Kulturpass startet auch in Hessen "Wir müssen die jungen Leute wieder aus dem Keller holen"
200 Euro für Konzerte, Museen oder Bücher: Junge Erwachsene können jetzt den Kulturpass beantragen. Die Offenheit der hessischen Kulturbetriebe ist groß: Einzelne haben ihr Angebot speziell am Kulturpass ausgerichtet. Von anderen kommt Kritik.
Mit ihm sollen junge Erwachsene nach den Corona-Lockdowns die Kulturszene (neu) entdecken: Der Kulturpass richtet sich an alle, die in diesem Jahr 18. Geburtstag hatten oder noch haben. Wer sich auf der Homepage des Passes oder in der App registriert, bekommt ein Budget von 200 Euro. Das kann innerhalb von zwei Jahren bei Kultur-Anbietern ausgegeben werden, die sich für die Plattform freigeschaltet haben. Das können Theater, Clubs, Kinos, Museen, Buchhandlungen und Plattenläden sein. Aber auch Noten und Musikinstrumente können über den Kulturpass bezahlt werden.
Der Pass soll vor allem der lokalen Kulturbranche Aufwind geben, 100 Millionen Euro hat die Bundesregierung dafür bereit gestellt. Entsprechend groß ist die Offenheit in der Szene, sich zu beteiligen und ihr Angebot auf der Plattform einzustellen.
Mit dem Kulturpass zum Festival
Alexander Feiertag, Vorsitzender des Vereins Kulturfabrik in Eschwege, hält den Kulturpass für eine gute Idee. Es gehe darum, "junge Leute wieder aus dem Keller rauszuholen". In den Corona-Jahren sei bei der jungen Generation etwas weggebrochen. "Da müssen wir dranbleiben." Deshalb wird der Verein auch Tickets für das Open Flair Festival, das im August wieder zehntausende Musikfans an den Werratalsee locken wird, über den Pass anbieten. Und weil der Preis für ein Festivalticket inklusive Camping etwas über 200 Euro liegt, wird es ein spezielles Angebot in Höhe von 180 Euro für Nutzerinnen des Kulturpasses geben.
Zuspruch für den Pass kommt auch von Matthias Wussow vom Kulturzentrum KFZ in Marburg. "Wir machen da gerne mit und glauben, dass das durchaus angenommen wird." Bisher sei die Altersgruppe der 18-Jährigen bei den Konzerten nicht so stark vertreten, ganz einfach wegen der Kosten. Aber der Pass könnte Interessierte dazu bewegen, sich doch mal ein Konzert anzuhören. Deswegen ist Matthias Wussow optimistisch, dass das Angebot angenommen wird.
Die Auswahl liegt bei den Anbietern
Auch Eva Arnold von der Centralstation in Darmstadt sieht im Kulturpass die Chance, junge Leute für Veranstaltungen zu interessieren, die sie sonst nicht angesprochen hätten. "Wir freuen uns über ein junges Publikum. Das ist das Publikum von morgen", sagt sie. Die Centralstation will sich noch Gedanken machen, welche Teile des Programms sie im Kulturpass anbietet. Die Partys, die ohnehin schon junge Menschen anziehen, werden nicht dabei sein. Die hält Eva Arnold auch für weniger geeignet im Sinne der Idee, die hinter dem Kulturpass steckt.
Grundsätzlich müssen die Veranstalter sicherstellen, dass bei ihren Angeboten die Kultur im Mittelpunkt steht. Wenn mehr als 50 Prozent des Umsatzes durch den Verkauf von Essen und Getränken erwirtschaftet wird, ist eine Veranstaltung für den Kulturpass nicht geeignet. Was das Angebot vieler Clubs ausschließen dürfte.
Ganz anders sieht das bei der Oper Frankfurt aus, die ihr komplettes Programm im Kulturpass anbietet. Achim Sieber, Referent des Intendanten, findet, dass es "für alle geeignet ist". Trotzdem habe man nicht die Erwartung, dass es von vielen genutzt werde. Aber auch unter 18-Jährigen gebe es einige, die sich gerne mal was gönnen wollen. In der Altersgruppe sind Operntickets zwischen 8 und 95 Euro zu haben – und mit dem Kulturpass kostenlos.
"Ein Haufen schwieriger Bürokratie"
Viel Zuspruch also für die Idee des Kulturpasses. Weniger einhellig ist die Meinung zur Bedienungsfreundlichkeit. Zwar hat der Betreiber der Plattform, die Stiftung Digitale Chancen, Online-Tutorials und Informationsveranstaltungen angeboten, aber die Registrierung sei "dann doch nicht so intuitiv" gewesen, heißt es von einem Anbieter und von einem anderen, dass "ein Haufen schwieriger Bürokratie" zu bewältigen gewesen sei. Einige müssen auch noch mit ihren jeweiligen Dienstleistern Wege finden, wie ein Ticket direkt über die App gebucht und die spätere Abrechnung organisiert werden kann.
Deutlich komplizierter als die Registrierung fand Britta Karadzole eine andere Herausforderung: Die Inhaberin der Buchhandlung Lesezeichen in Darmstadt hat lange darüber nachgedacht, welche Bücher passend für 18-Jährige sein könnten, die sie über die Plattform anbietet. Grundsätzlich können sich Bücherfans über die Plattform oder die App jedes Buch bei einer registrierten Buchhandlung bestellen und dort abholen. Aber Britta Karadzole wollte den Nutzern ein kuratiertes Angebot unterbreiten. Diese müssen die Empfehlung allerdings erst einmal in dem umfangreichen Bücher-Sammelsurium der App finden.
Problem: Die App finden und etwas in der App finden
Fraglich ist, ob das große Angebot - gerade bei Büchern, aber auch bei Veranstaltungen - deutlicher auf die junge Zielgruppe ausgerichtet werden muss. Denn es geht darum, 18-Jährige für kulturelle Angebote zu begeistern. Und dazu gehört auch, dass sie überhaupt vom Kulturpass erfahren.
Die Landesvereinigung Kulturelle Bildung Hessen befürchtet, dass das Angebot gerade an diejenigen nicht gut genug kommuniziert wurde, die bisher noch wenig Kontakt zum Kulturbereich haben. Ein weiterer Kritikpunkt: 18-Jährige können zwar über den Pass Kultur konsumieren, aber nicht selbst gestalten. So seien beispielsweise Theaterworkshops oder Kunstkurse nicht abgedeckt. Zumindest noch nicht.
Unterm Strich bleibt aber eine freudige Erwartung, ob das Experiment gelingt und sich viele junge Menschen angesprochen fühlen. Dann könnte der Kulturpass in Zukunft vielleicht auch anderen Altersgruppen zur Verfügung stehen.
Sendung: hr2, 14.06.23, 8.10 Uhr
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