschutz Wie Alsfeld um sein kulturelles Erbe kämpft
Alsfeld ist ein Vorzeige-Beispiel für Denkmalschutz in Hessen. Für die Stadt im Vogelsberg ist das nicht nur eine kulturelle Verpflichtung, sondern auch eine teure Daueraufgabe. Zuweilen ist die Stadt aber machtlos zum Zuschauen verbannt.
Das Alsfelder Rathaus hat es selbst im fernen Asien zu gewisser Bekanntheit gebracht. Der historische Bau wurde auch schon in chinesischen Schulbüchern als Vorzeigebeispiel für deutschen Fachwerkbau abgebildet, wie der Alsfelder Bürgermeister Stephan Paule (CDU) berichtet.
Über seinen imposanten Dienstsitz schwärmt er: Das Rathaus habe Alsfeld weltweit bekannt gemacht. Tatsächlich dürfte das Rathaus das am meisten betrachtete und fotografierte Gebäude in der Vogelsberg-Stadt sein.
Jeden Tag bleiben dort Passantinnen und Passanten, Touristinnen und Touristen stehen und staunen. Eine Gruppe nach der anderen lässt sich bei Führungen den mehr als 500 Jahre alten Mittelalter-Bau zeigen.
Alsfeld als Vorreiter
Die Altstadt von Alsfeld gilt auch für den Denkmalschutz in Hessen als gelungenes Beispiel. Früh und umfassend wurde er dort in Angriff genommen. Das ebnete auch den Weg für das Landesamt für Denkmalpflege, das seit dem Inkrafttreten des Hessischen Denkmalschutzgesetzes vor 50 Jahren das kulturelle Erbe Hessens bewahrt.
Bereits 1975 wurde Alsfeld zudem als Europäische Modellstadt für Denkmalschutz ausgezeichnet. Mehr als 450 erhaltene Fachwerkhäuser befinden sich dort, der kleinste Teil in städtischer Hand und der größte in privatem Besitz. Das aus der späten Gotik stammende Rathaus ist der bedeutendste Bau.
Daueraufgabe Denkmalschutz
Dabei wäre das Rathaus schon mal fast abgerissen worden. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Gemeinderat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Doch der damalige Kreisbaurat konnte das zusammen mit der großherzoglichen Verwaltung gerade noch verhindern, wie Bürgermeister Paule weiß.
Der Erhalt des Rathauses führte aber auch dazu, dass seither stetig saniert werden muss. In den vergangenen 20 Jahren sind rund zwei Millionen investiert worden für Unterhalt und Instandsetzungsarbeiten, wie Michael Hölscher vom Stadtbauamt sagt.
"Man muss - beim Denkmalschutz generell - ständig was machen und wird nie fertig. Das ist eine Daueraufgabe, die alle paar Jahre oder Jahrzehnte angegangen werden muss", erklärt Hölscher.
Bürgermeister: Erhalt ist "kulturelle Verpflichtung"
Für Bürgermeister Paule ist es wichtig, die "Altstadt als den Kern unseres städtischen Lebens attraktiv zu halten". Es sei die Seele der Stadt. "Was wäre Alsfeld schon, wenn wir die historische Altstadt nicht hätten?" Er spricht von einer kulturellen Verpflichtung.
Rund um das Rathaus gibt es etliche Gebäude, die als Kulturdenkmäler gelten. Aktuell läuft die Altstadtsanierung 2.0. Zum Erhalt der im städtischen Besitz stehenden historischen Bauten muss immer Geld aus dem kommunalen Haushalt verwendet werden. Es gibt aber auch Mittel und Zuschüsse etwa von Land und Bund.
Galoppierende Kosten ein Problem
Fürs erste abgeschlossen ist die Frischzellenkur im nahen Neurath-Haus, ein mächtiges Patrizierhaus einer früher einflussreichen Familie. "Es ist bedauerlich, dass das Gebäude in einer Seitenstraße liegt", sagt Hölscher. "Es ist eines der schönsten Häuser Alsfelds."
Genutzt wird das viergeschossige Haus heute als Touristen-Information, Museum und Ausstellungsfläche. Nun ist es barrierefrei und verfügt über einen Aufzug.
Die Kernsanierung kostete nach Angaben der Stadt 3,3 Millionen Euro. "Und das war noch günstig", sagt Hölscher. In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe er Steigerungen der Baukosten von mehr als 40 Prozent beobachtet.
Nebenan steht das 1687 erbaute Minnigerode-Haus. Es beherbergte einst ein Museum und ist das nächste kostspielige Sanierungsprojekt. Hölscher rechnet mit Kosten von rund sieben Millionen Euro. Danach soll auch das sogenannte Hochzeitshaus an die Reihe kommen.
Privatbesitz als Problemfeld
Doch bei Häusern, die in Privatbesitz sind, kann die Stadt den Denkmalschutz nicht konsequent vorantreiben. Deswegen gibt es auch Gebäude, die zu wahren Schandflecken verkommen sind. Dazu zählt als prominentestes Beispiel in Alsfeld das Haus am Kirchplatz 10. Es ist auch bei Modellbau-Fans bekannt und existiert wie das Rathaus im Miniaturformat.
Das mehr als 600 Jahre alte (Fachwerk-)Haus der Stadtschreiber verfällt aber seit längerem. Ein Privat-Mann aus Bayern erwarb es und kümmerte sich nicht weiter darum. Bürgermeister Paule nannte ihn im Verlauf längerer Auseinandersetzungen auch schon einen "Immobilien-Messi", der Dutzende Häuser im Bundesgebiet sammele, aber nichts daran mache.
Erbe muss geklärt werden
Da das Haus sich zu einer einsturzgefährdeten Bruchbude entwickelte, musste es die Stadt mit Brettern und Balken stabilisieren. Mittlerweile ist der weit über 80 Jahre alte Eigentümer gestorben. Nun müsse erst mal der Nachlass geklärt werden, sagt Paule.
Wenn das Erbe niemand antrete, komme es zu einer Fiskalerbschaft. Das heißt: Der Staat erbt. Die Stadt Alsfeld müsste sich dann mit der bayerischen Liegenschaftsverwaltung verständigen.
Paule geht davon aus, dass eine Sanierung des Kulturdenkmals mindestens 1,5 Millionen Euro kosten würde - Denkmalschutz ist eine teure Angelegenheit. Das wissen sie in Alsfeld mittlerweile nur allzu gut.
Sendung: hr4, 17.04.2024, 14.30 Uhr
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