Kunst im Schweinestall Wie ein ganzes Dorf in Nordhessen zur Galerie wird
In Oelshausen im Landkreis Kassel gibt es von Sonntag an eine Woche lang Kunst, und zwar da, wo man sie eigentlich nicht vermutet - in Wintergärten, Scheunen, in der Tankstelle und im Schweinestall.
Maler Manfred Kempe hat seine Bilder in einen Schweinestall gehängt. An den Wänden über den Trögen und Pferchen lächeln jetzt ältere Oelshausener den Besuchenden entgegen. Kempe hat sie porträtiert, auf seine Weise, leicht verfremdet.
Schwalben, Schweine und die Kunst
Über den Bildern haben Schwalben ihre Nester gebaut. Ist das gefährlich für die Porträts? Kempe winkt ab und sagt: "Wenn die unsere Bilder verschmutzen, dann machen wir sie eben wieder sauber. Das sind Kunststoffbilder, das geht. Das ist Natur hier und authentisch, wie Oelshausen!" Noch haben sich die Schwalben zum Glück zurückgehalten.
Manfred Kempe führt seine Besuchenden gerne durch den Stall. Kühe und Schweine sind längst nicht mehr da, der Stall ist leer und sauber gefegt, damit es die Besuchenden leichter haben. Aber um die Bilder richtig bewundern zu können, muss man sich auch schon mal vor ein Gatter knien und seinen Kopf durchstrecken, "wie eine Kuh", sagt Künstler Kempe.
Ein Gegenentwurf zu großen Museen in Metropolen
Wolfgang Hanske, der ehemalige Dorf-Pfarrer, gehört zum Verein Dorf-Eigen-Art Oelshausen und hat die Ausstellung an ungewöhnlichen Orten mitorganisiert. Eine Jury, zu der auch ein Kunsthistoriker gehört, hat aus über 70 Bewerbungen aus ganz Deutschland die 26 Kunstschaffenden ausgewählt, die in Oelshausen jetzt ihre Werke zeigen dürfen.
Henske sagt, diese Kunst-Woche in Oelshausen solle besonders die anziehen, die mit Museen nichts anfangen können. Das Kunstprojekt in Oelshausen sei etwas anderes als in den Städten, man gehe dorthin, wo die Leute leben. "Manchmal sind es Stallungen, manchmal das Wohnzimmer, wir haben auch die Tankstelle als Ausstellungsort. Eine ganze Vielfalt, und das macht unsere Ausstellung im Dorf auch aus."
Grüne Pinsel weisen den Weg
Jeden Tag öffnen sich um 17 Uhr die Türen für jeweils zweieinhalb Stunden. Ein grüner Pinsel vor der Tür zeigt den Besuchenden: bitte eintreten! Drinnen stehen die Künstlerinnen und Künstler den Kunst-Fans Rede und Antwort. Auch Heide Matschuck ist mit dabei. Die Frau aus Niedenstein im Schwalm-Eder-Kreis stellt Gemälde in einer Scheune aus.
Landschaftsbilder sind es, die sehr gut in die ländliche Umgebung passen. Die Malerin freut sich, dass das ganze Dorf mitmacht und hier auch Leute hinkommen, die sonst nicht in Kunst-Ausstellungen gehen. So hätten ihre Werke in der Scheune ein größeres Publikum.
Die Scheune gehört Jörg Fahning. Er ist von Beruf Hausmeister und sei sehr an Kunst interessiert, sagt er: "Ich finde nicht alles schön, was hier im Dorf gezeigt wird, manches erschließt sich einem nicht. Aber vieles ist toll und deshalb mache ich mit!"
Alle vier Jahre gibt es hier Kunst
Der Verein Dorf-Eigen-Art organisiert die Ausstellung im ganzen Dorf seit 1997, meist alle vier Jahre. Bei der letzten Kunstwoche 2019 sind rund 4.000 Kunstinteressierte nach Oelshausen gekommen. Vielleicht werden es dieses Jahr noch mehr, hofft Vereinsmitglied Wolfgang Hanske. Hier könne man die Künstlerinnen und Künstler selber kennenlernen und mit ihnen ganz zwanglos über ihre Werke sprechen, das gebe es doch sonst kaum.
Sendung: hr2, 08.09.2023, 06.45 Uhr
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